"Migration ist kein Wasserhahn" OECD warnt vor Abschottung
30.06.2009, 15:39 Uhr
Ein irakischer Flüchtling, der schon seit einigen Jahren in Deutschland lebt, begrüßt in einem Übergangswohnheim in München seine Tante, die er seit 13 Jahren nicht mehr gesehen hat.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die OECD warnt angesichts der Wirtschaftskrise vor einer "Abschottung gegen Migranten" und fordert eine "verantwortliche Rekrutierungspolitik" der Industriestaaten. "Migration funktioniert nicht wie der Wasserhahn, der sich nach Belieben auf- und zudrehen lässt", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría in Paris. Die Zuwanderungspolitik müsse "den kurzfristigen konjunkturellen Bedingungen Rechnung" tragen, "ohne die strukturellen Bedürfnisse auszublenden".
Zuwanderung als Lösung
Ab 2015 werden in den Industrieländern mehr Menschen in den Ruhestand gehen, als Arbeitskräfte nachwachsen, schreibt die OECD in ihrem neuen Migrationsbericht. Ein Teil der Lösung liege in der Zuwanderung. Aktuell bremst die Krise allerdings die Wanderströme. "In Großbritannien und Irland ist die Zuwanderung aus den neuen EU-Staaten um mehr als die Hälfte eingebrochen", schreibt die OECD.
"Gleichzeitig sind Migranten und ihre Familien in den OECD-Ländern besonders stark von der Krise betroffen." Denn sie arbeiten oft in krisenanfälligen Branchen wie dem Bau oder dem Gastgewerbe und haben oft unsichere Arbeitsverhältnisse.
Zuwanderer als erste arbeitslos

Lehrerin Kathrin Dehlan gibt in der Wedding-Grundschule im Berliner Stadtteil Mitte vor Frauen mit Migrationshintergrund einen "Mütterkurs". Über das Lernen der Sprache sollen ausländische Eltern mit dem Umfeld ihrer Kinder in Kontakt kommen.
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"Politiker sollten angesichts dieser Herausforderungen die Arbeitsmarktintegration von Migranten zu einer Priorität machen", sagte Gurría. In Spanien waren zuletzt mehr als 27 Prozent der Zuwanderer arbeitslos; bei der übrigen Bevölkerung lag die Quote bei 15,2 Prozent.
"In Deutschland gehörten Migranten schon vor der Krise zu den benachteiligten Gruppen", erklärt die OECD. "So lag die Arbeitslosenquote für Migranten im Jahr 2007 knapp doppelt so hoch wie bei im Inland geborenen." In Österreich und der Schweiz sei die Quote sogar mehr als doppelt so hoch wie bei den Einheimischen.
Rückkehr-Programme funktionieren nicht
Tschechien, Japan und Spanien versuchen bereits durch spezielle Angebote, Migranten zur Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu bewegen. "Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen jedoch, dass solche Programme meist nur geringe Wirkung zeigen", meint die OECD. Sie schlägt Maßnahmen vor, "um Arbeitsmigration an den langfristigen Bedarf anzupassen und gleichzeitig irreguläre Migration und illegale Beschäftigung in legale Kanäle zu überführen". Migrationspolitik müsse in guten wie in schlechten Zeiten funktionieren.
Quelle: ntv.de, dpa