Ein "lebender Toter" Nur noch Häme für Brown
06.06.2009, 12:57 UhrRücktrittswelle, Debakel bei der Kommunalwahl und dann auch noch die Abstimmung zur EU-Vertretung: Gordon Brown gerät immer mehr unter Druck. Die Presse überzieht den britischen Premier derweil mit Häme.
Der britische Premierminister Gordon Brown steht nach der Serie von Rücktritten in seinem Kabinett weiter unter Druck. Über das Wochenende wollten Rebellen in Browns Labour-Partei nach Medienberichten entscheiden, ob sie eine Revolte gegen den Premier weiter voranbringen. Unterdessen reist Brown zur Gedenkfeier zum 65. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie nach Frankreich.
Brown hatte allein am Freitag drei Rücktritte von Ministern sowie zwei von Staatssekretären zu verkraften. Dies zwang ihn auch, seine Kabinettsumbildung vorzuziehen. Insgesamt nahmen damit wegen der Spesenaffäre sechs Minister und vier Staatssekretäre ihren Hut. Der Premier lehnte jedoch trotz der chaotischen Zustände einen Rücktritt oder Neuwahlen ab.
Zugleich fuhr seine Labour-Partei bei den Kommunalwahlen mit 23 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte ein und verlor alle ihrer verbliebenen Bezirke in England, darunter traditionelle Labour-Hochburgen. Gewinner der Kommunalwahl waren die konservativen Tories, die auf 38 Prozent kamen. Für Sonntagabend rüstet sich die Regierung für weitere schlechte Nachrichten, wenn die Ergebnisse der Europawahl bekanntgegeben werden.
"Wie ein verletzter Stier"
Die britische Presse überzog den schwer angeschlagenen Brown mit Häme. Brown sei "wie ein verletzter Stier, stolz und trotzig, der aber nicht weiß, dass ihm ein Schwert tief zwischen den Schultern steckt", schrieb die Boulevard-Zeitung "Sun". Der Regierungschef sei wie ein "lebender Toter".
Die konservative "Times" bezeichnete die Kabinettsumbildung als "Selbstmordakt", der gezeigt habe, dass die Regierung gelähmt sei und einen geschwächten Premierminister an ihrer Spitze habe. Brown hatte nach einer Serie von Ministerrücktritten am Freitag sein Kabinett umgebildet.
"Am Ende der schlimmsten Woche seines politischen Lebens steht Gordon Brown zwar noch - die Frage ist nur, ob er noch regieren kann", schreibt die "Financial Times". Ihm sei es nicht gelungen, sich durch die Umbildung wieder Autorität zu verschaffen. Er solle zeigen, dass er in seiner Partei über eine Mehrheit verfügt oder zurücktreten und den Weg für Neuwahlen freimachen, schreibt das Blatt. Sogar der der Labour-Party nahestehende "Daily Mirror" zog eine düstere Bilanz. Brown müsse einen "Berg erklimmen", um die Wähler zu überzeugen, dass die Partei es noch wert sei, gewählt zu werden.
Jetzt auch noch Sexismus-Vorwürfe
Unterdessen sah sich Brown auch mit Sexismus-Vorwürfen konfrontiert. Europa-Staatssekretärin Caroline Flint hatte am Freitag ihr Amt niedergelegt und den Premier in einem offenen Brief beschuldigt, Frauen in der Regierung nur als "Schaufensterdekoration" zu nutzen. Minister und Abgeordnete wiesen diese Vorwürfe jedoch zurück.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa