Politik

Afghanistan im Ungewissen Noch kein Endergebnis

Auch gut drei Wochen nach der von Betrug überschatteten Präsidentschaftswahl in Afghanistan steht das vorläufige Endergebnis noch immer nicht fest. Die umstrittene Wahlkommission (IEC) legte wider Erwarten lediglich ein weiteres Teilergebnis vor.

Auf Basis von gültigen Stimmen aus 92,8 Prozent der Wahllokale komme Amtsinhaber Hamid Karsai mit 54,3 Prozent weiterhin auf eine absolute Mehrheit. Sein wichtigster Herausforderer Abdullah Abdullah habe 28,1 Prozent gewonnen, teilte die Kommission mit. Vor einem amtlichen Endergebnis und der offiziellen Verkündung eines Wahlsiegers müssen aber etliche Betrugsvorwürfe überprüft werden, was Monate dauern kann.

Amtsinhaber Karsai liegt nach den bisherigen Ergebnissen vorn.

Amtsinhaber Karsai liegt nach den bisherigen Ergebnissen vorn.

(Foto: AP)

Karsai dürfte nach den bislang vorliegenden und hoch umstrittenen Zahlen der Sieg bereits im ersten Wahlgang nicht mehr zu nehmen sein. Eine Stichwahl würde damit überflüssig. Die IEC berichtete, zusätzlich zu den bislang ausgezählten gültigen Stimmen aus 92,8 Prozent der Wahllokale würden Stimmen aus 2,15 Prozent der Wahllokale überprüft. Die Ergebnisse aus den noch fehlenden rund 5 Prozent der Wahllokale würden an diesem Montag verkündet. Die von den Vereinten Nationen unterstützte Beschwerdekommission (ECC) hat die Überprüfung oder Annullierung von Stimmen aus zahlreichen Wahllokalen angeordnet.

"Klingt nach einem tragischen Witz"

Kurz vor Verkündung der jüngsten Teilergebnisse hatte Abdullah, der mit einem vorläufigen Endergebnis gerechnet hatte, die Afghanen zur Ruhe aufgerufen. Zugleich hatte er Karsai erneut massiven Wahlbetrug vorgeworfen. Abdullah sagte, mehr als eine Million - oder knapp 20 Prozent - der Stimmen seien nachweislich gefälscht. Zum unerwartet guten Abschneiden Karsais, dem Unfragen vor der Wahl unter 50 Prozent der Stimmen vorausgesagt hatten, meinte Abdullah: "Für die Menschen in Afghanistan klingt das nach einem tragischen Witz." Karsai und die Wahlkommission hätten sich unverantwortlich verhalten und "den Prozess dauerhaft geschädigt".

Ohne Betrug hätte Karsai keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang am 20. August errungen, sagte Abdullah. "Wir sollten nicht aufgeben. Wir sollten versuchen, den Prozess zu retten und zu korrigieren, damit Afghanistan eine Zukunft hat", sagte Abdullah. Auf dem Spiel stehe auch die Glaubwürdigkeit der Staatengemeinschaft in Afghanistan. Eine Zusammenarbeit mit Karsai schloss Abdullah erneut aus. Unter Karsai sei Korruption "das Gesetz und nicht die Ausnahme" geworden. "In einem solchen System finde ich keinen Platz für mich."

Aufruf zur Ruhe

Ein Wahlhelfer gibt Daten in einen Computer ein.

Ein Wahlhelfer gibt Daten in einen Computer ein.

(Foto: AP)

Abdullah betonte: "Ich hoffe trotzdem, dass wir nicht noch zusätzliche Probleme zu den schon vorhandenen bekommen, und dass die Menschen ruhig bleiben." Er rufe seine Anhänger weiterhin dazu auf, Ruhe zu bewahren, sich verantwortlich zu verhalten und nicht zu demonstrieren. "Die Menschen in Afghanistan sind mit Sicherheit enttäuscht." Das treffe auch auf die Menschen in Staaten wie Deutschland zu, die Afghanistan unterstützten und nicht mit einer gefälschten Wahl gerechnet hätten.

In absoluten Zahlen hat die Wahlkommission bislang nach eigenen Angaben 5,5 Millionen gültige Stimmen gezählt. Davon entfielen drei Millionen auf Karsai, weitere 1,56 Millionen auf Abdullah. An dritter Stelle liegt mit gut einer halben Million Stimmen der frühere Planungsminister Ramasan Baschardost. Ein amtliches Endergebnis war für Mitte des Monats erwartet worden, ein vorläufiges Ergebnis für den Monatsbeginn. Seit vergangenem Dienstag hat die Wahlkommission nur die Ergebnisse aus rund einem Prozent Wahllokale veröffentlicht.

Gefechte in Kundus

Unterdessen sind Dutzende Menschen bei Anschlägen und Überfällen getötet worden, darunter mindestens 20 Zivilisten. Das schwerste Attentat ereignete sich in der südlichen Provinz Urusgan, wo durch eine am Straßenrand versteckte Bombe zwei vorbeifahrende Autos zerstört wurden. Durch die Wucht der Detonation wurden nach Angaben der Polizei mindestens zwölf Zivilisten getötet. Das Innenministerium sprach von bis zu 14 Toten. "Die Taliban wollten mit der Bombe offensichtlich ausländische und afghanischen Soldaten treffen", sagte der örtliche Polizeichef Juma Gul Hemat. Es seien aber nur Unbeteiligte in den Tod gerissen worden. Bei einem weiteren Bombenanschlag starben in der Provinz Kandahar nach Angaben des Innenministeriums mindestens sechs Zivilisten.

In der nördlichen Provinz Kundus griffen Aufständische einen Kontrollposten der Polizei an. Bei dem stundenlangen Gefecht seien sieben Polizisten getötet worden, darunter auch der Kommandeur des Stützpunkts, teilte Gouverneur Mohammad Omar mit. Zwei weitere Polizisten würden vermisst. Sie seien vermutlich als Geisel genommen worden. Bei einem ähnlichen Überfall in der östlichen Provinz Nangarhar töteten Aufständische nach offiziellen Angaben vier Polizisten. In der benachbarten Provinz Kunar töteten Extremisten bei einem Überfall auf das Büro eines privaten Sicherheitsdienstes sechs Leibwächter.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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