Politik

Sirte und Bani Walid im Visier NATO fliegt über 40 Einsätze

Kampfspuren in einer Straße in Tripolis.

Kampfspuren in einer Straße in Tripolis.

(Foto: AP)

Die NATO will in den letzten Stunden diverse Ziele in den libyschen Städten Sirte und Bani Walid vernichtet haben. Gejagt wird immer noch Ex-Diktator Gaddafi. Dass dessen Angehörige Zuflucht in Algerien fanden, sorgt für gefährlichen Zündstoff zwischen den Nachbarländern. In der libyschen Hauptstadt Tripolis ist die Lage unterdessen weiter sehr schwierig.

Die Kampfflugzeuge der NATO konzentrieren ihre Bombenangriffe in Libyen auf Ziele in den noch verbliebenen Hochburgen des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi. Nach Angaben des Militärbündnisses waren zahlreiche Militäreinrichtungen in Gaddafis Geburtsort Sirte Ziel von Angriffen. Die NATO berichtete auch über Bombardierungen in Bani Walid südöstlich von Tripolis. Medienberichten zufolge hält sich Gaddafi möglicherweise dort auf.

In der Nähe von Sirte seien in den vergangenen 24 Stunden 3 Kommandozentralen, 4 Radaranlagen, 22 bewaffnete Fahrzeuge, 2 Versorgungsfahrzeuge, 1 Leitstand und 2 Raketenstellungen zerstört worden, teilte die NATO mit. In Bani Walid habe man 2 Kommandozentralen und 1 Munitionslager getroffen. Insgesamt seien in den vergangenen 24 Stunden 42 Kampfeinsätze geflogen worden.

"Akt der Aggression"

Die libysche Übergangsregierung bezeichnete unterdessen die Aufnahme von Familienmitgliedern des untergetauchten libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi in Algerien als "Akt der Aggression". Libyen verlange ihre Auslieferung, sagte Informationsminister Mohammed Schammam.

Verhöhnung Gaddafis durch einen Rebellen in Tripolis.

Verhöhnung Gaddafis durch einen Rebellen in Tripolis.

(Foto: REUTERS)

Gaddafis Frau Safija, die Söhne Hannibal und Mohammed sowie die hochschwangere Tochter Aischa waren nach Angaben des algerischen Außenministeriums zuvor in Libyens Nachbarland eingetroffen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die libysche Übergangsregierung seien davon unterrichtet worden, berichtete die algerische Nachrichtenagentur APS unter Berufung auf das Ministerium.

Über den Aufenthaltsort Gaddafis gibt es weiterhin keine gesicherten Erkenntnisse. Der Ex-Diktator soll noch in Libyen sein. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa meldet, dass er in Bani Walid, 100 Kilometer südöstlich von Tripolis untergetaucht sein soll. Gaddafi sei mit seinem Sohn Al-Saadi zusammen, meldete die Agentur unter Berufung auf "diplomatische libysche Quellen".  Der Rebellenrat hat eine Belohnung von 1,3 Millionen Dollar für die  Ergreifung Gaddafis - tot oder lebendig - ausgesetzt. Gaddafis Sohn Chamis, der eine Eliteeinheit seines Vaters gegen die Rebellen kommandierte, sei mit höchster Wahrscheinlichkeit während des Rückzugs auf der Straße nach Bani Walid erschossen worden.

Ausreise in Drittland?

Die algerische Zeitung "El Watan" berichtete, Algerien wolle nun die Grenze zu Libyen schließen. Zur Aufnahme von Familienmitgliedern Gaddafis in Algerien sagte Schammam: "Dies ist ein Akt der Aggression gegen das libysche Volk und seine Hoffnungen. Wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um diese Kriminellen zurückzubekommen und sie vor Gericht zu stellen." Der Minister der Übergangsregierung betonte, die Rebellen wollten Gaddafis Familie und den Ex-Machthaber selbst festnehmen und in einem fairen Prozess vor Gericht stellen.

Panzer der libyschen Rebellen - bald mit Unterstützung der NATO am Boden?

Panzer der libyschen Rebellen - bald mit Unterstützung der NATO am Boden?

(Foto: REUTERS)

Zugleich warnte Schammam laut einem Bericht des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira davor, Gaddafi selbst Unterschlupf zu gewähren. Jeder, der dies versuche, sei ein "Feind des libyschen Volkes". Algerien habe angegeben, der Familie die Ausreise in ein Drittland angeboten zu haben und erklärt, die Verwandten des früheren Machthabers seien aus humanitären Gründen aufgenommen worden.

Versorgungslage kritisch

Unterdessen bleibt die Versorgungslage in der Millionenmetropole Tripolis kritisch. Die Lebensmittelgeschäfte hatten zwar wieder geöffnet, die Regale seien aber meist leer, berichtete eine Al-Dschasira-Reporterin. Zudem gebe es kaum Wasser, Strom nur zeitweise.

Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef kämpfen humanitäre Organisationen in Tripolis vor allem mit logistischen Problemen. Zwar kämen Medikamente oder Wasser in der libyschen Hauptstadt an, sagte Sprecher Rudi Tarneden. Bei der Verteilung werde aber die Hilfe von Behörden oder örtlichen Organisationen benötigt - und die sei schwer zu organisieren. Am Montag eröffnete die EU in Tripolis ein Büro für humanitäre Hilfe.

Junge Libyer feiern den Fall Gaddafis.

Junge Libyer feiern den Fall Gaddafis.

(Foto: REUTERS)

Trotz der schlechten Versorgungslage kehren bereits viele Libyer, die nach Tunesien geflohen waren, in ihre Heimat zurück. Anders als in der vergangenen Woche, als täglich Hunderte Familien über den Grenzübergang Wassan nach Tunesien gefahren waren, bildeten sich nun Warteschlangen in die andere Richtung.

Aufruf zum Wiederaufbau

Einen Tag nach der Entdeckung von bis zu 150 verkohlten Leichen in einem Lagerhaus in Tripolis, bei denen es sich um Opfer der Gaddafi-Truppen handeln soll, appellierte ein Sprecher der Übergangsregierung an die eigenen Anhänger, keine Rache zu nehmen. Gleichzeitig rief er alle Einwohner der Stadt dazu auf, sich am Wiederaufbau zu beteiligen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erhob schwere Vorwürfe gegen Gaddafi-Getreue. Es gebe Beweise für willkürliche Hinrichtungen von Häftlingen, als die Rebellen in die Hauptstadt Tripolis einrückten. Selbst medizinisches Personal sei getötet worden. Auch in Krankenhäusern waren zahlreiche Leichen entdeckt worden.

Quelle: ntv.de, rpe/jmü/dpa

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