Staatsstreich in Georgien Notstand ausgerufen
22.11.2003, 13:46 UhrNach der Ausrufung des Notstandes in Georgien sind am Abend vor dem Innenministerium in der Hauptstadt Tiflis Truppen aufgezogen. Anhänger der Opposition hatten zuvor das Parlament gestürmt. Um das Ministerium gingen Soldaten in Stellung.
Vier gepanzerte Truppentransporter sowie mehr als zehn Busse und Kleinbusse mit weiteren Soldaten fuhren vor dem Gebäude vor, das etwa zwei Kilometer vom Parlament entfernt ist. Außerdem würden Panzer auf der Militärbasis Wasiani nahe der Hauptstadt zum Ausrücken vorbereitet. Der zur Flucht gezwungene Präsident Eduard Schewardnadse will einen Putsch verhindern und droht mit dem Eingreifen des Militärs, sollte der Notstand nicht binnen 48 Stunden bestätigt werden.
Die georgische Opposition will mit ihrem Staatsstreich Neuwahlen durchsetzen. Oppositionschef Michail Saakaschwili sagte dem n-tv Partnersender CNN, Schewardnadse kann zunächst im Amt bleiben, wenn er eine rasche Präsidentenwahl ausruft. "Mit weniger geben wir uns nicht zufrieden. "
Anhänger der Opposition hatten zuvor das Parlament in Tiflis gestürmt. Die Oppositionspolitikerin und bisherige Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse erklärte sich zur amtierenden Präsidentin. Schewardnadse war aus dem Parlament geflohen, nachdem Demonstranten in das Gebäude eingedrungen waren. Derzeit hält er sich in einer Militärkaserne außerhalb der Stadt auf.
Rund 25.000 Demonstranten feierten vor dem Parlamentsgebäude den Sieg ihrer angekündigten "samtenen Revolution". Zusammenstöße mit den starken Sicherheitskräften blieben zunächst aus. "Wir sind vom Volk gewählt, und wir sind gegen Gewalt ", sagte Saakaschwili, als er im Parlament das Mikrofon übernahm.
Bei Dauerdemonstrationen seit der umstrittenen Wahl vom 2. November hatte die Opposition den Rücktritt Schewardnadses und Neuwahlen gefordert. Noch am Samstagmorgen hatte der frühere sowjetische Außenminister seinen Gegnern in einem Fernsehinterview erneut Verhandlungen angeboten. Dabei räumte er eine Teilschuld an der politischen Konfrontation in dem Kaukasusstaat ein. Der seit 1992 regierende Schewardnadse ist wegen der Verarmung und Korruption in Georgien äußerst unbeliebt. Seine Amtszeit dauert regulär noch bis 2005.
Wahlfälschung offensichtlich
Nach einer länger als zwei Wochen dauernden Auszählung hatte die Wahlleitung am Donnerstag die Präsidenten-treue Partei "Für ein neues Georgien " zum Sieger erklärt. Um die Macht zu behalten, hatte Schewardnadse in dieser Zeit ein Bündnis mit seinem bisherigen Widersacher Aslan Abaschidse geschmiedet, dem autoritären Führer der Region Adscharien am Schwarzen Meer.
Ex-Justizminister Saakaschwili und seine Nationale Bewegung war dem offiziellen Ergebnis nach nur auf Platz drei gekommen, während unabhängige Zählungen nach der Stimmabgabe ihn vorn sahen. Die USA und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kritisierten Fälschungen und Manipulationen der Ergebnisse.
Russland schaltet sich ein
Der russische Präsident Wladimir Putin unterdessen seinen Außenminister Igor Iwanow angewiesen, nach Georgien reisen. Eine Sprecherin des Präsidialamts sagte nicht, wann Iwanow in die ehemalige Sowjetrepublik reisen werde. Putin habe die Entsendung entschlossen, nachdem er mit den Staats- und Regierungschefs anderer ehemaliger Sowjetstaaten beraten habe, sagte sie.
Reaktionen aus dem Ausland
Der russische Außenpolitiker Dmitri Rogosin sprach von einem Staatsstreich nationalistischer Kräfte in Georgien mit "klarer Unterstützung der Amerikaner ". Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss forderte Schewardnase als Sprecher der Parlamentariergruppe für den südlichen Kaukasus auf, jetzt den Weg für Neuwahlen frei zu machen und damit eine ordnungsgemäße Wahl in Georgien unter internationaler Beobachtung mit nicht gefälschten und vollständigen Wählerlisten zu ermöglichen.
Und wieder geht es ums Öl
Die Ex-Sowjetrepublik Georgien ist geopolitisch wichtig, deshalb wetteifern die USA und Russland um Einfluss in dem nur fünf Millionen Menschen zählenden Staat am Schwarzen Meer. Die Vorgänge werden mit Sorge verfolgt, weil eine Pipeline durch das Land verlegt wird. Diese soll 2005 Öl für den westlichen Markt vom Kaspischen Meer in die Türkei leiten.
Quelle: ntv.de