Politik

"Assimilationsdruck" Nachdenken über Erdogan

Angesichts der anhaltenden Kritik an der Kölner Rede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ist die Bundesregierung um Entschärfung der Debatte bemüht. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg würdigte in Berlin, dass Erdogan bei seinem Besuch in Ludwigshafen beruhigende und dämpfende Worte gefunden habe. Gleichzeitig räumte Steg ein, bei den politischen Gesprächen seien auch Unterschiede - etwa bei der Integrationspolitik - deutlich geworden.

Erdogan hatte die in Deutschland lebenden Türken am Sonntag vor Aufgabe ihrer kulturellen Identität gewarnt. Die Kritik daran hielt weiter an, aber mehrere deutsche Politiker nahmen den türkischen Regierungschef auch in Schutz.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will am Donnerstag am Rande einer Konferenz von EU und Schwarzmeer-Anrainern in Kiew seinen türkischen Amtskollegen Ali Babacan treffen. Dabei soll es nach Angaben des Auswärtigen Amtes auch um Erdogans Auftritt in Köln gehen sowie um die Brandkatastrophe von Ludwigshafen, bei der vor eineinhalb Wochen neun Menschen ums Leben gekommen waren.

Auch das Gute sehen

In der Debatte um die Erdogan-Rede distanzierten sich mehrere Politiker von der Kritik am türkischen Regierungschef. Der CDU- Außenpolitiker Ruprecht Polenz sagte der "Frankfurter Rundschau", Erdogans Regierung sei die erste in der Türkei, die sich aktiv um die Integration ihrer in Deutschland lebenden Landsleute bemühe. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth betonte in der "Augsburger Allgemeinen", nie zuvor habe eine türkischer Ministerpräsident so deutlich zur Integration aufgerufen.

Minimum an Anpassung

Doch auch die Kritiker meldeten sich erneut zu Wort. Nordrhein- Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) wandte sich im rbb gegen die Einschätzung, in Deutschland werde auf Türken ein "Assimilationsdruck" ausgeübt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, ergänzte, niemand wolle eine "Zwangsgermanisierung" der hier lebenden Ausländer.

CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer forderte von den Migranten ein Mindestmaß an Anpassung. Im Gespräch mit "Focus Online" drohte sie mit der Kürzung von Sozialleistungen, wenn Einwanderer nicht an Integrationskursen teilnehmen. Die FDP-Abgeordnete Sibylle Laurischk forderte bessere Bildungschancen für Zuwanderern. "Wenn Einwanderer bei uns eine Perspektive haben, gehören Jubelveranstaltungen la Köln bald der Vergangenheit an." Über die Eingliederung von Ausländern will in der kommenden Woche auch der Bundestag debattieren.

Suche nach Brandursache geht weiter

Die Brandursache ist weiterhin unklar. Einen Zwischenbericht soll es frühestens an diesem Donnerstag geben. Die Staatsanwaltschaft bestätigte, es werde derzeit auch eine Zeugenaussage geprüft, wonach am Tag des Unglücks ein Mann aus dem nun zerstörten Haus gekommen sei. Er soll sich erst in der Nähe aufgehalten und dann zu einer Tankstelle gelaufen sein.

Die türkische Stadt Gaziantep, wo die neun Opfer am Montag bestattet wurden, strebt unterdessen eine Städtepartnerschaft mit Ludwigshafen an. Das kündigte der dortige Bürgermeister Asim Güzelbey in der türkischen Zeitung "Hürriyet" an. Zudem wolle Güzelbey nach Ludwigshafen reisen, um Polizisten und Feuerwehrleute für ihren Einsatz auszuzeichnen. Bei einem Benefiz-Fußballspiel für die überlebenden Opfer der Brandkatastrophe kamen in Ludwigshafen 22.340 Euro zusammen. Das teilte der Regionalligist FSV Ludwigshafen- Oggersheim mit, der die Partie am Dienstag 0:6 gegen den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern verlor.




Quelle: ntv.de

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