Überfall in Potsdam Nehm verteidigt sich
24.04.2006, 07:29 UhrTrotz massiver Kritik geht Generalbundesanwalt Kay Nehm weiterhin von einem fremdenfeindlichen Hintergrund des brutalen Angriffs auf einen Deutsch-Äthiopier in Potsdam aus. Er verteidigte am Montag seine Übernahme der Ermittlungen wegen versuchten Mordes gegen Angriffe des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm (CDU).
"Der Generalbundesanwalt muss in einem frühen Stadium über die Übernahme eines Verfahrens in seine Verfolgungskompetenz entscheiden", sagte Nehms Sprecherin Frauke-Katrin Scheuten in Karlsruhe. Schönbohm hatte am Wochenende die frühe Einmischung Nehms attackiert. "Ob es einen rechtsradikalen Hintergrund gibt, müssen wir erst noch klären. Wir hätten diese Straftat in Brandenburg auch allein aufklären können ", sagte er am Sonntagabend in der ARD.
Die SPD verabschiedete einen Aufruf gegen Rechtsextremismus und bezeichnete rassistische Übergriffe als "das Schlimmste und Verachtenswerteste, was gegenwärtig in der Bundesrepublik passiert ". Zugleich kündigte die Partei an, die vom CDU-geführten Familienministerium geplante Kürzung der Mittel für Anti-Rechts-Programme zu blockieren. Bislang sollen mit den dafür vorgesehenen 19 Millionen Euro von 2007 an auch Programme zur Integrationsförderung und gegen den Linksextremismus finanziert werden.
Verdächtiger streitet Tat weiter ab
Bei den Ermittlungen werden weitere DNA-Spuren untersucht, um eine mögliche Tatbeteiligung der beiden in Untersuchungshaft sitzenden Männer zu beweisen. Der 30-jährige Verdächtige hat nach Auskunft seines Anwalts erneut jegliche Tatbeteiligung bestritten. Sein Mandant habe sich zur fraglichen Zeit nicht am Tatort befunden und sei zudem auch keiner rechtsorientierten oder fremdenfeindlichen Szene zuzuordnen, sagte Anwalt Sven-Oliver Milke in Potsdam. "Die bis jetzt offensichtlich noch nicht vollständig abgeschlossene gutachterliche DNA-Analyse wird meinen Mandanten entlasten."
Das lebensgefährlich verletzte Opfer liegt weiter im künstlichen Koma, sein Zustand ist aber stabil. Der Familienvater und Wasserbau-Ingenieur war am Ostersonntag in Potsdam niedergeschlagen worden. Unbestätigten Medienberichten zufolge könnte es sich auch um einen Streit zwischen Betrunkenen gehandelt haben.
Attacken gegen Schönbohm
Schönbohm geriet am Montag selbst verstärkt in die Kritik. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beklagte eine von Unionspolitikern ausgelöste "bizarre Debatte um Zuständigkeiten der Strafverfolgungsbehörden". Dabei werde aus den Augen verloren, wie es zu der Tat kommen konnte und dass Fremdenfeindlichkeit ein massives Problem in Deutschland sei.
Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte Schönbohm. Wenn dieser nicht erkenne, dass es sich um eine rassistisch motivierte Tat handele, "braucht er dringend Nachhilfeunterricht", sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, dem "Tagesspiegel". Er lobte ausdrücklich Nehms Arbeit.
Quelle: ntv.de