Drastische Reduzierung Obama möchte Atom-Abrüstung vorantreiben
19.06.2013, 12:43 Uhr
Eine B53-Bombe: Diese stärkste aller amerikanischen Kernwaffen wurde 2011 endgültig aus dem Arsenal der US-Army entfernt.
(Foto: REUTERS)
Bei seiner Rede vor dem Brandenburger Tor will US-Präsident Obama neue Vorschläge zur weltweiten atomaren Abrüstung vorlegen. Als ehemaliges Zentrum des Ost-West-Konfliktes stellt Berlin dafür eine ausgezeichnete Kulisse dar. Fraglich ist jedoch, ob Russland an einer weiteren Schwächung seines Militärpotentials Interesse hat.
US-Präsident Barack Obama wird sich nach Auskunft eines ranghohen amerikanischen Regierungsvertreters in Berlin für eine neue Runde nuklearer Abrüstung stark machen. In einer groß angelegten außenpolitischen Rede werde Obama trotz der wachsenden Spannungen zu Russland über den syrischen Bürgerkrieg dafür plädieren, dass die USA und Russland ihre Atomwaffen-Arsenale um bis zu ein Drittel kürzen.
Damit würden beide Großmächte über die im Jahr 2010 vereinbarten Abrüstungsziele des sogenannten neuen Start-Vertrags zur Verringerung strategischer Waffen hinausgehen, könnten aber trotzdem ihre notwendige Abschreckungswirkung beibehalten, heißt es. Eine Abrüstung der atomaren Sprengköpfe um ein Drittel würde bedeuten, dass deren Zahl auf 1.000 bis 1.100 sänke. Das jüngste russisch-amerikanische Abrüstungsabkommen Start sieht dagegen nur eine Reduzierung der Arsenale auf 1.550 Sprengköpfe vor.
Der frühere Chef des Strategischen Kommandos der USA, General James Cartwright, hatte schon früher argumentiert, 900 atomare Gefechtsköpfe reichten den USA zur Abschreckung aus. Er bezog sich damit auch auf die einsatzbereiten und die gelagerten Waffen, während in den Verträgen meist nur von einsatzbereiten Sprengköpfen die Rede ist. Rückendeckung erhielt er vom Rüstungskontrollverband Arms Control Association. "Zur Abschreckung brauchen wir nur eine Atomstreitmacht mit einigen hundert einsatzbereiten Waffen, nicht Tausende davon", sagte auch dessen Leiter Daryl Kimball bereits vor einem Jahr.
"Von Positionen des Kalten Krieges entfernen"
Der US-Präsident hatte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin schon am Rande des G-8-Gipfels in Nordirland angekündigt, eine neue Abrüstungsrunde starten zu wollen, berichtet der hochrangige US-Regierungsvertreter. "Unsere Hoffnung und Erwartung wäre, dass wir in den kommenden Wochen oder Monaten die Leute zusammentrommeln können, um diese Unterhaltung anzustoßen", sagt der Insider. Einen genauen Zeitrahmen gebe es aber noch nicht.
In der anstehenden Berliner Rede wird Obama den konkretesten Vorschlag zur atomaren Abrüstung seit dem Start-Abrüstungsvertrag von 2010 machen. Die jahrzehntelang geteilte Stadt steht wie kein anderer Ort für die Konfrontation zwischen den westlichen Staaten und dem Ostblock unter Führung der Sowjetunion. "Ziel der USA ist es, in Verhandlungen mit Russland Kürzungen zu erreichen, damit wir uns weiter von den Positionen des Kalten Krieges entfernen können", sagte der US-Regierungsvertreter weiter. Auf offene Ohren dürfte er damit zumindest bei Außenminister Guido Westerwelle stoßen, der seit langem für den Abzug der verbliebenen US-Atomwaffen aus Deutschland wirbt.
Russland nicht an weiterer Abrüstung interessiert
Dem US-Präsidenten ist es seit langem ein Anliegen, die weltweiten Atomwaffen-Arsenale herunterzufahren. Im Jahr 2009 sorgte er bei einer Rede in Prag mit seiner Vision von "Global Zero", also der kompletten und weltweiten atomaren Abrüstung, für internationales Aufsehen. In den vergangenen Jahren geriet das Vorhaben aber ins Stocken. Den Start-Vertrag bekam er damals wegen großer Bedenken des US-Kongresses nur mit Mühe ratifiziert.
Wie Russland auf den Vorstoß reagieren wird, war noch nicht absehbar. Allerdings gehen Experten davon aus, dass Russland den Vorschlägen nicht folgen wird. "In Russland sind diese Überlegungen absolut unakzeptabel, niemand denkt darüber ernsthaft nach", sagte der russische Außenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow. Der Vorstoß werde als reiner Populismus angesehen. Atomwaffen würden als Garant für die Sicherheit Russlands angesehen, sagte er weiter. Moskau treibt die Sorge um, dass es dem Westen bei den konventionellen Waffen nicht mehr das Wasser reichen kann. Außerdem ist das Land beunruhigt über die Pläne der Nato für ein Raketenschild in Europa. Vor einem Monat hatte zudem der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow bei einer Konferenz signalisiert, Russland sei an neuen Verhandlungen über nukleare Abrüstung nicht interessiert.
Ein derartiges Abkommen hätte jedoch nach Einschätzung von Experten einen Nutzen über die Symbolpolitik hinaus. Immerhin besitzen beide Staaten zusammen nach Angaben der Arms Control Association immer noch mehr als 95 Prozent der Atomwaffen weltweit. Die Gefahr, dass die USA oder Russland strategische Atomwaffen einsetzten, gilt zwar als gering. Bei Staaten wie Nordkorea, Iran oder Pakistan, die angeblich nach Atomwaffen streben oder sie besitzen, gilt das Risiko eines Einsatzes - und sei es als Verzweiflungstat - dagegen als deutlich höher. Experten hoffen nun darauf, dass vielleicht auch sie sich durch die neue Initiative Obamas vom Abrüstungsgedanken mitziehen lassen.
Quelle: ntv.de, Reuters/DJ