Steinbrück im Bundestag "Nichts bleibt wie es war"
25.09.2008, 09:56 UhrDie globale Bankenkrise wird nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück das Weltfinanzsystem umwälzen und das Wirtschaftswachstum bremsen. "Die Welt wird nicht wieder so werden wie vor der Krise", sagte der SPD-Politiker in einer Regierungserklärung vor dem Bundestag.
Steinbrück sprach von einem Erdbeben, in dessen Folge die USA ihren Status als "Supermacht des Weltfinanzsystems" verlieren würden. Die Wertberichtigungen und Abschreibungen auf faule Kredite beliefen sich weltweit auf mehr als 550 Milliarden US-Dollar. Ein Ende der Krise sei nicht absehbar.
Folgen für Deutschland
Steinbrück stimmte die Bürger auf niedrigere Wachstumsraten und einen raueren Wind auf dem Arbeitsmarkt ein: "Unsere Realwirtschaft wird in Mitleidenschaft gezogen." In welchem Ausmaß der Bundeshaushalt betroffen sein werde, bleibe offen. Bisher gebe es keinen Einbruch bei den Steuereinnahmen. Der Sparkurs werde fortgesetzt, aber es würden auch konjunkturstützende Maßnahmen ergriffen.
Forderungen, in Deutschland ein ähnliches Rettungspaket für marode Banken aufzulegen wie in den USA, erteilte Steinbrück erneut eine Absage. Die US-Regierung will mit einem 700-Milliarden- Dollar-Paket die Bankenkrise entspannen. Die Finanzmarktkrise sei vor allem ein amerikanisches Problem, sagte Steinbrück.
Er warf den USA schwere Versäumnisse vor. Ursache der Krise sei eine "unverantwortliche" Übertreibung des Prinzips des freien und ungezügelten Marktes. So seien die USA bei der Einführung der strengeren Eigenkapitalregeln nur sehr zögerlich vorgegangen. Zudem seien die Investmentbanken nicht ausreichend reguliert und die Aufsicht in den USA stark zersplittert. "Dieses in weiten Teilen unzureichend regulierte System bricht gerade zusammen."
"Keine Kreditklemme für deutsche Unternehmen"
Das deutsche Drei-Säulen-Bankensystem aus privaten, öffentlich-rechtlichen und genossenschaftlichen Instituten zeige sich im internationalen Vergleich relativ robust. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin sei sich sicher, dass die Institute die Verluste ausgleichen und die Sicherheit privater Ersparnisse gewährleisten könnten. Trotz Abschwungs und schärferer Kreditkonditionen gebe es bisher auch keine "Kreditklemme" für deutsche Unternehmen.
Der Finanzminister verwies darauf, dass die Steuerzahler durch die bisherigen Stützungsmaßnahmen des Staates weit weniger belastet würden als in den USA. Der Schaden wäre größer, wenn der Staat nicht eingegriffen hätte. Der Opposition warf er Scheinheiligkeit vor. Die Rettungsaktionen der US-Regierung von mehr als einer Billion US-Dollar würden als Beleg für die Tatkraft der Regierung gelobt. In Deutschland dagegen würden die eingesetzten Steuergelder als Versagen des Staates beklagt. Der Bund habe für die Mittelstandsbank IKB "nur" bis zu 1,8 Milliarden Euro ausgegeben.
"Neue Verkehrsregeln"
Um künftige Krisen zu vermeiden, seien "neue Verkehrsregeln" für die Finanzmärkte erforderlich. Die sieben führenden Industrieländer (G7) würden auf ihrem Treffen Anfang/Mitte Oktober in Washington zusätzliche Maßnahmen beraten. Dabei gehe es auch um eine bessere Zusammenarbeit des Internationalen Währungsfonds und des von Industrieländern getragenen Forums für Finanzstabilität als "Frühwarnsystem".
Steinbrück mahnte erneut die EU-Kommission, bei der Prüfung der Rettungshilfen für die WestLB "verantwortungsvoll" vorzugehen. Dies bedeute allerdings nicht, dass bei den deutschen Landesbanken alles beim Alten bleiben könne. Das Modell der Sparkassen will Steinbrück gegenüber Brüssel verteidigen.
Grüne fordern Untersuchungsausschuss
Vertreter der Opposition warfen Steinbrück mangelnde Selbstkritik und Versagen vor. Nach Ansicht der FDP tragen auch der Staat und die Aufsichtsbehörden weltweit eine Mitschuld. Der Fraktionschef der Linken, Oskar Lafontaine, sprach von einer "Krise der geistig moralischen Orientierung der westlichen Gesellschaften". Durch das Regime der internationalen Finanzmärkte und eine "völlig durchgedrehte" Banker-Elite gebe es keine soziale Marktwirtschaft mehr.
Die Grünen bekräftigten die Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen bei der Staatsbank KfW und der inzwischen verkauften Mittelstandsbank IKB. Fraktionschef Fritz Kuhn sieht das neoliberale Konzept einer Marktwirtschaft gescheitert. Es sei auch ein "moralisches Missverhältnis", wenn über ein 700-Milliarden-Dollar-Paket verhandelt werde, während Afrika-Hilfen von 70 Milliarden Dollar scheiterten
Steinbrück trifft Bankmanager
Am Mittag trifft Steinbrück mit seiner französischen Amtskollegin Christine Lagarde zusammen. Am Nachmittag will Steinbrück mit Spitzenvertretern der Kreditwirtschaft die Krise erörtern. Es werden unter anderem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Bankenpräsident Klaus-Peter Müller erwartet. Steinbrück verspricht sich von dem Treffen auch Vorschläge für seine Gespräche im Oktober in den USA. Die weltweite Krise war durch Fehlspekulationen mit amerikanischen Immobilien-Werten ausgelöst worden.
Quelle: ntv.de