Ökostrom aus Afrika? Nur Lippenbekenntnisse
12.03.2007, 13:37 UhrBundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Union in der Debatte über den Klimaschutz gemahnt, den Bekenntnissen auch Taten folgen zu lassen. "So lange die deutsche Bundeskanzlerin (Angela Merkel, CDU) mutig Klimaschutz betreibt, aber ihr eigener CSU-Wirtschaftsminister (Michael Glos) versucht, jedes Instrument und jede Maßnahme kaputtzumachen, so lange kommen wir nicht voran", sagte Gabriel der "Financial Times Deutschland". "Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit unseres gemeinsamen Regierungshandelns." CDU und CSU dürften der konkreten Umsetzung der beschlossenen Klimaziele nicht im Wege zu stehen.
EU-Umweltkommissar Stavros Dimas forderte derweil von den europäischen Bürgern mehr Unterstützung beim Klimaschutz. "Jeder Einzelne trägt zum Ausstoß von Treibhausgasen bei, und deshalb müssen wir alle bei der Lösung des Problems mitmachen", sagte Dimas der "Berliner Zeitung". "Wenn wir Energiesparlampen verwenden oder den Bereitschaftsmodus beim Fernseher ausschalten, können wir nicht nur den Schadstoffausstoß senken, sondern zudem Geld sparen."
Dietmar Oeliger vom Naturschutzbund Deutschland, NABU, fordert bei n-tv, dass Klimaschutz Priorität haben müsse. Man müsse alle Instrumente zur CO2-Senkung nutzen. "Dazu gehört auch ein Tempolimit, das ist ganz klar."
Auch nach Auffassung der Grünen im Europaparlament könnte ein solches Tempolimit einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung internationaler Klimaschutzabkommen leisten. Eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf 120 Stundenkilometer würde den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) um gut zwei Prozent verringern, sagte Verkehrsexperte Michael Cramer in Brüssel: "Das wäre immerhin schon die Hälfte von dem, was Deutschland noch zur Erfüllung des Kyoto-Reduktionsziels fehlt."
Appell an andere Länder
Dimas forderte andere Staaten und Weltregionen auf, bald ihre Vorstellungen vom langfristigen Klimaschutz zu konkretisieren. "Sie müssen nun rasch ihre Karten auf den Tisch legen", verlangte er in Anspielung auf die USA, Japan, China und Australien. "Der G8-Gipfel im Juni, den Kanzlerin Merkel leitet, könnte für Fortschritte dahin entscheidend sein."
Gabriel erwartet allerdings nicht, dass große Entwicklungsländer wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika bereits Reduktionsverpflichtungen für ihren Treibhausgasausstoßübernehmen werden. Vielmehr gehe es um die Frage, wie Wachstum und der Ausstoß von CO2 entkoppelt werden könnten. "Wir müssen zeigen, dass das möglich ist."
Der EU-Gipfel in Brüssel hatte in der vergangenen Woche unter Merkels Leitung beschlossen, bis 2020 den Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase im Vergleich zu 1990 um ein Fünftel zu senken. Der Anteil von Öko-Energien soll bis 2020 auf 20 Prozent steigen und damit praktisch verdreifacht werden.
Ökostrom aus Nordafrika
Nach Ansicht des Vorstandschefs des Energiekonzerns EnBW, Utz Claassen, könnte Ökostrom aus Nordafrika den Durchbruch zu einer klimafreundlichen Stromversorgung in Europa bringen. In der "Frankfurter Rundschau" kündigte er an, die Entwicklung der notwendigen Technik unterstützen zu wollen. Claassen sprach sich für eine "globale solare Energiewirtschaft" aus. Das Ziel müsse sein, "Solarenergie in der Sahara oder in der Kalahari zu gewinnen und in Stuttgart, Berlin, Tokio oder New York zu verbrauchen".
Claassen unterstützt damit als erster Chef eines großen deutschen Energiekonzerns offensiv das von Wissenschaftlern entwickelte Projekt eines Ökostrom-Verbundes zwischen Nordafrika und Europa. Es sieht vor, dass Hochspannungsleitungen Solar- und Windstrom aus Ländern wie Marokko, Ägypten oder Saudi-Arabien in die europäischen Netze liefern, wo er den Strom aus Kohle- und Atomkraftwerken Zug um Zug ersetzen könnte.
Kohlekraftwerke begrenzen
Die Deutsche Umwelthilfe fordert im Kampf gegen den Klimawandel eine befristete Laufzeit für neue Kohlekraftwerke. "Es ist nicht möglich, mit dieser CO2-Last das zu erfüllen, was die EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen haben", sagte Verbands-Geschäftsführer Rainer Baake am Montag in Berlin. In- und ausländische Stromversorger planten in den kommenden Jahren 26 Stein- und Braunkohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von bis zu 26.000 Megawatt zu errichten. Wenn die neuen Anlagen mehr klimaschädliches Kohlendioxid ausstießen als etwa moderne Gaskraftwerke, sollten ihre Laufzeit auf zehn Jahre begrenzt werden.
Quelle: ntv.de