Türkisches Reformpaket Nationalisten wollen klagen
04.08.2002, 11:10 UhrDie Nationalisten in der Türkei wollen das vom Parlament beschlossene Reformpaket zu Fall bringen. "Ich habe Vorbereitungen für eine Anrufung des Verfassungsgerichts zu den Gesetzen angeordnet, besonders was die Muttersprache in der Schule, in Fernsehen und Funk betrifft", sagte Devlet Bahceli, Chef der Partei der Nationalen Bewegung (MHP). Die Stärkung der Rechte der kurdischen Minderheit und die Abschaffung der Todesstrafe könne zu einem Erstarken der kurdischen Separisten führen.
EU begrüßt Reformen
Die EU-Kommission lobte die innenpolitischen Reformen in der Türkei. Sie seien ein wichtiges Signal dafür, dass die türkische Führung zu einer weiteren Annäherung an die Werte und Maßstäbe der Europäischen Union entschlossen sei, heißt es in einer Stellungnahme der Brüsseler Behörde.
Das türkische Parlament hatte nach einer nahezu 22-stündigen Marathon-Sitzung ein umfassendes Reformpaket beschlossen, das dem Land langfristig den Weg zur Mitgliedschaft in der EU ebnen soll. Darin enthalten sind unter anderem Abschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten, Verbesserungen bei der Meinungsfreiheit und eine Stärkung der Rechte für die kurdische Minderheit, etwa die Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehsendungen in kurdischer Sprache.
Für den türkischen Beitrittsantrag werde jetzt viel von der praktischen Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen abhängen, die Brüssel in den kommenden Monaten genau beobachten werde, hieß es von Seiten der EU-Kommission. Die Türkei hatte bereits 1987 ihre Mitgliedschaft in der EU beantragt, doch wird bislang nicht darüber verhandelt.
Der für die EU-Erweiterung zuständige deutsche Kommissar Günter Verheugen sprach von einer mutigen Entscheidung des türkischen Parlamentes. Es habe sich ausgezahlt, dass die EU in Sachen Menschen- und Minderheitenrechte eine feste Position eingehalten habe.
Lob kam auch von Bundesinnenminister Otto Schily. Die Reformen seien "für die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei von großem Wert". Noch bestehende Hindernisse in der innenpolitischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei würden damit beiseite geschoben, erklärte Schily.
"Europa, wir kommen!"
Türkische Zeitungen begrüßten das Reformpaket ebenfalls. "Danke", lautete die Schlagzeile der Zeitung "Sabah". Mit der Todesstrafe sei das größte Hindernis zu einem EU-Beitritt ausgeräumt worden. "Europa, wir kommen!" schrieb die Zeitung "Milliyet". In einem Kommentar schrieb die Zeitung, die EU müsse den Antrag der Türkei auf Mitgliedschaft jetzt ernst nehmen. "Die Annahme dieser Reformen wird ein Test sein, wie ehrlich es die EU meint. Jetzt sind sie am Zug."
Quelle: ntv.de