Guantnamo-Häftlinge Obama heizt Debatte an
22.01.2009, 12:08 UhrUS-Präsident Barack Obama hat mit seinen Verfügungen zur Schließung des Gefangenenlagers Guantnamo die innenpolitische Debatte in Deutschland über eine Aufnahme ehemaliger Häftlinge wieder angefacht. Widerstand gegen eine Aufnahme entlassener Häftlinge in Deutschland gibt es aus den Reihen der CDU/CSU, besonders von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Dagegen drängen SPD-Politiker, Deutschland müsse "humanitäre Mitverantwortung übernehmen". Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte sich grundsätzlich offen für die Aufnahme von Häftlingen aus dem US-Gefangenenlager gezeigt.
Streit zwischen Union und SPD
Wie zuvor schon Bundesinnenminister Schäuble warnte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), vor einem Aufnahmeangebot. "Die USA stehen in der Verantwortung für die Beendigung von Guantnamo", sagte Röttgen der "Berliner Zeitung". "Sie haben dieses Gefängnis errichtet, sie müssen jetzt auch die Konsequenzen tragen." Wenn die USA Wünsche äußerten, "wird man mit ihnen reden, vorauseilende Angebote machen wir nicht", fügte Röttgen hinzu. Unterstützung erhielt Schäuble auch aus Bayern und Niedersachsen. "Die Verantwortung liegt klar bei den USA", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in München. Niedersachsen werde keine ehemaligen Guantnamo-Häftlinge aufnehmen, sagte dessen Kollege Uwe Schünemann (CDU) der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) warnte hingegen davor, die Aufnahme von Guantnamo-Häftlingen von vornherein auszuschließen. "Eines ist für mich klar: Eine Schließung darf am Ende nicht daran scheitern, dass sich womöglich für einzelne Gefangene kein Aufnahmeort findet", sagte Zypries dem "Hamburger Abendblatt". Die Ministerin erinnerte daran, dass die Bundesregierung sich seit Jahren für die Schließung des Lagers in Guantnamo eingesetzt habe. "Sollten die USA die Unterstützung befreundeter Staaten wie Deutschland suchen, wird sicher der Außenminister ihr erster Gesprächspartner sein", sagte Zypries.
Schäuble sagte dagegen der "Frankfurter Rundschau", er kenne keinen Grund, warum jemand, der zu gefährlich für Amerika sei, von einem EU-Land aufgenommen werden sollte. Gegen Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) fügte er hinzu: "Der Außenminister ist der Außenminister. Zuständig sind die Innenminister von Bund und Ländern."
Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy, sprach sich dafür aus, erst einmal die Anfrage der US-Regierung abzuwarten und dann Einzelfallprüfungen vorzunehmen. "Wir wollen und wir werden keine gefährlichen Personen aufnehmen in Deutschland", versicherte der SPD-Innenexperte bei n-.tv. "Und auch die europäischen Partner werden das nicht wollen." Tatsächlich "objektiv unschuldigen Personen" müsse eine "Bleibe-Perspektive" eröffnet werden. "Das heißt, sie müssen dann ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht haben in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union."
"Humanitäre Geste" notwendig
Mit Blick auf den Parteienstreit dringt der Rechtsanwalt des ehemaligen Guantnamo-Häftlings Murat Kurnaz, Bernhard Docke, auf eine "humanitäre Geste". Docke erinnerte im RBB daran, dass Deutschland im Fall seines Mandanten Kurnaz über viele Jahre die Chance versäumt habe, ihn aus Guantnamo frühzeitig freizubekommen. "Von da her gibt es Grund genug, dass Deutschland mit anderen europäischen Ländern sagt: 'Ok, wir verstehen das als einen Akt der Humanität, wir helfen den USA, Guantnamo aufzulösen'."
Der UN-Berichterstatter für Folter, Manfred Nowak, riet im Bayerischen Rundfunk "allen Ländern der Welt", entlassene Guantnamo-Häftlinge aufzunehmen. Nach Portugal und Frankreich erklärten sich auch die Schweiz und Irland dazu bereit. Die Bundesregierung will sich die Entscheidung offenhalten und abwarten, ob die USA überhaupt um eine Aufnahme von Ex-Gefangenen bitten. Deutschland wolle sich wie andere Staaten die Vorstellungen Obamas anhören, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. "Ob sich dann ein Handlungsbedarf auf europäischer oder nationaler Ebene ergibt, werden wir davon abhängig machen, wie diese Überlegungen aus den Vereinigten Staaten aussehen."
Vom Lager ins Lager
Angesichts der angekündigten Schließung des Guantnamo-Lagers baut der Jemen inzwischen ein neues Lager für freigelassene Häftlinge. Wie die staatliche Zeitung "26. September" unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, wird das Aufnahmelager Platz für mehr als 100 Heimkehrer aus Guantnamo bieten. In dem "Rehabilitationszentrum" sollen sie "erbauliche Schulungen zur Mäßigung erhalten, damit sie sich von Extremismus und Terrorismus fernhalten", berichtete die Zeitung. Auch die Familien der freigelassenen jemenitischen Guantnamo-Häftlinge sollen dort untergebracht werden.
Rund 100 der knapp 250 Gefangenen in Guantnamo sind Jemeniten. Lediglich 13 der jemenitischen Häftlinge haben das Lager seit seiner Eröffnung 2002 wieder verlassen. Darunter sind fünf, die später in ihrer Heimat auf freien Fuß gesetzt wurden. Die anderen wurden wegen Urkundenfälschung vor Gericht gestellt. Wegen Terrorismus wurde jedoch keiner von ihnen angeklagt.
Erst im vergangenen November war Salim Ahmed Hamdan (40), der ehemalige Fahrer von Terroristenführer Osama bin Laden, an den Jemen ausgeliefert worden. Nachdem er dort sechs Wochen in einem Geheimdienstgefängnis festgehalten worden war, kam er frei. Hamdan war im August 2008 von der Militärjury eines Sondergerichts in Guantnamo zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die Anklage hatte dem aus dem Jemen stammenden Mann vorgeworfen, Bin Laden geholfen zu haben, der Verfolgung durch US-Spezialfahnder zu entkommen. Hamdan war Ende 2001 in Afghanistan gefasst worden.
Quelle: ntv.de