Politik

Putin gewinnt Moskau - und verliert Jekaterinburg Nawalny kündigt Proteste an

Andrej Nawalny mit Ehefrau Julia, Tochter Dascha und Sohn Zachar.

Andrej Nawalny mit Ehefrau Julia, Tochter Dascha und Sohn Zachar.

(Foto: picture alliance / dpa)

Trotz seiner Niederlage bei der Bürgermeisterwahl in Moskau gelingt Oppositionsführer Nawalny eine Sensation. Er holt aus dem Stand laut Prognosen mehr als ein Viertel der Wählerstimmen. Der Blogger geht allerdings von Unregelmäßigkeiten aus. Eine Schlappe für Präsident Putin gibt es in Jekaterinburg: Dort siegt der Oppositionelle Roisman.

Sergej Sobjanin bleibt Chef im Moskauer Rathaus.

Sergej Sobjanin bleibt Chef im Moskauer Rathaus.

(Foto: dpa)

Bei der Bürgermeisterwahl in Moskau hat sich Amt sinhaber Sergej Sobjanin gegen Oppositionsführer Alexej Nawalny durchgesetzt, jedoch keinen überzeugenden Sieg erzielt. Der Weggefährte von Präsident Wladimir Putin kam nach Auszählung fast aller Stimmzettel auf 51,27 Prozent, wie die Wahlleitung mitteilte. Bei einer großen Party im Stadtzentrum hatte sich Sobjanin bereits zuvor zum Sieger erklärt. Putin-Gegner Nawalny erreichte rund 27 Prozent. Sein unerwartet starkes Abschneiden bei seiner ersten Teilnahme an einer Wahl überhaupt gilt als Sensation.

Kommentatoren sprachen von der "Geburtsstunde" eines neuen ernstzunehmenden Politikers im größten Land der Erde. Nawalny sagte, dass er das Ergebnis nicht anerkenne und kündigte für Montag Proteste an. Der 37 Jahre alte Anwalt fordert eine Stichwahl. "Wenn die kremlnahen Institute Sobjanin 52 Prozent geben, dann versteht Ihr schon, dass das 46 Prozent bedeutet", twitterte Nawalny. Unabhängige Wahlbeobachter beklagten Unregelmäßigkeiten.

Der Urnengang in der größten Stadt Europas nach einem erbitterten Wahlkampf galt als wichtigste Abstimmung seit den Massenprotesten gegen Putin vor eineinhalb Jahren. Unter dem Eindruck der Demonstrationen hatte der Kreml die Wahl der Gebietsgouverneure - mit Bedingungen - wieder eingeführt, die Putin 2004 abgeschafft hatte. Zudem wurde die vom Kreml so bezeichnete radikale Opposition zwar nicht vollzählig, aber immerhin erstmals zugelassen. So gab es in insgesamt acht Städten und acht Gebieten Wahlen.

Nawalnys Kandidatur stand lange auf der Kippe. Nur weil ein umstrittenes Urteil zu fünf Jahren Straflager wegen Veruntreuung noch nicht rechtskräftig ist, durfte er teilnehmen. Nawalnys Wahlstab teilte mit, eigenen Wählerbefragungen zufolge hätten Sobjanin 46 Prozent und Nawalny 35,6 Prozent erreicht. Das würde eine Stichwahl bedeuten. Sobjanins Wahlstab machte die niedrige Wahlbeteiligung von 30 Prozent für das Ergebnis verantwortlich.

Jekaterinburger entscheiden sich gegen Kreml

In der Millionenstadt Jekaterinburg gab es indes einen Paukenschlag: Der Oppositionskandidat und Anti-Drogen-Kämpfer Jewgeni Roisman lag mit 33 Prozent vor dem Kreml-Kandidaten Jakow Silin (30 Prozent). Es ist das erste Mal, dass ein Oppositioneller bei einer Wahl in einer großen Stadt einen regierungstreuen Kandidaten schlägt. Jekaterinburg ist die viertgrößte Stadt Russlands. Anders als in Moskau gibt es dort bei der Kommunalwahl nur eine Runde.

Roisman wurde von der gemäßigt liberalen Oppositionspartei des Milliardärs Michail Prochorow unterstützt. Er ist Vorsitzender der Stiftung "Eine Stadt ohne Drogen", die mit umstrittenen Methoden gegen die Drogensucht kämpft. Der Stiftung wird vorgeworfen, Suchtkranke mit Zwangsmaßnahmen wie kaltem Entzug zu behandeln.

Jekaterinburg, das zu Sowjetzeiten Swerdlowsk hieß, ist für die Moskauer Machthaber von jeher ein kompliziertes Pflaster. Aus dieser Gegend stammte der erste russische Präsident Boris Jelzin. Der 2007 Verstorbene war von 1976 bis 1985 Erster Sekretär des dortigen Oblastkomitees (Gebietskomitees) der KPdSU. Jelzin hatte sich bereits zu dieser Zeit für vorsichtige Reformen ausgesprochen. In Jekaterinburg wurde 1918 auch die Zarenfamilie ermordet.

Bei der ebenfalls stark beachteten Wahl im Moskauer Umland konnte der Oppositionelle Gennadi Gudkow, der Anti-Putin-Proteste mit organisiert hatte, nicht die nötigen Stimmen auf sich vereinigen.

Auch in vielen anderen Teilen des Riesenreichs mit neun Zeitzonen waren insgesamt 40 Millionen Menschen aufgerufen, bei Kommunalwahlen ihre Stimme abzugeben. Unabhängige Wahlbeobachter beklagten Unregelmäßigkeiten. So seien Soldaten zur Stimmabgabe gezwungen worden, hieß es. Zudem hätten Kameras nicht funktioniert, mit denen mögliche Manipulationen dokumentiert werden sollten.

Kritik an Massenzulassung von Parteien

Bereits vor der Wahl habe es massive Verstöße gegeben, teilte die Gruppe Golos (Stimme) mit. Die Opposition sei nicht in der gewünschten Stärke zugelassen worden. So steht der prominente Linkspolitiker Sergej Udalzow seit Monaten unter Hausarrest mit Kommunikationsverbot.

Insgesamt konnten die Wähler zwischen 54 Parteien entscheiden, neunmal mehr als bisher. Kritiker werfen dem Kreml vor, mit einer Massenzulassung von Gruppierungen - deren Namen sich teils sehr ähneln - Verwirrung unter Wählern stiften zu wollen.

Quelle: ntv.de, wne/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen