Politik

Protest gegen Verfassungsentwurf Mursi zieht mehr Ärger auf sich

In Ketten gelegt von den Islamisten - so fühlen sich viele der Männer und Frauen, die dieser Tage in Ägypten demonstrieren.

In Ketten gelegt von den Islamisten - so fühlen sich viele der Männer und Frauen, die dieser Tage in Ägypten demonstrieren.

(Foto: REUTERS)

Das von Islamisten dominierte Verfassungskomitee peitscht einen Scharia-geprägten Entwurf für ein Grundgesetz durch. Liberalen Kräften und gemäßigten Muslimen liefert Präsident Mursi so neuen Zündstoff. Rufe nach einem Sturz des Regimes ertönen.

Zehntausende Ägypter sind in Kairo auf die Straße gegangen, um gegen die Machtpolitik der konservativen Muslime zu protestieren. Zuvor hatte die von Islamisten beherrschte Verfassungsgebende Versammlung in einem 15-stündigen Parforceritt alle 234 Artikel ihres Entwurfs für eine neue Verfassung gebilligt. Das islamische Recht, die Scharia, soll demnach wichtigste Quelle der Gesetzgebung bleiben. Gleichzeitig soll die Rolle der islamischen Religionsgelehrten bei der Gesetzgebung gestärkt werden. Vertreter der Opposition boykottierten die Abstimmung, weil die Islamisten ihre Änderungswünsche ignorierten. Wie vor zwei Jahren bei den Protesten gegen den langjährigen Machthaber Husni Mubarak erscholl bei den Demonstrationen der Ruf "Das Volk will den Sturz des Regimes".

Die ganze Nacht lang saß die verfassungsgebende Versammlung zusammen.

Die ganze Nacht lang saß die verfassungsgebende Versammlung zusammen.

(Foto: REUTERS)

Die Gegner der Islamisten erklärten, der Verfassungsentwurf beinhalte viele undemokratische Passagen. Außerdem sei es falsch, den Religionsgelehrten künftig Aufgaben anzuvertrauen, die bislang die Justiz wahrgenommen habe.

Der Verfassungsentwurf sieht auch vor, die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Legislaturperioden beziehungsweise acht Jahre zu beschränken. Sollte das Grundgesetz angenommen werden, soll die Legislative von Mursi wieder auf das Parlament übergehen. Die Gegner Mursis werfen der Muslimbruderschaft vor, den verfassunggebenden Prozess an sich gerissen zu haben.

Bundesregierung will Verfassungsentwurf genau prüfen

Bundesaußenminister Guido Westerwelle äußerte sich besorgt über die Entwicklung in Ägypten. Schnelligkeit bei der Verabschiedung der Verfassung dürfe nicht zulasten eines breiten gesellschaftlichen Konsenses gehen, sagte Westerwelle dem "Spiegel". Die Bundesregierung will den Verfassungsentwurf darum "gründlich prüfen". Deutschland hoffe, dass in der endgültigen Fassung die demokratischen Grundfreiheiten berücksichtigt worden seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Wieder versammelten sich Zehntausende auf dem Tahrir-Platz.

Wieder versammelten sich Zehntausende auf dem Tahrir-Platz.

(Foto: REUTERS)

Der Fahrplan für die Übergangszeit sieht vor, dass die Ägypter in einem Referendum über den Entwurf abstimmen. Nach Informationen des Nachrichtensenders Al-Arabija soll das Referendum noch im Dezember stattfinden, möglicherweise sogar schon in den nächsten zwei Wochen. Die Demonstranten kündigten allerdings an, mit Nein zu stimmen.

Der vielschichtigen Opposition aus Liberalen, Linken, Christen und gemäßigten Muslimen stehen die gut organisierten Muslimbrüder gegenüber, die für Samstag in Kairo zu einer Großkundgebung aufgerufen haben. Die Mursi-Anhänger, die in Alexandria schon auf die Straße gegangen waren, wollen in der Hauptstadt aber den Tahrir-Platz meiden – um Zusammenstöße mit der Opposition zu verhindern.

UN spricht von Bruch der Rechtsstaatlichkeit

Präsident Mursi verteidigte seinen autoritären Führungsstil. Er hatte mit einer Verfassungserklärung unter anderem dafür gesorgt, dass seine Dekrete nicht mehr juristisch anfechtbar sind. In der Nacht zum Freitag sagte er im Staatsfernsehen: "Wir müssen den Übergang schaffen. Und das dies gelingt, liegt in meiner Verantwortung, vor dem Volk und vor Gott." Er habe seine Verfassungserklärung, mit der er auch die Kompetenzen des Verfassungsgerichts vorübergehend beschnitten hatte, erlassen, "um die Revolution zu retten".

Kritisch äußerte sich dazu UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay. Sie sagte, Mursis Verfassungserklärung laufe dem Prinzip der Rechtstaatlichkeit entgegen, da er damit seine Entscheidungen der Kontrolle durch die Justiz entzogen habe.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen