Militärischer Schlag gegen Syrien Obama wartet auf Zustimmung vom Kongress
01.09.2013, 03:59 Uhr
Obama und sein Vize Joe Biden verkünden, dass ein militärischer Schlag gegen Syrien bald bevorsteht.
(Foto: dpa)
Die Entscheidung ist gefallen: US-Präsident Obama will militärisch gegen das brutale syrische Regime vorgehen. Doch ein Angriff wird nicht unmittelbar erfolgen - er will zuvor den Kongress befragen. Dessen Mitglieder kommen erst ab dem 9. September zusammen. Schnelle Luftangriffe gegen Syrien sind damit vom Tisch.
Nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien hat US-Präsident Barack Obama eine Entscheidung für eine Militäraktion gegen die Führung in Damaskus getroffen. Obama nannte in seiner Erklärung im Rosengarten des Weißen Hauses aber keinen genauen Zeitpunkt. Der Präsident kündigte an, den Kongress um Zustimmung für einen Militäreinsatz zu bitten. Wie der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, mitteilte, wird der US-Kongress ab dem 9. September über einen Militärschlag gegen Syrien beraten.
"Nach sorgfältiger Überlegung habe ich entschieden, dass die Vereinigten Staaten militärisch gegen Ziele des syrischen Regimes vorgehen sollten", sagte Obama. "Ich bin bereit, den Befehl zu geben", sagte Obama im Rosengarten des Weißen Hauses in Washington. Das Land sei aber stärker, wenn die Entscheidung vom Kongress getragen werde. "Wir müssen diese Debatte führen." Es stehe zu viel auf dem Spiel.
Obama: Streitkräfte bereit
Obama erklärte in seinem Statement ferner, dass die US-Streitkräfte für einen Militärschlag bereit seien, "wann immer wir es uns aussuchen". Die Zeit dränge aber nicht. Obama sagte, er könne die Mission "morgen oder nächste Woche oder in einem Monat" anordnen. Der Präsident schloss einen Einsatz von Bodentruppen erneut aus. Der Einsatz in Syrien wäre zeitlich und in seinem Ausmaß "begrenzt".
Die Regierung von Syriens Machthaber Baschar al-Assad habe mehr als 1000 Menschen mit Giftgas umgebracht. Mit einer militärischen Antwort wolle man dem Assad-Regime die Fähigkeit nehmen, weitere Giftgasangriffe durchzuführen, so Obama. Auch solle die Verbreitung von Chemiewaffen verhindert werden. Der Präsident betonte, dass die nationale Sicherheit auf dem Spiel stehe.
Mehrere hundert Menschen demonstrierten vor dem Weißen Haus in Washington gegen einen Militäreinsatz in Syrien. Mit lauten Sprechchören sowie gelben Schildern und Plakaten forderten sie die US-Regierung auf, von einem Angriff auf das arabische Land abzusehen. Zu den Slogans gehörten "Kein Krieg in Syrien", "Hände weg von Syrien" oder "Irak, Libyen, Syrien - endloser Krieg für ein Imperium".
Der Bericht des UN-Expertenteams über den mutmaßlichen Einsatz von Giftgas in Syrien soll in spätestens drei Wochen vorliegen. Das teilte die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) in Den Haag mit. "Es wird jede Anstrengung gemacht, den Prozess zu beschleunigen", heißt es in der Mitteilung. Das Team aus neun Experten von der OPCW und drei Mitarbeitern der Weltgesundheitsorganisation WHO habe Krankenhäuser besucht sowie Ärzte und mögliche Opfer interviewt. Die Inspekteure hätten Bodenproben gesammelt sowie Proben bei möglichen Opfern entnommen. Der Bericht soll UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vorgelegt werden.
Putin will Beweise sehen
Russlands Präsident Wladimir Putin forderte Washington auf, die Giftgas-Vorwürfe an das Regime in Syrien mit konkreten Beweisen zu belegen. Die derzeit gegen Damaskus erhobenen Anschuldigungen seinen "absoluter Unfug", sagte der russische Präsident der Agentur Interfax zufolge. "Es entspricht doch keiner Logik, dass die syrische Armee Giftgas an einem Tag einsetzt, an dem UN-Beobachter ins Land kommen", sagte Putin in der Stadt Wladiwostok am Pazifik.
"Ich bin überzeugt, dass es eine Provokation ist, um andere Länder in den Konflikt hineinzuziehen", betonte der Staatschef. Er sprach sich dafür aus, beim G20-Gipfel mit US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel in St. Petersburg am 5./6. September auch über Syrien zu diskutieren. "Es ist nicht der Weltsicherheitsrat, aber ein guter Ort für das Problem", sagte Putin. Russland gilt als enger Verbündeter Syriens.
Die USA sollten ihre Giftgas-Beweise unverzüglich den UN-Inspekteuren und dem UN-Sicherheitsrat vorlegen. "Wenn sie keine vorzeigen, heißt das, sie haben keine", sagte Putin. Kein Land dürfe einen souveränen Staat auf der Grundlage abgehörter Telefongespräche angreifen, "die nichts belegen", unterstrich der Kremlchef.
Moskau stoppt Waffenlieferungen
Zuvor hatte Russland seine Waffenlieferungen an Syrien allerdings Medienberichten zufolge gestoppt - angeblich, weil das Regime in Damaskus Rechnungen nicht bezahlt. Nach dem Eingang der ersten Raten habe die Assad-Administration die Zahlungen unvermittelt ausgesetzt, sagte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter des staatlichen Rüstungskonzerns Rosoboronexport der russischen Tageszeitung "Kommersant".
Die geplanten Lieferungen von zwölf Kampfjets vom Typ MiG-29M/M2 sowie insgesamt sechs hochmodernen Raketenabwehrsystem S-300 PMU-2 und 36 Trainingsflugzeugen Jak-130 seien auf Eis gelegt worden. Es gebe aber keinen politischen Hintergrund, sagte der Mitarbeiter. "Wir hoffen, dass die Verträge in vollem Umfang erfüllt werden können." Die UN-Vetomacht Russland hatte die Lieferungen damit begründet, dass es kein bindendes Waffenembargo gegen Syrien gebe.
Berlin: Kein Bundeswehreinsatz ohne Mandat
Die Bundesregierung hält die US-Angaben zu einem Giftgaseinsatz durch das syrische Regime für "plausibel", schließt einen Einsatz der Bundeswehr ohne internationales Mandat aber weiterhin kategorisch aus. Außenminister Guido Westerwelle sprach in der "Welt am Sonntag" von schwerwiegenden Argumenten. "Sie weisen klar in Richtung des Assad-Regimes."
Kanzlerin Merkel sagte der "Augsburger Allgemeinen", es könne "ein Tabubruch wie der Einsatz von Giftgas mit Hunderten von Toten nicht ohne Folgen bleiben". Allerdings könne sich Deutschland nur mit einem Mandat der Vereinten Nationen, der Nato oder der EU an Militäreinsätzen beteiligen: "Insofern stellt sich die Frage nach einer Beteiligung der Bundeswehr jetzt ohnehin nicht."
Der ehemalige deutsche UN-Botschafter Gunther Pleuger forderte die USA auf, zunächst den Bericht der UN-Inspekteure abwarten. Im Deutschlandfunk sagte er: "Man wird natürlich schon an Irak erinnert, wo solche (...) angeblichen Beweise vorgelegt wurden, und alle nicht stimmten."
Frankreich unterstützt USA
Nach dem Ausscheiden Großbritanniens kann Obama weiterhin auf die Unterstützung Frankreichs und seines Präsidenten François Hollande zählen. Nach einem Telefongespräch der beiden Präsidenten verlautete aus der Umgebung Hollandes: "Frankreich wird diese Verbrechen nicht ungestraft lassen und fühlt die gleiche Entschlossenheit aufseiten Obamas." Das britische Unterhaus hatte eine Beteiligung an einer von den USA geführten Strafaktion gegen Syrien abgelehnt und damit Premierminister David Cameron zurückgepfiffen.
Das syrische Regime wies die Vorwürfe der USA als haltlose Lügen zurück. Diese basierten auf erfundenen Berichten von Rebellen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das Außenministerium. Als Zeichen der Solidarität mit dem syrischen Regime reiste eine Delegation des iranischen Parlaments nach Damaskus, wie die Nachrichtenagentur Isna meldete. Der Iran steht im Syrien-Konflikt auf der Seite Assads.
Die Arabische Liga will bereits an diesem Sonntag in Kairo über den Syrien-Konflikt beraten. Ursprünglich war das Treffen der Außenminister für Dienstag geplant.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP