Politik

Korruption in Brasilien Museum blickt in den Abgrund

Im virtuellen Shop des Museums für Korruption sind viele Souvernirs ausgestellt, darunter Hemden mit weißen Kragen, Unterhosen, in denen Dollars geschmuggelt werden können und Geldwaschmaschinen (Screenshot vom Museu da Corrupcao).

Im virtuellen Shop des Museums für Korruption sind viele Souvernirs ausgestellt, darunter Hemden mit weißen Kragen, Unterhosen, in denen Dollars geschmuggelt werden können und Geldwaschmaschinen (Screenshot vom Museu da Corrupcao).

(Foto: dpa)

Bestechung und Betrug, Lügen und Gemauschel - das sind unappetitliche Zutaten der Korruption. Die Skandale werden allzu oft schnell vergessen. Deshalb archiviert in Brasilien jetzt ein Online-Museum die krassesten Fälle.

"Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können", freut sich Moíses Rabinovici über das Interesse am virtuellen Museum der Korruption. "Unser Archiv schwillt gerade mächtig an", sagt der Direktor. Und tatsächlich: Kurz vor den Wahlen in Brasilien am 3. Oktober mehren sich im Zusammenhang mit der Bestechlichkeit auf allen staatlichen Ebenen Rücktritte und Entlassungen, selbst Festnahmen gibt es. Alles wird dokumentiert im "Museu da Corrupcao", das 365 Tage im Jahr rund um die Uhr online geöffnet ist. Der Eintritt ist frei. Nur schwindelfrei sollte man sein, denn es tun sich Abgründe auf.

Die Skandale haben exotische Namen wie Operation "Satiagraha", "Mensalao", "Anaconda" oder "Máfia das Sanguessugas". Immer geht es um viel Geld und meistens um das der Steuerzahler, das im Sumpf von Klüngel und Gemauschel verschwindet. In Hospitälern vergammeln etwa empfindliche Geräte trotz hoch dotierter Wartungsverträge; Bildungsprojekte werden finanziert, aber nicht durchgeführt. Und immer zahlt der Bürger. Im Mittelpunkt der Affären: Korrupte Politiker aller Couleur, kriminelle Beamte und raffgierige Unternehmer.

Museum gegen das Vergessen

Auch 2010 besteht kein Mangel an neuen Exponaten: Zwei Gouverneure wurden dieses Jahr bereits wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen und im Bundesstaat Mato Grosso do Sul wanderte in der Großstadt Dourados vor kurzem gleich die halbe Stadtverwaltung und der Stadtrat hinter Gitter. Eine "Schmiergeld-Orgie", schrieben lokale Zeitungen. Allein der Bürgermeister soll regelmäßig Bestechungsgelder von umgerechnet bis zu 200.000 Euro erhalten haben. Skandale auch in Brasília: Die Kabinettschefin von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Erenice Guerra, musste vorige Woche ihren Hut nehmen. Ihr wird Begünstigung und Vetternwirtschaft vorgeworfen.

"Es gibt viel Korruption in Brasilien", sagt Rabinovici, der sich nicht wirklich über Neuzugänge freuen kann. Je mehr Exponate, desto mehr Korruption. Auch der verantwortliche Web-Redakteur Luiz Octavio de Lima sieht den Zuwachs mit gemischten Gefühlen: "Es ist eigentlich sehr traurig." Aber die Öffentlichkeit hat ein kurzes Gedächtnis und das Museums-Motto heißt: "Wider das Vergessen".

Kuriositäten-Kabinett

Es sammeln sich auch Kuriositäten in den Archiven mit Artikeln, Fotos und Filmen an. Da gibt es etwa den Abgeordneten, der sich für Millionen ein herrschaftliches Schloss mit ebensolchem Park leistet und zugleich den Fiskus umgeht - er hat übrigens die Museumsbetreiber verklagt. Fast zum Schmunzeln dagegen der Fall eines Parteimitglieds, das sich 200.000 Dollar in die Unterhose klemmt, am Flughafen ertappt wird und in arge Erklärungsnot gerät.

In dem Online-Museum, das von der Zeitung "Diário do Comércio" betreut wird, kann sich der Besucher durch eine Bibliothek klicken und ein Korruptions-ABC aufrufen. Auch einen Museums-Shop und eine virtuelle Pizzeria gibt es. Die heißt ganz italienisch "Zia Angela" (Tante Angela) und ist nach Angela Moraes Guadagnin benannt.

Pizza zum Schluss

Die Abgeordnete erlangte 2006 zweifelhaften Ruhm, als sie durch den Parlaments-Plenarsaal tanzte und so den umstrittenen Freispruch eines Kollegen feierte, der in eine Korruptionsaffäre verwickelt war. "Tudo acaba em Pizza", ist ein gängiger Spruch in Brasilien, wenn groß verkündete Aufklärungsaktionen mit viel Getöse ins Leere laufen und sich die politischen Kontrahenten nach ihrem Streit am Tage abends beim Italiener wieder versöhnen: "Alles endet bei Pizza."

Die Speisekarte bei "Zia Angela" ist voll mit Pizza-Varianten, die die Namen der Hauptskandale in Brasilien tragen. Schon bald könnte es mehr Angebote geben, etwa eine "Pizza Olímpica" oder "Pizza Copa", denn die Milliarden-Projekte der "Copa", der Fußball-WM 2014, und der Olympischen Spiele 2016, sind verlockend, befürchtet auch Rabinovici. "Das sind Riesen-Bauprojekte, und da wird es sehr viel Korruption geben."

Quelle: ntv.de, Helmut Reuter, dpa

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