Ein Presseplatz wird neu vergeben OLG räumt Verlosungsfehler ein
30.04.2013, 18:09 Uhr
Gerichtssprecherin Andrea Titz hat einiges auszubaden.
(Foto: dpa)
Auch im zweiten Versuch schafft es das Münchner Gericht nicht, die Plätze für Journalisten korrekt zu vergeben. Eine erste Klage geht beim Bundesverfassungsgericht ein. Eine Sprecherin bezeichnet die Fehler als "bedauerlich", ein Platz wird nun neu ausgelost.
Das Oberlandesgericht München hat Pannen bei der Auslosung der Presseplätze für den NSU-Prozess eingeräumt. Die ARD hatte berichtet, dass nicht zulässige Bewerbungen berücksichtigt wurden. So landete die Bewerbung des MDR-Hörfunks im Korb für Fernsehsender.
Außerdem wurde ein freier WDR-Mitarbeiter gezogen, der sich eigentlich gar nicht hätte bewerben dürfen. Freie Journalisten durften sich nur bewerben, wenn ihre Redaktion keinen Platz anstrebte. Der Mitarbeiter zog den Akkreditierungsantrag zurück, doch seine Bewerbung blieb trotzdem im Loskorb – und wurde dann auch noch gezogen. Der WDR-Mitarbeiter will nun auf seinen Platz verzichten. Den Platz vergibt das Gericht am Donnerstag oder Freitag neu. Auch ein freier BR-Mitarbeiter war im Lostopf, wurde aber nicht gezogen.
Die Sprecherin des OLG München räumte die Missgeschicke ein: "Wir haben das nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt", sagte Andrea Titz im BR. "Und diese beiden Fehler, die aufgetreten sind, sind bedauerlich."
Unabhängig von diesen Problemen gibt es eine Beschwerde des freien Journalisten Martin Lejeune beim Bundesverfassungsgericht. Er hatte im ersten Akkreditierungsverfahren einen Platz bekommen, beim zweiten aber nicht. Lejeune argumentiert, dass "den im vorigen Vergabeverfahren erfolgreichen Journalisten der Platz nicht einfach wieder weggenommen werden" dürfe. Außerdem seien freie Journalisten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das Verfassungsgericht hatte allerdings ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, dass das OLG die Presseplätze komplett neu vergibt.
Die Rechtsanwältin Angelika Lex – sie vertritt die Witwe eines NSU-Mordopfers als Nebenklägerin – befürchtet wegen der Unklarheiten eine erneute Prozessverschiebung. "Ich finde es sehr bedauerlich, dass wir wieder Unsicherheit haben, ob das Verfahren tatsächlich am nächsten Montag beginnen kann", sagte Lex dem BR.
Auch Zeitungen, die nun keinen Platz haben, hatten rechtliche Schritte erwogen. Dazu zählen "Die Zeit", "Die Welt", der "Tagesspiegel" und die "tageszeitung" (taz). "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sagte aber dem BR, jede Klage würde den Prozessbeginn weiter verzögern. "Wir werden darauf verzichten, weil es ein viel höheres Gut gibt als unsere eigene Zufriedenheit, nämlich dass die Angehörigen der Mordopfer endlich ihrem Verfahren beiwohnen können."
Medien tauschen untereinander
Der Chefredakteur der "Welt"-Gruppe, Jan-Eric Peters, teilte mit, eine spätere Klage sei "wegen des Präzedenz-Charakters" keineswegs ausgeschlossen. "Das Auswahlverfahren des Münchner Gerichts hat gravierende Mängel mit absurden Folgen offenbart, die uns bei einer Klage gute Chancen eröffnen." Die "Tagesspiegel"-Chefredakteure Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt erklärten, dass sie eine Klage erwägen. Das Losverfahren sei unnötig, sein Ergebnis lächerlich.
Das Tauschen von Plätzen ist, anders als bei der ersten Vergabe, erlaubt. Die dpa-Gruppe etwa stellt einen der ihr zugelosten Plätze den Nachrichtenagenturen Agence France-Presse (AFP) und Thomson Reuters für eine gemeinsame Poolberichterstattung zur Verfügung. Die Online-Redaktion der Frauenzeitschrift "Brigitte" will ihren Platz verlagsintern mit dem Magazin "Stern" teilen. Die Zeitungsgruppe "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung" tritt ihren Platz an die Nachrichtenagentur AP ab.
Im NSU-Prozess geht es um die mutmaßliche Beteiligung von Beate Zschäpe an den Morden der Terrorzelle "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU). Angeklagt sind außerdem vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer. Verhandlungsbeginn soll am 6. Mai sein.
Zunächst waren zu den Verhandlungen keine türkischen Medien zugelassen worden, obwohl acht von zehn Mordopfern des NSU aus der Türkei stammten. Das Bundesverfassungsgericht hatte darum eine Neuverteilung angeordnet. Das OLG verloste daraufhin die 50 Medienplätze am Montag, die Ziehung nahm ein Notar vor.
Quelle: ntv.de, che/dpa