EU-Strategie gegen Russland Neue Sanktionen werden vorbereitet
04.04.2014, 19:33 Uhr
Fürs Foto kommt die Krawatte ab: Steinmeier (M.) mit Polens Außenminister Sikorski (l.) und dem Dänen Martin Lidegaard (r.).
(Foto: AP)
Die EU-Außenminister treffen sich in Athen. Es geht um Russland und die Ukraine. Neue Sanktionen wollen sie noch nicht erlassen, dafür aber vorbereiten. Denn Skeptiker sehen schon die nächsten Konflikte mit Putin heraufziehen.
Die Europäische Union hat Moskau zu einem raschen Rückzug der russischen Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine aufgefordert. Mehrere Außenminister der 28 EU-Staaten sagten am Rande von Beratungen über die künftigen Beziehungen zu Russland in Athen, derzeit seien noch keine einschneidenden Wirtschaftssanktionen nötig. Sie müssten aber vorbereitet werden, um nötigenfalls rasch verhängt werden zu können.
Aus Sicht der EU zeigt Russland trotz aller Sanktionen und diplomatischen Bemühungen im Ukraine-Konflikt kaum Bereitschaft zum Einlenken. Der teilweise Truppenrückzug von der ukrainischen Grenze habe bislang nur "symbolische" Ausmaße und "keine wirkliche Deeskalation" bewirkt, kritisierte Großbritanniens Außenminister William Hague. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier erkannte lediglich "eine Atempause, in der sich der Spannungszustand nicht weiter zuspitzt".
Diese Atempause müsse diplomatisch genutzt werden, erwartet würden aber auch "weitere Schritte, die uns daran glauben lassen, dass Russland eine Deeskalation will", sagte Steinmeier zu Beginn der zweitägigen Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen in Griechenlands Hauptstadt. "Europa darf sich daher nicht entspannen", betonte auch Hague. Die EU fordert ebenso wie die Nato von Russland, seine Soldaten von der Grenze zum Nachbarland abzuziehen, um den Konflikt um die annektierte Krim-Halbinsel zu entspannen.
Zehntausende russische Soldaten bereit
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton bedauerte, dass Russland bisher zu einem Truppenabzug aus dem Grenzgebiet nicht bereit gewesen sei. Nach Nato-Angaben stehen dort unverändert etwa 35.000 bis 40.000 russische Soldaten bereit, die jederzeit in die Ukraine vorrücken könnten. "Es ist wirklich sehr, sehr wichtig, dass Russland zeigt, dass ihm die Deeskalation ernst ist und dass es die Soldaten abzieht."
Neben dem Truppenabzug warb Steinmeier erneut für eine internationale Kontaktgruppe, in der auch die Ukraine und Russland vertreten sein und miteinander verhandeln sollten. Klar sei, dass auch Russland kein Interesse an einem "kollabierenden Staatswesen in seiner Nachbarschaft" haben könne. Den Zeitpunkt für Wirtschaftssanktionen sehen Staaten wie Großbritannien, Griechenland und die Niederlande indes noch nicht gekommen.
Moldau und Georgien bieten Konfliktpotenzial
Die Außenminister berieten in Athen auch über eine langfristige Strategie der EU gegenüber ihrer östlichen Nachbarschaft. Manche Mitgliedstaaten fürchten, dass die für den Sommer geplante Unterzeichnung von Assoziierungsabkommen mit Georgien und Moldau zu Spannungen mit Russland führen könnten - und die in beiden Staaten bestehenden Territorialkonflikte von Russland als Argument für ein Einschreiten genutzt werden. Die Krim gilt Skeptikern als warnendes Beispiel, dass auch eine Annäherung Moldaus und Georgiens an die EU von Moskau unterbunden werden könnte.
Deutschland, Frankreich und Polen hatten vor dem Treffen dafür plädiert, die östlichen Nachbarländer nicht länger vor eine "starre" Entscheidung zu stellen, sich entweder der EU oder Russland anzunähern. Der niederländische Außenminister Frans Timmermans sagte hingegen, es sei "sehr wichtig, dass wir an unserer Strategie festhalten". Plötzliche Strategiewechsel brächten nichts, vielmehr sollten die geplanten Assoziierungsabkommen schnellstmöglich unterzeichnet werden. "Wir dürfen nicht eingeschüchtert sein", appellierte Timmermans, "was auch immer in Moskau gesagt wird".
Ukraine will Gas mit Kohle ersetzen
Konfliktpotenzial birgt auch die Frage russischer Gaslieferungen an die Ukraine, die von Moskau als politisches Druckmittel genutzt werden. Die ukrainische Übergangsregierung will deshalb die "politisch motivierte" Streichung sämtlicher Gasrabatte durch den Hauptlieferanten weitestmöglich durch Verbrennung heimischer Kohle kompensieren. Laut dem Energieministerium wurde über eine entsprechende Anpassung des Energieplans für 2014 beraten. Nach Regierungsangaben laufen außerdem Gespräche mit Energieversorgern in Polen, Ungarn und der Slowakei über einen Bezug begrenzter Gasmengen aus dem Westen.
Russland hatte den Preis für Gaslieferungen an die Ukraine zuletzt binnen drei Tagen um 80 Prozent erhöht. Damit werden nun 485 Dollar (rund 350 Euro) pro tausend Kubikmeter Erdgas fällig - im europaweiten Vergleich ein Spitzenwert.
Derweil lobt der neue US-Botschafter bei der EU die Reaktion der Europäer auf die Krise. "Ich bin mir bewusst, dass es 28 Mitgliedstaaten sind und nicht nur einer, mit unterschiedlichem historischen und kulturellen Hintergrund und einer Abhängigkeit von russischem Gas. Doch ich bin beeindruckt von der Schnelligkeit, mit der sie gehandelt haben, und von der engen Kooperation", sagte Anthony Luzzatto Gardner.
"Die EU ist ein viel effektiverer Partner (...) als vor 20 Jahren, als wenige Mitglieder nicht fähig waren, zu einer gemeinsamen Sicht zu gelangen", sagte er weiter. Die Krise habe "die Rolle der Nato gefestigt" und geholfen, "die transatlantischen Beziehungen zu stärken".
Quelle: ntv.de, vpe/AFP/dpa