"Er ist überholt" Ökonomen wollen Soli abschaffen
12.07.2011, 07:17 Uhr
2010 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Vorlage gegen die dauerhafte Erhebung des umstrittenen Solidaritätszuschlags abgelehnt.
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Für Wirtschaftsforscher ist die Beibehaltung des 1991 eingeführten Solidaritätszuschlags "grotesk". Nur noch etwa 50 Milliarden Euro fließen in den Osten, das entspreche ungefähr dem, "was die abgewanderte Elite Ostdeutschlands im Westen an Steuern zahlt", sagt der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Blum.
Der noch bis 2019 vorgesehene Solidaritätszuschlag sollte aus Sicht von Ökonomen abgeschafft werden. Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle, Ulrich Blum, hält ihn für überholt. "Es ist eine Frage der Steuerehrlichkeit, den Soli in den allgemeinen Steuercode zu integrieren. Der Zuschlag dient längst der Daueraufgabe Staatssanierung. Ihn beizubehalten ist grotesk", sagte Blum der "Financial Times Deutschland".
Nach Blums Rechnung finanziert sich der Aufbau Ost seit etwa einem Jahr von selbst. "Es fließen jährlich noch rund 50 Milliarden Euro netto in den Osten. Das entspricht ungefähr dem, was die abgewanderte Elite Ostdeutschlands im Westen an Steuern zahlt", sagte er.
Finanzwissenschaftler Rainer Kambeck vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) empfahl, den Solidaritätszuschlag in drei Stufen abzuschmelzen. "Geht man davon aus, dass er in den nächsten Jahren zwischen 12 und 15 Milliarden Euro jährlich einbringt, könnte er in drei Schritten mit einem jährlichen Entlastungsvolumen von jeweils 4 bis 5 Milliarden Euro reduziert werden", sagte Kambeck der Zeitung.
Skeptisch sieht dies der Finanzwissenschaftler Clemens Fuest. "Im Kern dient der Soli schlicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsausgaben, so wie andere Steuern auch. Wenn man den Soli jetzt abschafft, muss man andere Steuern erhöhen, denn Spielräume für Steuersenkungen bestehen nicht", sagte er.
Union hält an "Soli" fest
Wenn es um Steuersenkungen geht, denken laut einer Umfrage die meisten Bundesbürger an den Solidaritätszuschlag. 62 Prozent plädieren für seine Abschaffung, 18 Prozent für seine Reduzierung. Wegen des Widerstands der Länder gegen Steuersenkungen kann sich die FDP auch vorstellen, notfalls den Solidaritätszuschlag zu senken oder gar ganz abzuschaffen. Dazu ist eine Bundesrats-Zustimmung nicht nötig, die Einnahmen stehen allein dem Bund zu.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) reagierte prompt mit einer Absage. Es erschließe sich ihm nicht, wie man über den "Soli" das Problem der Kalten Progression angehen könne, sagte er.
Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt wies Überlegungen zur Abschaffung dieser Abgabe zurück. "Die Abschaffung oder Absenkung des Solidaritätszuschlages ist keine Alternative", sagte die CSU-Politikerin. "Sie würde die Gutverdienenden stärker entlasten und das eigentliche Ziel verfehlen, nämlich die Kalte Progression bei unteren und mittleren Einkommensschichten abzumildern."
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP