Politik

"Hoffnung - nicht Furcht" Obama fordert Neubeginn

Die Vereinigten Staaten von Amerika melden sich auf der Weltbühne als Garant für Frieden, Freiheit und Wohlstand zurück: Unter dem Jubel Hunderttausender Amerikaner hat der neue US-Präsident Barack Obama seine Mitbürger aufgerufen, sich für einen umfassenden Neuanfang und ein besseres Ansehen im Ausland einzusetzen.

"Mit dem heutigen Tag müssen wir uns aufraffen, den Staub abschütteln und damit beginnen, Amerika neu zu schaffen", forderte der 47-Jährige in der Antrittsrede nach seiner Vereidigung zum 44. Präsidenten der USA. Der erste schwarze Präsident will den Führungsanspruch der Supermacht erneuern und die größte Volkswirtschaft der Erde aus der Krise führen. 150 Jahre nach dem Ende der Sklaverei markiert der Amtsantritt einen historischen Wandel.

Obama kündigte ein entschiedenes Vorgehen gegen die schwere Wirtschaftskrise an, die das Land seit Monaten fest im Griff hat. Von der außenpolitischen Linie seines Vorgängers George W. Bush, der Verbündete oft mit Alleingängen vor den Kopf gestoßen hatte, setzte er sich ab. An das Ausland gerichtet sagte Obama nach seiner Vereidigung als 44. Präsident in Washington: "Amerika ist ein Freund jeder Nation und jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes, die eine Zukunft in Frieden und Würde anstreben." Gleichwohl betonte er den Anspruch auf die Vorreiterrolle der USA in der Welt. "Wir sind einmal mehr bereit, die Führung zu übernehmen."

Historischer Augenblick

Wenige Augenblicke zuvor schrieb er auf den Stufen des Kapitols bei strahlendem Sonnenschein Geschichte: Als erster Schwarzer legte er den Amtseid ab. Dabei geriet er leicht ins Stocken - doch der guten Stimmung tat dies keinen Abbruch. Laute "Obama"-Sprechchöre hallten ihm vom Washington Mall entgegen, jenem gut drei Kilometer langen Park, der sich bis zum Lincoln Memorial erstreckt und bis zum Bersten mit Anhängern des neuen Präsidenten gefüllt war, die seit Tagen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt geströmt waren. Trotz eisiger Temperaturen hatten sie unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen seit den frühen Morgenstunden ausgeharrt, um diesen Moment mitzuerleben, auf den die Soulsängerin Aretha Franklin einstimmte und der weltweit von Millionen Menschen live an den Fernsehschirmen verfolgt wurde.

"Wir werden handeln"

Obama sog die Begeisterung mit einem breiten Lächeln im Beisein seiner Frau und seiner beiden Töchter sowie viel Prominenz auf, darunter Ex-Präsidenten wie Jimmy Carter und Bill Clinton. Dann folgte seine mit Spannung erwartete Rede, in der er keinen Hehl aus dem schweren Erbe machte, das ihm Bush hinterlässt. Die Herausforderungen seien "ernst und viele". Sie gingen auf Gier und Verantwortungslosigkeit zurück und ließen sich nicht rasch lösen. "Aber Amerika sei versichert: Sie werden gelöst", rief er. Die Wirtschaftslage erfordere kühnes und rasches Handeln: "Und wir werden handeln."

Die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten ist zweifelsohne das dringendste Problem, das Obama zu Beginn seiner Amtszeit angehen muss. Das Defizit ist auf ein Rekordniveau geklettert, elf Millionen Menschen sind arbeitslos, Tendenz vermutlich steigend. Dennoch scheinen die meisten Amerikaner überzeugt, dass Obamas Regierung für bessere Zeiten sorgen wird. Kein Präsident hat je sein Amt mit einem größeren Vertrauensvorschuss angetreten, während Bush kaum jemand eine Träne nachweinen dürfte. Doch bei allem Optimismus - die Wall Street tendierte tief im Minus.

Vielfalt als Chance

Schonungslos stimmte Obama die amerikanische Nation auf einen schmerzlichen Wandel ein. Auf den Stufen des Kapitols beschwor er vor Millionen jubelnder Menschen die Einheit Amerikas. Das Land müsse stolz sein auf seine verschiedenen Kulturen. "Wir wissen, dass unser zusammengewürfeltes Patchwork-Erbe eine Stärke ist, keine Schwäche. Wir sind eine Nation von Christen und Muslimen, Juden und Hindus - und Nicht-Gläubigen", sagte er. "Wir sind geprägt durch jede Sprache und Kultur aus jedem Winkel dieser Erde."

Er erinnerte seine Landsleute an die historische Dimension, die seine Wahl bedeute. Sein in Kenia geborener Vater wäre vor weniger als 60 Jahren wegen der Rassentrennung in einem amerikanischen Restaurant wohl nicht bedient worden, sagte Obama. Nun habe dessen Sohn den Eid für das Amt des Präsidenten abgelegt.

"Hoffnung statt Angst"

Obama appellierte an den Durchhaltewillen und den Gemeinsinn der Amerikaner: "An diesem Tag sind wir hier, weil wir die Hoffnung über Furcht gewählt haben, Einigkeit in unseren Zielen anstelle von Konflikt und Zwietracht." Als erste Amtshandlung unterzeichnete er eine Proklamation für einen Nationalen Tag der Erneuerung und Versöhnung. Darin rief er die Amerikaner auf, füreinander da zu sein.

Den Muslimen reichte er in seiner Rede symbolisch die Hand. "Wir suchen einen neuen Weg, der auf gegenseitigem Interesse und Respekt beruht." Diejenigen, die sich dem Terrorismus verschrieben, warnte er: "Ihr könnt uns nicht überdauern und wir werden Euch besiegen." Amerika werde sich nicht für seinen "Way of Life" entschuldigen und mit dessen Verteidigung nicht zögern. Mit Blick auf den Irak versicherte Obama, die Truppen verantwortungsvoll abzuziehen. In Afghanistan wolle er sich für Frieden einsetzen.

Die "Nation sei im Krieg gegen ein weitreichendes Netzwerk von Hass und Gewalt", betonte Obama. Die Wirtschaft sei geschwächt, als Folge von Gier und Verantwortungslosigkeit einiger weniger, "aber auch wegen unseres kollektiven Versagens, harte Entscheidungen zu treffen und das Land auf ein neues Zeitalter vorzubereiten".

Quelle: ntv.de

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