Politik

"Geisterfahrt des Mainzer LKW" Naumanns Wut auf Beck

Er ist sauer - und zwar richtig. Schon am Wahlabend zeichnete sich ab, dass Hamburgs SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann seinem Parteivorsitzenden Kurt Beck am liebsten ordentlich die Meinung sagen würde. Wegen dessen wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl losgetretenen Debatte über den Umgang mit den Linken. Doch am Sonntagabend gab sich der beurlaubte Mitherausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit" und ehemalige Kulturstaatsminister in der Regierung Schröder noch diplomatisch. Er sagte auf die Frage, ob sich das negativ auf den Wahlkampf ausgewirkt habe, schlicht: "Hilfreich war es sicher nicht."

Wie groß der Ärger tatsächlich war, zeigte sich schon am Montag nach der Wahl, als Naumann in Berlin ausrichten ließ, er lege keinen Wert auf den obligatorischen Fototermin mit Beck und habe auch keinen Bedarf an Glückwünschen, Blumen oder einem Handschlag. Der SPD- Vorsitzende selbst hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits krankgemeldet, war nach Mainz abgereist. Dafür polterte Naumann in den Gremiensitzungen der Parteizentrale über Becks Verhalten in der Endphase des Wahlkampfs: "Wir waren auf der Überholspur, und dann kam ein Lkw aus Mainz und hat alles plattgemacht", beklagte er sich laut "Spiegel".

Brief an Beck

Nun hat Naumann noch einmal nachgelegt. Er hat einen Brief an die Parteizentrale in Berlin geschickt, in dem er mit Becks politischer "Geisterfahrt" abrechnet. Einem Bericht des "Stern" zufolge ist das Schreiben, das er Mittwochmorgen gefaxt habe, "eine elegant-wütende Analyse, eine Abrechnung, ein Brandbrief". Auf drei Seiten, die noch freundlich mit "Lieber Kurt" und einem Genesungswunsch beginnen, befasst sich Naumann dann mit der Partei im Allgemeinen und Becks Verhalten vor der Bürgerschaftswahl im Besonderen. Eine Antwort hat Naumann noch nicht. Allerdings ist aus dem Berliner Willy-Brandt-Haus bereits der Hinweis gekommen, er möge sich noch bis zur Genesung Becks gedulden.

Reden will Naumann über die Sache nicht: "Wenn Sie nach dem Brief fragen, kann ich Ihnen gleich sagen, da gibt es null, null Auskunft (...) Da sage ich einfach gar nichts." Gleichwohl ist ihm anzumerken, wie verbittert er ist. Schließlich hatte er sich von seinem backsteinernen "Zeit"-Turm in der Innenstadt zu einer Zeit "zum Dienst gemeldet" als die SPD Hamburg wegen knapp 1000 verschwundener Stimmzettel bei einer Mitgliederbefragung zur Spitzenkandidatur am Boden lag. Fast ein ganzes Jahr tingelte der 66-Jährige durch die Stadt, warb in Einkaufspassagen, auf Märkten, in Einrichtungen - kurz an der Basis - für seine Partei. 11.000 Kilometer fuhr er mit seinem roten Wahlkampf-"Golf" von Termin zu Termin.

Rot-Grün verhindert?

Die Linken kanzelte er dabei stets als "Maoisten, Trotzkisten und Enttäuschte" ab. Und es lief nicht schlecht: Etwa die Liechtenstein- Steueraffäre oder die Äußerungen der inzwischen von der Fraktion ausgeschlossenen Linke-Abgeordneten Christel Wegner aus Hannover zu Stasi und Mauerbau - alles Dinge, die eher den Sozialdemokraten in die Hand spielten. Doch dann kam der nach Naumanns Auffassung "kapitale Beck", der alles zunichte machte.

Denn Naumann steht auf dem Standpunkt, dass Becks Wende die SPD mehrere Prozentpunkte gekostet und möglicherweise Rot-Grün in der Hansestadt verhindert hat. Wobei Naumann seinen Berechnungen stets die besten Umfragewerte "zwischen 37 und 38 Prozent" zugrunde legt, die die Partei nur einmal erreicht hat. Bei der Wahl selbst erzielte die SPD mit 34,1 Prozent zwar ein deutlich besseres Ergebnis als noch 2004 (30,5 Prozent). Gleichwohl ist es das zweitschlechteste in der Geschichte der Hamburger SPD, was ihr nun bestenfalls die Rolle des Junior-Partners in einer großen Koalition unter CDU-Bürgermeister Ole von Beust ermöglicht.

Quelle: ntv.de, Markus Klemm, dpa

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