Politik

Weil oder Althusmann? Niedersachsen macht's wieder spannend

Bleibt Stephan Weil (links) Ministerpräsident, oder wird es Bernd Althusmann?

Bleibt Stephan Weil (links) Ministerpräsident, oder wird es Bernd Althusmann?

(Foto: imago/localpic)

In Hannover könnte es einen langen Wahlabend geben. SPD und CDU liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Mehrere Koalitionsoptionen liegen auf dem Tisch. Allerdings ist keine davon bei der politischen Klasse so richtig beliebt.

Es gab ziemlich lange Gesichter bei der CDU am Abend des 20. Januar 2013, sage und schreibe 6,5 Prozent hatte die Partei bei der Landtagswahl im Vergleich zu 2008 eingebüßt. Dem jungen Hoffnungsträger David McAllister war nur eine zweieinhalbjährige Amtszeit als Ministerpräsident beschieden. Obwohl die Christdemokraten mit 36 Prozent stärkste Kraft im Hannoverschen Landtag blieben, mussten sie in Opposition.

Denn die FDP hatte in ihren Gefilden gewildert. Die Liberalen, die sich mit ihrem glücklosen Vorsitzenden Philipp Rösler im Bund im freien Fall befanden, erhielten viele Leihstimmen aus dem schwarzen Lager und kamen auf für damalige Verhältnisse sensationelle 9,9 Prozent. McAllisters christlich-liberale Koalition musste sich dennoch ganz knapp geschlagen geben.

Die hin zur FDP wechselnden CDU-Anhänger hatten sich mächtig verkalkuliert. Sie machten mit ihrem Wahlverhalten den Sozialdemokraten Stephan Weil zum lachenden Dritten, der eine Koalition mit den erstarkenden Grünen bilden konnte - mit lediglich einer Stimme Mehrheit im Landesparlament. Zu knapp, um eine gesamte Legislaturperiode durchzuhalten. Die abtrünnige Grünen-Abgeordnete Elke Twesten war es dann auch, die der rot-grünen Koalition den Todesstoß versetzte und die Niedersachsen etwas früher an die Wahlurnen zwingt.

Wechselstimmung ist schnell verflogen

Althusmanns CDU hat einen klaren Vorsprung eingebüßt.

Althusmanns CDU hat einen klaren Vorsprung eingebüßt.

(Foto: dpa)

Die politischen Mehrheitsverhältnisse im flächenmäßig zweitgrößten deutschen Bundesland werden wohl auch nach der Landtagswahl am Sonntag viel Anlass zu Berichten und Analysen geben. So ist es durchaus möglich, dass die CDU-Wahlparty erneut alles andere als stimmungsvoll sein wird und nicht Herausforderer Bernd Althusmann, sondern der vor einigen Wochen bereits abgeschriebene Ministerpräsident Weil mit einem breiten Grinsen vor die Kameras tritt.

In den Umfragen liefern sich SPD und CDU ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das Meinungsforschungsinstitut Insa sieht sogar die Sozialdemokraten (33 zu 32 Prozent) leicht vorn, die Forschungsgruppe Wahlen (34,5 zu 33) ebenfalls. Tritt dies ein, dann wäre es für die niedersächsische Union zweifellos ein Desaster, denn sie würde im Vergleich zur Landtagswahl 2013 trotz idealer Ausgangsposition weiter verlieren. Anfang September verzeichneten die Christdemokraten noch eine klare Führung von bis zu 8 Prozentpunkten. Auf einen Wahlsieg von Weil und der SPD gab kaum noch jemand einen Pfifferling.

Es ist schon selten, dass eine Wechselstimmung so schnell verfliegt und ein Frontmann während des Wahlkampfs eine satte Führung derart verspielt. Sollte es so weit kommen, dann sähe sich Althusmann allerdings in guter Gesellschaft, denn bei der Bundestagswahl 2005 ging es seiner Parteivorsitzenden Angela Merkel genauso. Die Union lag damals in Umfragen klar über 40 Prozent, um dann noch mit 35,2 Prozent knapp vor der SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Gerhard Schröder (34,2) einzulaufen. Das Ende ist bekannt - eine Große Koalition unter Merkels Leitung wurde gebildet.

Keine Lust auf Große Koalition

Diese Konstellation wird es in Niedersachsen wohl nur geben, wenn es gar nicht anders geht. "Die Stimmung bei den Mitgliedern meiner Partei im Hinblick auf eine etwaige Zusammenarbeit mit der CDU ist stark ablehnend", baute Weil bereits vor. Im Wahlkampf wurde deutlich, dass zwischen Nordsee und Harz beide Volksparteien ein spannungsreiches Verhältnis haben.

Im TV-Duell schenkten sich die Spitzenkandidaten nichts.

Im TV-Duell schenkten sich die Spitzenkandidaten nichts.

(Foto: imago/localpic)

Vor allem bei den Themen Innere Sicherheit, Volkswagen und Bildung versuchte der CDU-Spitzenkandidat Weil im TV-Duell in die Ecke zu drängen. Der Ministerpräsident sei vom VW-Vorstand "durch die Manege gezogen worden", giftete Althusmann über Weils Regierungserklärung zur Abgasaffäre, die den Konzern-Verantwortlichen zum Gegenlesen gegeben worden war. Weil versuchte, Althusmann mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, mit Bemerkungen von oben herab: "Ich glaube, Sie überblicken wirklich nicht, wovon Sie reden. Das mache ich Ihnen auch nicht zum Vorwurf, das ist nicht leicht zu verstehen." Auch Althusmanns Vorwurf, dass Niedersachsen ein "Wohlfühlland" für Islamisten geworden sei, schmetterte der Regierungschef ab. Niedersachsen habe als erstes Land islamistische Gefährder abgeschoben, hielt Weil dagegen.

Zudem liegen CDU und SPD in der Bildungspolitik weit auseinander. Während Althusmann beim Thema Förderschulen, in denen Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam lernen sollen, "dringend eine Atempause" einfordert, will Weil dies sogar weiter vorantreiben. Wohin man schaut: In wichtigen Themen herrscht rot-schwarzer Dissens. In einer Frage sind sich Sozial- und Christdemokraten einig: Sie wollen nicht gemeinsam regieren.

Hohe Hürden für Ampel und Jamaika

Probleme mit der FDP: Anja Piel.

Probleme mit der FDP: Anja Piel.

(Foto: dpa)

Dennoch wird wohl nach der Landtagswahl eine neue Regierungskonstellation nötig sein. Nach Lage der Dinge werden SPD und Grüne keine gemeinsame Mehrheit erreichen, weil der kleinere Koalitionspartner seine 13,7 Prozent von 2013 nicht halten kann, sondern eher auf den einstelligen Prozentbereich zusteuert. Auch wird die AfD - sie steht in den Umfragen bei 7 bis 8 Prozent – wohl erstmals in den Landtag einziehen. So könnte Weil mit einer Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen regieren. Zudem wäre - parallel zu den Sondierungen im Bund - auch ein Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen unter Althusmanns Führung möglich.

Für ein rot-rot-grünes Bündnis gäbe es momentan keine Mehrheit. Weil, der kürzlich im "Spiegel" kundtat, nicht unter "Ausschließeritis" zu leiden, will die vom umtriebigen Bundestagsabgeordneten Diether Dehm kontrollierte Landes-Linke, die sich laut Umfragen um die Fünf-Prozent-Hürde herum bewegt, möglichst weiter aus dem Landtag halten. Druck aus dem Berliner Willy-Brandt-Haus bekommt der Ministerpräsident nicht. SPD-Bundeschef Martin Schulz will den niedersächsischen Genossen keine Vorschriften machen. "Über Koalitionen in den Ländern wird vor Ort entschieden, nicht in Berlin", sagte er der "Nordwest-Zeitung".

Stefan Birkner will die Ampel nicht. Er findet derzeit auch wenig Gefallen an Jamaika.

Stefan Birkner will die Ampel nicht. Er findet derzeit auch wenig Gefallen an Jamaika.

(Foto: dpa)

Ampel oder Jamaika? Sowohl Weil als auch Althusmann stünden vor äußerst komplizierten Koalitionsgesprächen. So tun sich die Grünen hinsichtlich eines Zusammengehens mit der FDP, die laut Umfragen mit 10 Prozent auf dem dritten Platz liegt, sehr schwer. Ihre Spitzenkandidatin Anja Piel sieht große Differenzen mit den Liberalen hinsichtlich der Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs und der Energiewende. FDP-Spitzenkandidat Stefan Birkner erteilte im Wahlkampf einer Ampelkoalition eine Absage. Er spricht sich für einen Ausbau der Autobahnen 20 und 39 aus - eine sehr dicke Kröte, die die Grünen schlucken müssten. Auch Jamaika steht derzeit noch unter keinem guten Stern. Mit diesem Bündnis können sich sowohl FDP als auch CDU noch nicht so richtig anfreunden.

Volksparteien bleiben wohl stark

Bleiben die Fronten verhärtet, werden die Berliner Parteizentralen wohl doch ins Spiel kommen. Bundeskanzlerin Merkel will vor den schwarz-gelb-grünen Vorverhandlungen Ruhe im eigenen Unionsladen haben. Zudem hat Niedersachsen mit sechs Stimmen ein großes Gewicht im Bundesrat. Und für Schulz geht es um sein politisches Überleben. Fällt Niedersachsen, dann wird er - obwohl es nur eine Landtagswahl ist - den Nimbus des ewigen Wahlverlierers nicht mehr los.

Einen Vorteil hat das konfliktreiche Klima in Niedersachsen: Schenkt man den Umfragewerten Glauben, dann bleiben die Wähler beiden großen Parteien überwiegend treu. So riesige Verluste wie im Bund oder in anderen Bundesländern haben sowohl SPD als auch CDU nicht zu befürchten. Auch diese Tatsache sorgt dafür, dass der Wahlabend in Hannover richtig spannend wird. Fakt ist aber auch, dass es lange Gesichter geben wird. Die Frage ist nur, ob um im roten oder im schwarzen Lager.

Quelle: ntv.de

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