Politik

"Gefahr im Verzug" Noch keine Kreditklemme

Finanzminister Peer Steinbrück hat das Rettungspaket der Bundesregierung als nötig zur "Gefahrenabwehr" bezeichnet. "Es geht darum, Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abzuwehren", sagte er bei der Erläuterung der Maßnahmen des zuvor vom Bundeskabinett beschlossenen Maßnahmenpaketes und forderte die Bundesländer zur Beteiligung auf.

Zurzeit stehe man weltweit vor größten finanzpolitischen Herausforderungen, sagte Steinbrück. Offenbar nehme die Gefahr von Übersprungeffekten der Finanzkrise auf die Realwirtschaft zu. Die Mischung sei weltweit inzwischen "hochproblematisch" und erfordere eine systemische, kohärente Antwort, die zugleich national angepasste Lösungen nicht ausschließe.

Länder sollen sich beteiligen, CSU drückt sich

"Wir sind der Auffassung, dass es sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe handelt hier und dass deshalb die Länder ihren Anteil an den Lasten (...) zu tragen haben", sagte Steinbrück. An staatlichen Hilfen und Garantien sollten sich die Länder zu 35 Prozent beteiligen. Dieser Anteil sei bei der Neuregelung der Bund-Länder-Beziehungen festgelegt worden. Wenn überdies Landesbanken auf das Paket zugreifen müssten, "dann wird es um eine zusätzliche Inpflichtnahme gehen". Bayern hat die geplante Beteiligung der Länder bereits abgelehnt, Hamburg und Hessen sehen die Pläne skeptisch. Thüringen könne "sich das nicht leisten", hieß es in Erfurt.

"Wir stehen zu dem, was wir als Anteilseigner der Landesbank beizubringen haben", sagte der bayerische Finanzminister und scheidende CSU-Chef Erwin Huber in München. "Aber einen Schirm über den ganzen oder Teile des Finanzmarktes können die Länder oder Kommunen nicht übernehmen." Die Zuständigkeit für den Geld- und Kreditmarkt sowie die Wirtschaftspolitik liege beim Bund. Es sei klar, dass die Länder bereit seien, in dieser Woche das Rettungspaket im Bundesrat zu billigen. "Aber die Länder sind nicht in der Lage und auch nicht zuständig, einen Teil der Gesamtlast zu übernehmen." Steinbrück will seine Kollegen aus den Ländern am Dienstag über das Rettungspaket informieren. Dabei werde es auch die Beteiligung der Länder an der Finanzierung des Paketes gehen.

Staatliche Hilfe nicht zum Nulltarif

Steinbrück sagte, dass die Banken nicht ohne Auflagen die Hilfen aus dem deutschen Rettungspaket in Anspruch nehmen könnten. Dazu könnte etwa der Verzicht auf Boni-Zahlungen oder Dividendenzahlungen bei den unterstützten Instituten zählen, sagte der Finanzminister. Die Hilfen könnten von deutschen Instituten sowie auch deutschen Tochterunternehmen ausländischer Kreditinstitute in Anspruch genommen werden. Ein Anspruch der Banken auf die Hilfsleistungen bestehe nicht.

Bisher sei in Deutschland keine Kreditklemme festzustellen, so Steinbrück, Deutschlands Unternehmen erhielten trotz der dramatischen Finanzkrise derzeit ohne Probleme von den Banken Kredite. Allerdings hätten sich die Konditionen - die Zinsen für die Firmen - verschlechtert. Eine Kreditklemme sei jedoch künftig nicht auszuschließen, sagte Steinbrück. Es gehe beim Rettungspaket der Regierung nicht darum, Banken und Managern etwas Gutes zutun, sondern die Finanzmärkte als öffentliches Gut zu stabilisieren.

Befristung bis Ende 2009

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Steinbrück und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier hatten sich bereits in der Nacht auf die Rettungsmaßnahmen verständigt. Der Staat soll Garantien für Kredite übernehmen, die sich die Banken untereinander gewähren. Auch sollen die Banken direkte Finanzspritzen zur Erhöhung ihres Eigenkapitals erhalten. Das größte Finanzrettungspaket der Nachkriegsgeschichte soll noch in dieser Woche in einem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren beschlossen werden und bis Ende 2009 befristet sein.

Aus dem Gesetzentwurf geht hervor, dass eine Bürgschaft über 400 Milliarden Euro gegeben wird, um den Geldhandel der Banken untereinander anzukurbeln. Für direkte Finanzspritzen kann Steinbrück weitere 70 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen, die den Bundeshaushalt belasten. Hier gibt es noch einen Puffer von zusätzlich 10 Milliarden Euro.

2011 kein ausgeglichener Haushalt

Angesichts der Finanzkrise schließt die Bundesregierung nicht aus, dass das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts 2011 nicht zu schaffen ist. Nach der Verabschiedung des milliardenschweren Rettungspakets für deutsche Banken im Kabinett sagte Bundeskanzlerin Merkel: "Das kann zur Folge haben, dass sich das Ziel des ausgeglichenen Haushalts zeitlich verschiebt. Das Ziel als solches bleibt erhalten." Investitionen und Sozialleistungen würden aber nicht gekürzt. Sie deutete an, dass die Regierung in dieser Woche ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum 2009 von bisher 1,2 Prozent deutlich nach unten korrigieren wird. Auch Finanzminister Steinbrück bekräftigte, dass die Bundesregierung das Etatziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht aus den Augen verliert, "auch wenn es jetzt länger dauern dürfte".

20 Milliarden Verlust einkalkuliert

Die Bundesregierung kalkuliert bei ihrer 400-Milliarden-Euro-Garantie mit einem Verlustrisiko von fünf Prozent. Damit könnten auf den Haushalt tatsächliche Belastungen aus dem Fonds von 20 Milliarden Euro zukommen. Für diesen Fall soll der Finanzminister weitere Kredite von bis zu 20 Milliarden Euro aufnehmen dürfen.

Der Plan sieht außerdem vor, die Bilanzierungsregeln von Banken jenen in den USA anzugleichen. Das heißt, dass etwa Banken solche Wertpapiere, die wegen der Krise stark an Wert verloren haben, nicht mehr zum derzeitigen Wert bilanzieren müssen, sondern auf günstigere Bewertungsregeln ausweichen können.

Berlin hat es eilig

Die Bundesregierung will in einem Eilverfahren bis Ende kommender Woche ein umfassendes Stabilisierungs-Paket für die deutschen Banken durch Bundestag und Bundesrat bringen. Dazu sollen die Vorschläge bereits an diesem Montag im Kabinett beschlossen werden. Schon am Dienstag könnten sich dann die Fraktionen und der Bundestag in erster Lesung mit den notwendigen Gesetzentwürfen beschäftigen, hieß es.

Das Hilfspaket könnte den Steuerzahler nach Schätzungen in den Fraktionen zumindest kurzfristig mit Beträgen von 100 bis 250 Milliarden Euro belasten. Der Bundeshaushalt für 2008 macht gut 283 Milliarden Euro aus. Im besten Fall würde der Staat aber letztlich alles Geld zurückerhalten.

In den Koalitionsfraktionen hofft man, dass sich die Opposition dann mit einer schnellen Beratung einverstanden erklärt. Ziel ist es, dass das Paket spätestens am kommenden Samstag durch Bundestag und Bundesrat notfalls in Sondersitzungen gebracht werden kann. Die Regierung will den Informationen zufolge schnellstmöglich mit den Fraktionen in Gespräche über diesen Zeitplan eintreten.

Paket mit vier Elementen

- Mittels einer staatlichen Garantie sollen die Banken wieder motiviert werden, sich gegenseitig Geld zu leihen. Wegen des Vertrauensverlustes im Finanzmarkt ist derzeit das Vertrauen der Banken untereinander gestört. Immer mehr Banken parken überschüssiges Geld bei den Zentralbanken, anstatt es selbst zu günstigeren Zinsen anderen Instituten zu geben. Eine Staatsgarantie könnte bewirken, den Banken die Angst vor dem Geldverleihen an andere Institute zu nehmen und so wieder den für die Volkswirtschaft wichtigen Liquiditätsfluss in Gang setzen.

- Ähnlich dem Modell in den USA könnten sogenannte Risikopositionen der Banken - also zum Beispiel Zertifikate, die auf faulen Immobiliendarlehen beruhen - bei einer "Bad-Bank" ausgelagert werden, die diese mit staatlichem Geld aufkauft. Das würde den Haushalt in jedem Fall stark belasten.

- Die Krise hat die Eigenkapitaldecke der Banken mehr oder weniger angefressen. Grund: Wegen der faulen Positionen müssen die Banken immer höhere Abschreibungen vornehmen, was Eigenkapital kostet. Die britische Regierung will den Banken bereits zum Ausgleich Staatskapital anbieten im Gegenzug zu Beteiligungen an den Banken. Diese könnten später vom Staat wieder verkauft werden.

- Wie von der Kanzlerin am Dienstag in der Regierungserklärung angesprochen wird in jedem Fall das Bilanzrecht geändert werden und zwar EU-weit. Ziel auch hier: Die Belastung der Rechnungslegung durch die Risikopositionen mindern nach dem Vorbild der USA.

Hilfsfonds von 100 Milliarden Euro

Das "Handelsblatt" berichtet unterdessen, dass die Regierung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis einen Hilfsfonds von bis zu 100 Milliarden Euro bereitstellen wolle. Die Eigenkapitalspritze, die Bundesfinanzminister Steinbrück und Bundesbankpräsident Axel Weber im Rahmen des G7-Finanzministertreffens als Rekapitalisierungshilfe bezeichnet haben, soll privaten Geschäftsbanken, Landesbanken und Versicherungen angeboten werden, um Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Finanzindustrie zu vermeiden, hieß es in Verhandlungskreisen.

Die Vergabe der Staatsgelder will die Bundesregierung unter strenge Auflagen stellen, berichtet das Blatt weiter. Konkret sähen die Regierungspläne vor, die staatlichen Eigenkapitalhilfen nur dann zu gewähren, wenn sich die Banken verpflichten, ihre Geschäftsmodelle, Bonussysteme und Abfindungsregeln zu reformieren.

Quelle: ntv.de

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