Tornados über Demonstranten Nachspiel möglich
13.06.2007, 08:31 UhrDer Einsatz von Luftwaffen-Tornados zur Absicherung des G8-Gipfels hat zu einer scharfen Kontroverse geführt und wird wahrscheinlich ein parlamentarisches Nachspiel haben. Die Regierung hat den Einsatz, der vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs vom 6. bis 8. Juni in Heiligendamm stattfand, nachträglich gerechtfertigt.
Scharfe Kritik kam nicht nur aus den Reihen der Grünen und der Linkspartei, sondern auch von der SPD. Zwar seien die Aufklärungsflüge über Heiligendamm und Umgebung vom Grundgesetz gedeckt, doch politisch überzogen, erklärten Politiker am Mittwoch in Berlin.
In den Bundestagsausschüssen für Verteidigung und Inneres wurde das Ereignis zum Thema gemacht. Nicht ausgeschlossen wurde von Ausschussmitgliedern, dass das Thema auch im Bundestag behandelt wird. Die Union und das Verteidigungsministerium bezeichneten den Einsatz als notwendig für die Gefahrenabwehr und die Aufregung darüber als überraschend.
Der Einsatz sei im Rahmen der Amtshilfe erfolgt, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmeier (CDU), in der Fragestunde des Bundestags. Ein Sprecher des Ministeriums teilte mit, die Flüge seien nach einer juristischen Prüfung "verfassungsrechtlich zulässig". Es sei unter anderem darum gegangen, "Manipulationen von Straßen oder im Gelände" festzustellen, sagte Altmeier.
Die Ausspähung der Camps von Gipfelkritikern sei nicht Aufgabe der Tornados gewesen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte, an den Aufklärungsflügen im Mai und Juni seien bei vier Einsätzen je zwei Jets beteiligt gewesen. Das Ministerium hatte am Dienstag den Einsatz von Tornados über der Region um den Sicherheitszaun rund um Heiligendamm bestätigt. Jets dieser Art werden derzeit in Afghanistan zur Aufklärung im Kampf gegen die Taliban eingesetzt. Eines der Flugzeuge habe das Protestcamp Reddelich in der geringsten zugelassenen Flughöhe von 150 Metern überflogen und dabei Luftaufnahmen gemacht.
Linksfraktionschef Gregor Gysi bezeichnete den Einsatz als "indiskutabel und verfassungswidrig". Die nach Artikel 35 des Grundgesetzes erlaubte Amtshilfe der Bundeswehr für die Polizei im Inland habe mit dem Einsatz solcher Militär-Maschinen nichts zu tun. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte der "Passauer Neuen Presse", der Einsatz sei verfassungsrechtlich unbedenklich, politisch aber "extrem unklug und unsensibel".
Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele will den Fall vor das Verfassungsgericht bringen, da der Tornado-Einsatz als verfassungswidrig zu bewerten sei. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, sagte, der Einsatz überdehne die Grenzen der technischen Amtshilfe. "Der Bundesverteidigungsminister verbiegt die Verfassung." Nachtwei kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung des Verteidigungsausschusses im Bundestag zu setzen.
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) indes erklärte bei n-tv: "Der Einsatz war nicht nur gerechtfertigt, er war notwendig." Es sei "um technische Amtshilfe der Bundeswehr für das Land Mecklenburg-Vorpommern zum Zwecke der Gefahrenabwehr im Vorfeld des G8-Gipfels" gegangen. "Es ging also gerade nicht darum, Demonstranten, also Personen aus der Luft auszuspionieren", so Bosbach.
Die FDP-Sicherheitspolitikerin Birgit Homburger forderte unter anderem Aufklärung darüber, welche Unterstützungsleistungen erbracht worden sind und wer diese beantragt hat. Der Mitbegründer des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, Sven Giegold, hat die Tornado-Flüge als nicht notwendig bezeichnet. "Der Einsatz der Tornados zeigt, dass die Grenzen des Rechtsstaates in einer teilweise hysterischen Sicherheitsdebatte immer weiter verschoben werden", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, hat Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) den Rücken gestärkt. "Ich habe mit Blick auf den Einsatz keine verfassungsrechtlichen Bedenken", sagte Gertz der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).
Die Organisatoren der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm haben am Mittwoch eine lange Liste mit Vorwürfen gegen die Polizei vorgelegt. Die Übergriffe, die von den G8-Gipfel-Kritikern gemeldet worden seien, reichten von Beleidigungen über sexuelle Belästigung bis zur Misshandlung, teilte die "Gipfelsoli"-Infogruppe mit. Nach Angaben der Rostocker Staatsanwaltschaft liegen keine Anzeigen wegen Übergriffen vor. Ein Polizei-Sprecher wollte zu den Vorwürfen nicht näher Stellung nehmen.
Quelle: ntv.de