Politik

Nur drei Rechtsextremisten? NSU-Opfer erhoffen sich Aufklärung

Die Anwälte der Nebenkläger.

Die Anwälte der Nebenkläger.

(Foto: REUTERS)

Am Tag vor Beginn des NSU-Prozesses in München fordern Vertreter der Angehörigen eine umfassende Aufklärung der Hintergründe der rechtsradikalen Terroranschläge. Die Vorstellung, der NSU hätte nur aus drei besonders gefährlichen Rechtsextremisten bestanden, sei schwer nachzuvollziehen, so mehrere Nebenklage-Anwälte.

Kurz vor Beginn des Münchner NSU-Prozesses haben Rechtsanwälte von Opfern des Nationalsozialistischen Untergrunds die Einschätzung in Zweifel gezogen, die Terrorgruppe habe aus nur drei besonders gefährlichen Rechtsextremen bestanden. Eine solche Vorstellung sei "schwer nachzuvollziehen", erklärten sieben Anwälte von Nebenklägern in dem Verfahren in München. Die Anwälte betonten zudem, ihre Mandanten erwarteten bei dem Prozess "maximale Aufklärung".

In ihrer Erklärung verweisen die sieben Rechtsanwälte darauf, dass Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft gegen eine Vielzahl weiterer Personen ermittelten, die dem NSU-Unterstützernetzwerk zugerechnet würden. Es gebe auch Hinweise darauf, dass der NSU an den Tatorten lokale Helfer gehabt habe. Zudem liege es nahe, "dass der NSU auch durch V-Leute, verdeckte Ermittler und andere Mitarbeiter der Nachrichtendienste - direkt oder indirekt - unterstützt worden ist", hieß es weiter in der Erklärung.

Im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München müssen sich die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte verantworten. Zschäpe werden unter anderem Mittäterschaft bei neun Morden an Migranten und einem Mord an einer Polizistin, mehrfacher Mordversuch und besonders schwere Brandstiftung vorgeworfen.

Auf dem rechten Auge blind?

Die Bundesanwaltschaft hatte bei der Anklageerhebung mitgeteilt, den Ermittlungen zufolge habe der NSU aus drei Mitgliedern bestanden - aus Zschäpe und den beiden ums Leben gekommenen mutmaßlichen Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Die wahre Identität und die terroristische Zielsetzung der Gruppierung sei nur einem eng begrenzten Kreis von wenigen Unterstützern und Gehilfen bekannt gewesen.

Mit Unverständnis reagierte der Opferanwalt Reinhard Schön darauf, dass der Bundesgerichtshof (BGH) die Haftbefehle gegen drei der vier Mitangeklagten Zschäpes aufgehoben habe. Dies sei "überhaupt nicht nachvollziehbar", sagte Schön vor Journalisten in München. Er frage sich, ob der BGH "immer noch auf dem rechten Auge blind ist". Der Anwalt Sebastian Scharmer kündigte an, die Nebenklage-Vertreter würden das staatliche Versagen bei den NSU-Ermittlungen "zum Thema machen".

In ihrer Erklärung äußerten die Nebenklage-Vertreter die Hoffnung, dass am Ende des Verfahrens nicht nur eine Verurteilung der Angeklagten stehe, "sondern auch eine klare Benennung von Mitverantwortlichen und letztlich eine gesellschaftliche Diskussion". Diese Diskussion müsse "das Grundproblem von rechter Gewalt und strukturellem Rassismus in Deutschland" ernst nehmen und "notwendige Veränderungen" anstoßen.

Durch die Taten habe sich das Leben der Nebenkläger einschneidend verändert, hieß es weiter in der Erklärung: "Sie leiden bis heute unter den Folgen." Belastend sei nicht nur gewesen, dass sie und ihre Angehörigen Opfer schwerster Straftaten geworden seien. Die Hinterbliebenen seien "auch jahrelang selbst entwürdigenden, rassistischen und dilettantischen Ermittlungen ausgesetzt" gewesen, die sie sowohl in ihrem privaten Umfeld als auch öffentlich diskreditiert hätten.

Quelle: ntv.de, AFP

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