Geheime Anti-Terror-Listen Neuer Snowden verärgert die USA
06.08.2014, 16:30 Uhr
Die Webseite "The Intercept" veröffentlicht neue Geheimdienstinformationen, die nicht von Snowden stammen können.
(Foto: picture alliance / dpa)
US-Listen, auf denen die Namen von "bekannten oder mutmaßlichen Terroristen" stehen, sind an die Öffentlichkeit gelangt. Knapp die Hälfte der Verdächtigen gehört jedoch keiner als Terrororganisation eingestuften Gruppierung an.
Edward Snowden kann es diesmal nicht gewesen sein. Die aktuellen Enthüllungen auf der Webseite "The Intercept" des US-Journalisten Glenn Greenwald stammen aus dem August 2013. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der IT-Spezialist Snowden schon im Exil in Russland. Die USA fürchten, dass es nach dem bekannten Whistleblower jetzt einen weiteren Enthüller von Geheimdienstinformationen geben könnte. Das berichtet der TV-Sender CNN unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Regierungsquelle.
Ihre Sorgen scheinen berechtigt. Sind die Dokumente authentisch, befinden sich mindestens 680.000 Menschen auf einer US-Liste namens "Terrorist Screening Database" und werden als "bekannte oder mutmaßliche Terroristen" geführt. Davon gehören 280.000 Menschen aber gar keiner als Terrororganisation eingestuften Gruppierung an.

Der US-Journalist Glenn Greenwald hat die Enthüllungsplattform "The Intercept" zusammen mit zwei Kollegen gegründet.
(Foto: picture alliance / dpa)
Trotzdem wird die vollständige Liste an Strafverfolgungsbehörden, Vertragspartner der Regierung und ausländische Regierungen weitergegeben. Laut eines Leitfadens für Beobachtungslisten der US-Regierung, den "The Intercept" ebenfalls enthüllt hat, brauchen Regierungsmitarbeiter nicht einmal einen "konkreten Tatbestand" oder einen "unwiderlegbaren Beweis" um eine Person auf die Liste zu setzen. Ein "begründeter Verdacht" reicht aus. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit herauszufinden, ob sie auf der Liste stehen.
Geheimwaffe "Hydra"
Auf den Anti-Terror-Listen der US-Regierung stehen aber auch Menschen, die eindeutig bestimmten Terrororganisationen zugeordnet werden können. Mehr als 70.000 der aufgeführten Personen haben Verbindungen zu al-Qaida im Irak. Knapp 63.000 zu den Taliban, mehr als 50.000 zu al-Qaida generell und mehr als 21.000 sowohl zur Hamas als auch zur Hisbollah.
Pro Tag fügt die US-Regierung der Liste 900 Einträge, Namen und Informationen hinzu. Dafür verwendet sie nach Angaben von "The Intercept" ein bislang unbekanntes Programm namens "Hydra". Das durchsucht Datenbanken von ausländischen Regierungen nach Angaben, die die Anti-Terror-Listen der USA vervollständigen.
Offensichtlich führt die Sammelwut der US-Regierung auch zu ethnischem Profiling. So wird etwa die Stadt Dearborn im US-Bundesstaat Michigan als Ort mit der zweithöchsten Konzentration von "bekannten oder verdächtigen Terroristen" in den USA bezeichnet - was letztlich darauf zurückzuführen ist, dass in der 96.000 Einwohner-Stadt prozentual am meisten arabisch-stämmige Menschen leben.
Legitimation durch "Unterhosen-Bomber"
Sollten die enthüllten Regierungsdokumente echt sein, zeigen sie auch, dass die Listen der "verdächtigen oder bekannten Terroristen" unter Präsident Barack Obama deutlich angestiegen sind. Seit seinem Amtsantritt hat sich etwa die Zahl der Menschen mit Flugverbot mehr als verzehnfacht: auf ein Allzeithoch von 47.000 Personen. Das übertrifft sogar die Anzahl der Flugverbote, die unter George W. Bush ausgesprochen wurden.
Zwar ist die Flugverbotsliste unter Obama zwischenzeitlich kleiner geworden, aber nach dem vereitelten Sprengstoffattentat des "Unterhosen-Bombers" auf ein US-Flugzeug 2009 sind die Kriterien zur Aufnahme auf die Liste wieder gelockert worden.
Man muss nicht auf Datenschutz pochen, um diese Methoden der US-Geheimdienste zu kritisieren. Die Anti-Terror-Listen seien "außer Kontrolle" geraten, sagt der ehemalige FBI-Agent David Gomez der Webseite "The Intercept". "Wenn alles Terrorismus ist, dann ist nichts Terrorismus."
Quelle: ntv.de, jli/dpa