Politische Aufarbeitung unklar Neonazi-Trio seit 1998 auffällig
23.11.2011, 22:31 UhrSie erfahren immer mehr Details über das Neonazi-Trio in Zwickau und die rechtsextreme Mordserie. Doch wie die Berliner Politiker die Vorgänge politisch aufarbeiten wollen, ist noch unklar. Mehrere Optionen liegen auf dem Tisch.
Wie die Pannen zur rechtsextremen Mordserie parlamentarisch in Berlin aufgearbeitet werden, ist weiterhin offen. Der Vorsitzendes des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag für die Geheimdienste, Thomas Oppermann (SPD), sagte am Mittwochabend, es gebe vier Optionen: eine Untersuchung des Kontrollgremiums selbst, einen Untersuchungsausschuss, die Einrichtung eines Sonderermittlers oder einer Bund-Länder-Kommission mit Experten. Welchen Weg die Parlamentarier nun einschlagen, ist noch unklar. In dieser Woche solle es weitere Gespräche dazu geben.
Derweil berichtet "Die Welt", die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe habe sich bereits 1998 mit dem Neonazi-Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe befasst. Dies sei nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums bekanntgeworden. Karlsruhe wurde demnach eingeschaltet, nachdem die drei mit Sprengstoff erwischt wurden. Da man die Gruppe aber nicht als terroristische Vereinigung einstufte, bearbeitete die Thüringer Justiz den Fall weiter. Das Trio konnte in den Untergrund abtauchen, der Haftbefehl in Thüringen kam zu spät.
Im Zweifel für den Rechtsstaat
Oppermann sagte nach der Sitzung des Kontrollgremiums, es gebe Hinweise darauf, dass die Zwickauer Zelle Helfer gehabt habe. In der Unterstützerszene seien auch Mitglieder der rechtsextremen NPD aktiv gewesen. Dies sei eine wichtige Information für das angestrebte neue NPD-Verbotsverfahren, sagte Oppermann, der sich für ein neues Verfahren und einen Abzug der V-Leute aussprach. "Im Zweifel müssen wir uns gegen V-Leute und für den Rechtsstaat einsetzen." 2003 war ein erstes Verfahren vom Bundesverfassungsgericht wegen vieler V-Leute des Geheimdienstes in NPD-Führungsgremien gestoppt worden.
Das Kontrollgremium habe über das Thema V-Leute gesprochen, aber keine Beschlüsse zum künftigen Einsatz gefasst. Oppermann gab zu bedenken, dass es hochproblematische V-Leute-Einsätze gegeben habe. Das Kontrollgremium beschloss nach den Worten Oppermanns, Akten zu beziehen aus den von der Mordserie betroffenen Bundesländern.
Untersuchungsausschuss könnte folgen
Der Grünen-Politiker Christian Ströbele sagte, er werde seiner Fraktion die Einrichtung eines Bundestags-Untersuchungsausschusses vorschlagen – auch, um die Aufarbeitung öffentlich zu machen. "Meine Auffassung zur Problematik der V-Leute im Rechtsextremismus ist in vollem Umfang bestätigt worden", sagte er nach der Sitzung. Es müsse grundsätzlich infrage gestellt werden, ob V-Leute verlässliche Informationen lieferten. Offen sei nach wie vor auch die Frage, ob die Gefahr durch rechtsextreme Terroristen nun vorbei sei, oder ob es nach wie vor rechte Terroristen im Untergrund gebe.
Nach Angaben Oppermanns informierte das Bundeskriminalamt (BKA) das Gremium darüber, dass die Zwickauer Zelle eine Liste mit 10.000 Kontakten führte. Darunter seien 163 aktuelle Bundestagsabgeordnete und eine ähnlich große Zahl früherer Abgeordneter. "Diese Personen haben sich aber nach Einschätzung des BKA zu keiner Zeit in einer persönlichen oder konkreten Gefahr befunden", sagte Oppermann. Es sei nicht erkennbar, nach welchen Kriterien diese Liste entstanden sei.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa