"Chaotischer Tag für die Regierung" Mussawi auf Konfrontationskurs
27.07.2009, 17:50 UhrGut eine Woche vor der Vereidigung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad bröckelt in der Führungsriege des Landes der Zusammenhalt. Ahmadinedschad lehnte das Rücktrittsgesuch eines Ministers ab. Oppositionsführer Mussawi geht derweil weiter auf Konfrontationskurs zu den konservativen Machthabern.

Demonstranten in Paris zeigen Fotos der jungen Iranerin Neda, die bei den Protesten getötet worden war.
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Die konservative Zeitung "Tehran Emrus" berichtete von einem "chaotischen Tag für die Regierung": Am Vortag hatten mehrere iranische Nachrichtenagenturen von der Entlassung von vier Ministern berichtet. Dieser Schritt war angesichts der bevorstehenden Vereidigung des wiedergewählten Präsidenten zunächst als Beginn der Kabinettsumbildung gedeutet worden, hing offenbar aber vorrangig mit dem Rücktritt des Vize-Präsidenten Esfandiar Rahim Maschaie zusammen.

Kulturminister Harandi muss im Amt bleiben.
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Das Präsidentenbüro bestätigte lediglich die Absetzung des Geheimdienstministers Gholamhossein Mohseni Edscheie. Dieser hatte wie Kulturminister Mohammed Hossein Safar Harandi die Ernennung des inzwischen zurückgetretenen Vize-Präsidenten Maschaie kritisiert. Harandi reichte in einem Brief an Ahmadinedschad seinen Rücktritt ein. Der Präsident lehnte dies jedoch ab.
Minister-Kandidaten "genauestens" überprüfen
Das Gezerre innerhalb der Regierung sorgte im Parlament für Kritik. Der konservative Abgeordnete Heschmatollah Falahatpischeh warf Ahmadinedschad vor, gegen die Interessen des Landes zu handeln. Der konservative Parlamentarier Mussa Ghorbani rief die Abgeordneten auf, die zukünftigen Kandidaten für Ministerposten "genauestens" zu überprüfen. Ahmadinedschad soll am 5. August vereidigt werden. Anschließend muss sich sein neues Kabinett einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen.

Ahmadinedschad musste sich dem geistigen Oberhaupt des Iran beugen.
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Nach wachsender Kritik an der Personalie Maschaie, die bei Ahmadinedschad auf taube Ohren gestoßen war, hatte der oberste Führer, Ajatollah Ali Chamenei, ein Machtwort gesprochen. Er wies Ahmadinedschad am Freitag öffentlich an, die Ernennung rückgängig zu machen. Maschaie, dessen Tochter mit Ahmadinedschads Sohn verheiratet ist, zog am Samstag selbst die Konsequenz und trat zurück. Der Präsident sprach von "negativer Propaganda gewisser Medien und politischer Fraktionen". Maschaie hatte den Iran als Freund des israelischen Volkes bezeichnet. Teheran betrachtet den jüdischen Staat als einen Erzfeind.
Mussawi lässt nicht locker
Der iranische Oppositionsführer Mirhossein Mussawi geht derweil auf Konfrontationskurs zur konservativen Führung. Der unterlegene Präsidentschaftskandidat kündigte die Fortsetzung des Kampfes um Reformen an. Er rief die Führung des Landes auf, die Verfassung zu respektieren und am Donnerstag eine Gedenkkundgebung für die Toten der Nachwahl-Proteste zu genehmigen. Die Trauerfeier sei ein "Test" für die Regierung, die iranische Verfassung erlaube friedliche Versammlungen, erklärte Mussawi.
Mussawi und sein ebenfalls unterlegener reformorientierter Mitbewerber bei der Wahl, Mehdi Karrubi, hatten eine schlichte 90 Minuten lange Gedächtnis-Veranstaltung an einem öffentlichen Ort im Norden Teherans beantragt. Sie sagten zu, dass es dabei keine politischen Äußerungen geben werde, sondern ausschließlich Koran-Verse verlesen werden sollten. Ohne Genehmigung sind solche Versammlungen illegal.
Der Ausgang der Wahl werde auch die religiöse Führung des Landes um Ajatollah Ali Chamenei beschädigen, sagte Mussawi weiter. Die Menschen hätten sich in der Islamischen Revolution von 1979 für die Freiheit erhoben. "Wo ist diese Freiheit jetzt? Diese Situation wird jeden zerstören und das System beschädigen", warnte der frühere Regierungschef.
Streit unter Religionsführern
Die Opposition um Mussawi wirft der Regierung vor, die Präsidentenwahl am 12. Juni gefälscht zu haben. Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad war zum Sieger der Abstimmung erklärt worden. Bei den Protesten gegen die Wahl, die zum Teil blutig niedergeschlagen wurden, sind bisher mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen.
Auch der einflussreiche Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsandschani bekräftige noch einmal seine Kritik an der Präsidentenwahl. Er sagte am Sonntag bei einem Gespräch mit Universitätsprofessoren in der Hauptstadt Teheran, sein Standpunkt habe sich nicht verändert. Zugleich sagte Rafsandschani, es gebe unterschiedliche Meinungen bei den Religionsführern zu der Wahl. "Der bestehende Streit hängt mit der Wahl zusammen", wird er zitiert, "wenn die Differenzen ausgeräumt würden, dann würde auch der Streit beendet."
Überprüfung der Haftbedingungen
Das Parlament setzte unterdessen eine Sonderkommission ein, die nach den heftigen Protesten gegen die umstrittene Präsidentschaftswahl die Lage der Gefangenen untersuchen soll. Ein erstes Treffen des Gremiums habe bereits am Sonntag stattgefunden, sagte der Abgeordnete Hossein Sobhani-Nia der Nachrichtenagentur Ilna. Die Sonderkommission solle auch Haftanstalten besuchen.
Innerhalb einer Woche soll über das Schicksal der noch inhaftierten Demonstranten entschieden werden, sagte ein Sprecher von Ayatollah Mahmud Haschemi Schahrudi, der das Rechtssystem im Iran anführt. Demnach sollten Inhaftierte, gegen die nichts Schwerwiegendes vorliege, innerhalb einer Woche gegen Kaution freikommen. Nach Angaben des Sprechers sind noch rund 300 Demonstranten in Haft. Dies wären doppelt so viele wie bisher von der Regierung angegeben.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa/rts