Politik

Urteil zur Franco-Umbettung Nicht alle feiern "Sieg der Demokratie"

Im Tal der Gefallen liegen Zehntausende Opfer der Franco-Herrschaft neben dem Diktator zur letzten Ruhe gebettet.

Im Tal der Gefallen liegen Zehntausende Opfer der Franco-Herrschaft neben dem Diktator zur letzten Ruhe gebettet.

(Foto: imago/MediaPunch)

Die Leiche des Ex-Diktators darf umgebettet werden. Opferfamilien fällt ein Stein vom Herzen. Aber bei Weitem nicht alle Spanier halten Franco für einen Verbrecher. Nun ist die Frage, wohin mit den Überresten?

Die UN-Vollversammlung in New York war bereits halb leer, als Pedro Sanchez ans Mikrofon trat. Der Chef der spanischen Übergangsregierung ließ sich die Gelegenheit dennoch nicht nehmen, der Welt mitzuteilen, dass "ein dunkles Kapitel unserer Geschichte" geschlossen sei. Das Oberste Gericht in Madrid hatte wenige Stunden zuvor sein einstimmiges Urteil verkündet, dass die sterblichen Überreste des früheren Diktators Franco ausgegraben und an einen anderen Platz verlegt werden dürfen. Sanchez, der die Exhumierung seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr konsequent vorantrieb, sprach von einem Sieg der Demokratie. Er erinnerte daran, dass sein Land 1948 nicht zu den UN-Gründungsmitgliedern zählte, weil Spanien zu dieser Zeit als Konsequenz der Diktatur isoliert von den demokratischen Staaten dastand.

Als Sanchez in den USA sprach, war Silvia Navarro daheim in Spanien nach diesem ereignisreichen Tag bereits in tiefen Schlaf gefallen. Ihr fehlte die Kraft für eine ausgiebige Siegesfeier, obwohl sie seit Jahren dafür gekämpft hatte, dass ihre Familie, die einst im spanischen Bürgerkrieg gegen Franco kämpfte, Wiedergutmachung erfährt. "Es ist das Ende einer demokratischen Anomalie. Aber dieses Urteil wird begleitet von dem Gefühl, dass all das schon viel früher hätte geschehen müssen", sagt Navarro. Seit Jahrzehnten liegt ihr Großonkel in jenem Massengrab im Tal der Gefallenen bei Madrid, das unter der Basilika liegt, in der Franco beerdigt ist.

35.000 tote Republikaner nahe Franco-Grab

Franco starb 1975.

Franco starb 1975.

(Foto: imago images / Photo12)

Der Nationalist und Katholik regierte seit dem Ende des Bürgerkriegs 1939 bis zu seinem Tod 1975 mit gnadenloser Härte. Seine Opfer waren vornehmlich jene, die in den 1930er Jahren die spanische Demokratie verteidigten. So wie Navarros Großonkel. Es litten in den Jahren danach aber noch viele andere unter dem Regime: Familienangehörige und Nachkommen von Republikanern, Linke, Intellektuelle oder auch Atheisten. Viele sind nicht im Krieg als Soldaten gefallen, sondern wurden von den Nationalisten brutal ermordet. Etliche Opfer wurden dann in den 1950er Jahren ins Tal der Gefallenen geschafft, ohne dass deren Familien davon wussten.

35.000 Tote sind unter der Basilika begraben. Die Mehrheit von ihnen sind Republikaner. Mit den Toten aus beiden Lagern würde das Tal der Gefallenen zu einem Ort der Versöhnung werden, hatte Francos Regime stets argumentiert. Nur dass viele Opferfamilien alles andere als versöhnlich reagierten, als sie erfuhren, dass auch einer ihrer Vorfahren dort begraben liegt, unter dem Monument des Diktators, an dem auch das Blut von republikanischen Zwangsarbeitern klebt, die während des Baus zu Tode kamen.

Der emotionale Schaden ist lange schon angerichtet, Spanien über die Handhabe seiner Geschichte tief gespalten, und der Gang zur nationalen Versöhnung durch parteipolitische Grabenkämpfe zu einem scheinbar ziellosen Orientierungslauf geworden. Das Urteil der Richter sorgt nun bei vielen Spaniern für Genugtuung, bei vielen anderen für Unmut.

Allen voran haben Francos Enkel angekündigt, das Verfassungsgericht anzurufen. Sie zeigen sich mit der Verlegung ihres Großvaters nur einverstanden, wenn der Leichnam stattdessen in der Familiengruft der Almudena-Kathedrale in Madrid beigesetzt würde. Doch im Herzen der Hauptstadt will die Regierung den toten Franco nun schon gar nicht haben, um zu verhindern, dass dort eine Pilgerstädte für dessen Anhänger entsteht. Das Oberste Gericht schloss diese Möglichkeit aus. Stattdessen wird der tote Diktator auf einen Friedhof im Norden Madrids verlegt.

Bloß kein Wahlkampf-Thema

Francos Enkel haben Widerstand angekündigt.

Francos Enkel haben Widerstand angekündigt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Jahrelang lag in Spanien der Mantel des Schweigens über Francos Verbrechen und der Diktatur. Doch längst nicht alle Spanier sehen in ihm einen Verbrecher. In den Augen vieler Konservativer hat Franco viel Gutes für das Land getan. Er habe Infrastruktur geschaffen und die Wirtschaft angekurbelt. "Es war nicht alles schlecht", sagen auch gemäßigte Spanier. Das klingt wie ein Satz, den in Deutschland gerne auch die Befürworter des Dritten Reiches formulieren. Mit dem Unterschied, dass es in Spanien deutlich weniger verpönt und geächtet ist, sich so zu äußern.

Nach Francos Tod sorgte der Pakt des Vergessens, den das damals neue demokratische Parlament in Form von Amnestie-Gesetzen, also Straferlass, beschloss, für einen zweifelhaften Burgfrieden. Das Lager von Francos Anhängern war viele Jahre lang zu mächtig, als dass seine Gegner diesen Pakt hätten aufbrechen können. Die Wirtschaftspolitik des Diktators hatte eine wohlhabende und einflussreiche Gesellschaftsschicht geschaffen, die kein Interesse zeigte, ihre eigenen möglichen Verbindungen zum Regime offenzulegen. Bis heute gehören die Profiteure der Franco-Zeit zu den treibenden Kräften der spanischen Volkswirtschaft.

Trotz der Ankündigung der Franco-Enkel weiter zu kämpfen, will die Übergangsregierung schnell handeln und Franco umbetten, noch ehe am 10. November erneute Parlamentswahlen stattfinden. Die sozialistische PSOE von Sanchez will das Thema möglichst vor dem offiziellen Beginn des Wahlkampfes abhaken. Die Konservativen werfen den Sozialisten vor, wie besessen zu sein von der Umbettung des Diktators. Sie behaupten, dadurch würden alte Wunden neu aufgerissen. Betroffene Familien wie die von Silvia Navarro dagegen sagen, ihre Wunden seien nach Francos Tod nie verheilt.

Quelle: ntv.de

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