Politik

Union-Blockade trifft die Kleinsten OECD gibt Schmidt Recht

Bundesfamilienministerin Renate Schmidt ist obenauf. Die Unionsländer hatten noch vor Wochenbeginn im Bundesrat ihren ehrgeizigen Plänen zum Ausbau der Kleinkinderbetreuung eine Abfuhr erteilt und ihr Gesetzesvorhaben gestoppt. Nun bescheinigt die OECD-Expertengruppe der Ministerin, dass sie mit ihrer Politik exakt auf dem richtigen Weg sei. Deutschland brauche dringend mehr und bessere Kindergärten -insbesondere für die ganz Kleinen.

Der in Fachkreisen „Baby-“ oder „Kindergarten-PISA“ genannte Report der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung listet dabei vor allem die eklatante Mangelsituation bei der Betreuung in den alten Bundesländern auf: Während es im Osten in Folge der DDR-Tradition für 37 Prozent der unter 3-Jährigen Betreuungsangebote gibt, gilt dies im Westen gerade mal für 2,7 Prozent der Kleinkinder.

Als Ursache dafür sieht das OECD-Team um den britischen Forscher Peter Moss vor allem das in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft lang gehegte Familienbild von der nicht berufstätigen Mutter am Herd, die sich um die kleinen Kinder zu kümmern habe. Erst 1996 - mit der Neuregelung des Abtreibungsparagrafen 218 - wurde vom Bundestag ein Kindergarten-Rechtsanspruch für die über 3-Jährigen beschlossen. Inzwischen gibt es im alten Bundesgebiet für 88 Prozent der 3-bis 6-Jährigen Kindergartenplätze. Doch immer mehr Familien wollen heute auch schon in der Kleinkindphase Beruf und Familie verbinden.

Als Konsequenz fordern die OECD-Experten nunmehr „peu a peu“ die Ausweitung dieses Rechtsanspruches auf alle Kinder ab 12 Monate. Schmidt will angesichts der leeren öffentlichen Kassen die Kommunen nicht über Gebühr strapazieren und spricht deshalb in ihrem Gesetz bei den Kleinsten nur von einem „bedarfsgerechten Ausbau“ bis 2010.

Doch mahnend verweisen die Forscher darauf, dass es der deutschen Schule bisher nicht gelungen ist, die sozialen Benachteilungen von Unterschicht-oder Migrantenkindern auszugleichen. Mehr frühere Förderung im Kindergarten sei deshalb unverzichtbar. Erwogen wird dabei auch eine Art Kindergarten-Pflicht. Denn der Bericht belegt auch, dass gerade diejenigen Kinder, die die Förderung besonders nötig hätten, von ihren Eltern nicht zum Kindergarten geschickt werden. Aus der niedrigsten Einkommengruppe (500 bis 900 Euro pro Monat) besuchen nur 64 Prozent der Kinder einen Hort.

Fasziniert zeigen sich die OECD-Forscher von der in der deutschen Kindergarten-Pädagogik propagierten „ganzheitlichen Verbindung von Bildung, Betreuung und Erziehung“, die inzwischen weltweit Vorbild sei. Doch dabei ist - zumindest was die Umsetzung in die Praxis angeht - in Deutschland auch Vorsicht angesagt. Erst unter dem Schock des schlechten deutschen Abschneidens bei der ersten PISA-Schulstudie hatten sich die Kultus- und Jugendminister der Länder in diesem Jahr auf ein Rahmenkonzept für Bildungsziele im Kindergarten verständigt.

Eindringlich fordern die Forscher den Bund auf, bei der Kinderbetreuung gegenüber den Ländern weiter die Rolle des Antreibers und Kontrolleurs zu übernehmen und auch auf gute Qualitätsstandards zu achten. Zumindest politisch heißt das für Renate Schmidt Wasser auf die Mühlen. Denn SPD und Grüne können zwar am 17. Dezember im Bundestag den Einspruch des Bundesrates gegen das Ausbaugesetz mit ihrer Kanzlermehrheit zurückweisen. Doch die Unionsländer haben mit ihrem Veto in der Länderkammer zugleich die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes festgestellt. Dies könnte auf eine anschließende langwierige Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hindeuten.

Quelle: ntv.de

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