Misshandlungen in Flüchtlingsheim NRW hält an Sicherheitsdiensten fest
30.09.2014, 12:13 Uhr
Innenminister Jäger besucht das Flüchtlingsheim in Burbach, in dem es mehrere Misshandlungen gegeben haben soll.
(Foto: dpa)
Nordrhein-Westfalen setzt auch weiterhin auf den privaten Betrieb von Asylheimen. Dass Kriminelle unter dem Sicherheitspersonal seien, hält Innenminister Jäger für "tief verwerflich, aber manchmal nicht verhinderbar". Die Grünen fordern derweil einen "Flüchtlingsgipfel".
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Landesregierung trage wegen mangelnder Aufsicht Mitschuld an der Misshandlung von Flüchtlingen in Asyl-Unterkünften des Landes. Offensichtlich hätten sich Kriminelle unter das Personal eines privaten Sicherheitsdienstes gemischt, sagte der SPD-Politiker im ZDF. Dies sei "tief verwerflich, aber manchmal nicht verhinderbar, trotz aller Kontrollen, trotz aller Aufsicht".
Am privaten Betrieb von Flüchtlingsunterkünften werde sein Land trotz der negativen Erfahrungen festhalten, machte Jäger deutlich. "Wir müssen auf das Know-how der karitativen Organisationen, aber auch von Unternehmen zurückgreifen", sagte er. In Nordrhein-Westfalen gibt es nach seinen Worten insgesamt 19 Einrichtungen für Flüchtlinge.
Insgesamt soll es in mindestens drei Unterkünften in Nordrhein-Westfalen Misshandlungen gegeben haben. In Burbach im Siegerland sollen private Wachmänner einen Flüchtling gezwungen haben, sich auf eine mit Erbrochenem verschmutzte Matratze zu legen. Ein von den Männern aufgenommenes Video war in die Hände der Ermittler gelangt. Außerdem hatte die Polizei ein Foto gefunden, auf dem ein Sicherheitsmann einem gefesselt am Boden liegenden Flüchtling einen Fuß in den Nacken stellt. Hinzu kommen Verdachtsfälle in Essen und Bad Berleburg.
Grüne fordern Flüchtlingsgipfel
Auf die Forderung der Grünen nach einem Flüchtlingsgipfel reagierte Jäger zurückhaltend. "Wir brauchen Unterbringungskapazitäten. Wenn ein solcher Gipfel dazu beitragen würde bundesweit, dann kann man ihn machen", sagte der SPD-Politiker. Er habe aber den Eindruck, dass es hier eher um ein logistisches als um ein politisches Problem gehe. Die Grünen-Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt hatte zuvor einen "Flüchtlingsgipfel" als "längst überfällig" bezeichnet. "Alle Beteiligten, Bund, Länder, Kommunen und Flüchtlingsorganisationen, müssen an einen Tisch", forderte die Grünen-Politikerin in der "Rheinischen Post".
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer von der SPD, warnte davor, die jüngsten Übergriffe auf Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen voreilig als Einzelfälle einzustufen. Im Südwestrundfunk sagte er, klar sei nur, dass es die einzigen Vorfälle seien, "die im Moment bekannt" geworden seien. Niemand solle sich aber sicher sein, dass es sich um bundesweite Ausnahmen handele. Der Schutz von Flüchtlingsheimen sei eine grundsätzlich hoheitliche Aufgabe, die nicht prinzipiell ausschließe, dass private Unternehmen damit beauftragt würden. Dazu gehöre aber, dass diese Dienstleistung von den Behörden hinreichend kontrolliert werde, sagte der Menschenrechtsbeauftragte.
Der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly, forderte einheitliche Mindeststandards für den Umgang mit Flüchtlingen. "Wir haben im Moment einen Fleckenteppich von 16 verschiedenen Asylausführungsgesetzen, die komplett unterschiedlich sind", kritisierte er im Deutschlandfunk. Die Menschen hätten aber alle den gleichen Flüchtlingsstatus.
Hohe Gesundheitskosten
Konkret gehe es etwa um Regelungen, wie viele Quadratmeter Platz, wie viele Sanitäreinrichtungen oder wie viele Sozialarbeiter pro 100 oder 150 Asylbewerber in einem Heim vorhanden sein müssten, so Maly. Gleichzeitig warnte er davor, nach den Vorfällen in Nordrhein-Westfalen alle Beschäftigten in Flüchtlingsunterkünften unter Generalverdacht zu stellen.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, brachte zur Entlastung der Kommunen einen Gesundheitsfonds ins Gespräch. Städte und Gemeinden seien durch die teilweise extrem hohen Krankenkosten der Flüchtlinge erheblich belastet. Die im Bürgerkrieg erlittenen Verletzungen und Traumatisierungen erforderten eine nachhaltige und andauernde, oft sehr kostspielige medizinische Versorgung. "Dies sollte über einen Gesundheitsfonds organisiert und abgewickelt werden", sagte Landsberg der "Rheinischen Post".
Stark steigende Asylbewerberzahlen stellen die Behörden derzeit vor massive Herausforderungen. Viele Einrichtungen sind überbelegt. In der Zeit von Januar bis August 2014 haben insgesamt 99.592 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Im Gesamtjahr erwartet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rund 200.000 Anträge.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière rechnet auch in den kommenden Monaten mit anhaltend hohen Flüchtlingszahlen. Sie seien derzeit so hoch wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr, sagte der CDU-Politiker nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts in München, an der er teilnahm. "Und es ist nicht zu erwarten, dass in sehr kurzer Zeit diese Zahlen erheblich sich reduzieren." Mit dieser Herausforderung müsse man fertig werden.
De Maizierè betonte einerseits, dass politisch Verfolgte Asyl bekommen müssten. Andererseits müssten die, die keinen Schutz bräuchten, schneller in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. "Wir müssen Platz haben für die, die wirklich verfolgt sind", betonte er. Der Minister bekräftigte seine Forderung nach einer gleichmäßigeren und gerechteren Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU.
Quelle: ntv.de, mli/rts/dpa