Politik

"Ölquelle des Alptraums" Ölbranche bekommt Feuer

"Rettet unsere Küste"

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(Foto: REUTERS)

Die führenden Öl-Firmen geraten durch die Katastrophe im Golf von Mexiko immer stärker unter Druck. Keines der Unternehmen sei auf solch einen Vorfall vorbereitet, heißt es bei einer Anhörung im US-Kongress. Die Branche reagiert gereizt und macht BP zum Sündenbock. Hilfe könnte ausgerechnet von Kevin Costner kommen.

Rund acht Wochen nach Beginn der Ölpest im Golf von Mexiko ist BP an allen Fronten unter Beschuss. Der politische Druck auf den Ölkonzern ist in den USA auf dem Höhepunkt. Nach Ansicht von Wirtschaftsexperten reißt die Katastrophe die gesamte Ölindustrie mit in die Tiefe. Auch für deutsche Autofahrer könnte die Krise teuer werden - durch deutlich steigende Benzinpreise. Zu allem Überfluss stufte eine US-Ratingagentur die Kreditwürdigkeit des Ölriesen fast auf Ramschstatus herab.

Auch Obama gerät unter Druck - wird von Soldaten in Pensacola aber jubelnd begrüßt.

Auch Obama gerät unter Druck - wird von Soldaten in Pensacola aber jubelnd begrüßt.

(Foto: AP)

US-Präsident Barack Obama sagte bei einer zweitägigen Reise ins Krisengebiet an der Golfküste, BP sei verantwortlich für die "größte Umweltkatastrophe in der Geschichte des Landes". Kurz vor seinem Rückflug nach Washington betonte er vor Soldaten in Pensacola im Bundesstaat Florida, den Energieriesen für die Katastrophe haftbar zu machen. Allerdings zeigte er sich auch optimistisch: "Ich bin überzeugt, dass wir die Golfküste in einem besseren Zustand hinterlassen werden als vorher, sagte er.

Der Präsident plant einen Treuhandfonds, aus dem Schadenersatz an Betroffene fließen soll. Das Geld soll von BP kommen. Obamas Sprecher Robert Gibbs sagte, der Schaden könne "zig Milliarden Dollar, wenn nicht Hunderte" betragen. Alles, was BP zu dem Fonds beisteuere, sei lediglich eine "Anzahlung" - nach oben hin gebe es keine Grenze. Das Weiße Haus kündigte zudem die Berufung eines Sonderbeauftragten an, der die ökologische Wiederherstellung nach der Ölpest koordinieren soll. Hauptaufgabe des von US-Medien als "Küsten-Zar" titulierten Beauftragten werde es sein, Artenvielfalt und "natürliche Schönheit" wiederherzustellen, sagte Obamas Sprecher Robert Gibbs auf ABC.

Medien wichtiger als Umwelt

Die BP-Führungsspitze ist in dieser Woche einem entscheidenden Kräftemessen mit der Politik ausgeliefert. Obama zitierte den Aufsichtsratsvorsitzenden Carl-Henric Svanberg für Mittwoch ins Weiße Haus, BP-Chef Tony Hayward und seine Top-Manager müssen sich mehrmals vor Ausschüssen des US-Kongresses gegen schwere Vorwürfe wehren. Den Vorsitzenden der Gremien zufolge hat BP aus Kosten- und Zeitdruck fünf hochriskante Entscheidungen getroffen, die am 20. April die Explosion auf der Bohrinsel "Deepwater Horizon" auslösten. Seitdem sprudeln täglich Tausende Tonnen Rohöl ins Meer.

Die Chefs der Öl-Branche (l-r): Rex Tillerson (ExxonMobil), John Watson (Chevron), James Mulva (ConocoPhillips), Marvin Odum (Shell Oil Company) und Lamar McKay (BP America Inc).

Die Chefs der Öl-Branche (l-r): Rex Tillerson (ExxonMobil), John Watson (Chevron), James Mulva (ConocoPhillips), Marvin Odum (Shell Oil Company) und Lamar McKay (BP America Inc).

(Foto: REUTERS)

Insgesamt habe der Konzern durch diese Entscheidungen 7 bis 10 Millionen Dollar (5,7 bis 8,1 Millionen Euro) und einige Arbeitstage gespart, bemängeln die Demokraten Henry Waxman und Bart Stupak. Zum Beispiel habe BP das Steigrohr in der Ölquelle nur mit 6 Stützen zentriert statt mit 21, wie es empfohlen sei. Dadurch sei der Zement zum Abdichten des Bohrlochs aufgerissen. Außerdem habe sich der Konzern für eine billige Schutzhülle für die Quelle entschieden. Die Probleme seien lange vor dem Unfall bekannt gewesen. Eine Woche vor der Explosion auf der Bohrinsel habe ein Mitarbeiter in einer E-Mail von einer "Ölquelle des Alptraums" gesprochen.

Allerdings mussten sich auch die Chefs der anderen führenden Ölkonzerne massive Vorwürfe im Kongress anhören. Keine der fünf vorgeladenen Firmen verfüge über angemessene Pläne zur Bewältigung eines solchen Vorfalls, sagte Waxman. Die Unternehmen wiesen lediglich "Maßnahmen von der Stange" vor, von denen sich einige bereits als nutzlos erwiesen hätten, warf der Demokrat den Spitzenmanagern von BP, Exxon, Chevron, ConocoPhillips und Royal Dutch Shell vor. Stupak kritisierte insbesondere Exxon Mobil. Der Konzern verfüge über eine 40-seitige Medienstrategie, die fünf Mal länger sei als sein Plan zum Schutz der Umwelt. Exxon Mobil mache sich offenbar mehr Sorgen um die öffentliche Wahrnehmung als um die Natur, sagte Stupak.

"Finanzielle, rechtliche und ökologische Krise"

Die sonst sehr einträchtige Branche wendete sich nach den Vorwürfen deutlich von BP ab. Die Explosionen auf der Plattform seien ein Unfall gewesen, der sich wahrscheinlich niemals wiederholen werde - und eigentlich hätte er gar nicht passieren dürfen, sagten sie. Wenn man sich an die Richtlinien halte, wie eine Ölquelle in der Tiefsee betrieben werden sollte, dann könne gar nichts schiefgehen, sagte Exxon-Mobile-Chef Rex Tillerson bei einer Anhörung. Kollege John Watson von Chevron pflichtete bei: "Jeder unserer Mitarbeiter hat die Befugnis, die Arbeit zu stoppen, wenn er etwas Unsicheres sieht."

Wegen der Ölverseuchung ist derzeit der Fischfang in einem Drittel der US-Gewässer im Golf von Mexiko untersagt.

Wegen der Ölverseuchung ist derzeit der Fischfang in einem Drittel der US-Gewässer im Golf von Mexiko untersagt.

(Foto: AP)

Die Ölpest löst nach einer Analyse der Ratingagentur Moody's "eine beispiellose finanzielle, rechtliche, behördliche und ökologische Krise" für die gesamte Branche aus, wie deren Chef Steven Wood sagte. Bis zu zwei Jahre könne es dauern, bevor Produzenten, Betreiber von Bohrinseln und Dienstleister an das Ausmaß ihrer Tiefsee-Aktivitäten vor der Katastrophe anknüpfen könnten. Das Wachstum der weltweiten Ölförderung droht sich laut Moody's zu verlangsamen. Weltweit könnten Staaten die neuen, schärferen US-Standards für Bohrungen vor der Küste übernehmen. Bereits jetzt hat die amerikanische Regierung wegen der Katastrophe Tiefseebohrungen im Golf für sechs Monate untersagt.

Neben den Ölkonzernen gerät aber auch die Politik zunehmend unter Druck, vor allem Obama. Eine Mehrheit der Amerikaner ist laut Umfragen der Ansicht, dass er sich nicht ausreichend genug eingebracht hat, um der Katastrophe Herr zu werden. Tatsächlich musste die Regierung schon vor Wochen einräumen, weder über das Gerät noch über das Wissen zur Schließung des Bohrlochs zu verfügen.

"BBB" statt "AA"

Die globalen Auswirkungen könnten auch für Autofahrer in Deutschland teuer werden: Die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagte der "Bild"-Zeitung: "Es ist damit zu rechnen, dass der Ölpreis und auch die Benzinpreise spürbar steigen werden. Insbesondere deshalb, da die Ölförderung in der Tiefsee in Amerika ausgesetzt werden soll." Die Expertin erläuterte: "Die leicht erschließbaren Ölvorkommen - etwa in Saudi-Arabien - gehen langsam zur Neige." Zeitgleich steige jedoch die Öl-Nachfrage. "Um diese Nachfrage bedienen zu können, braucht man die Tiefseereserven. 25 Prozent aller bekannten Ölreserven sind in der Tiefsee."

Die US-Ratingagentur Fitch senkte die Kreditwürdigkeit von BP von "AA" um sechs Stufen auf "BBB". Das ist die zweitniedrigste Anlage-Empfehlung. Grund dafür sei die zunehmende Sorge vor den katastrophalen finanziellen Konsequenzen nach der Ölpest im Golf von Mexiko.

Hilfe von Kevin Costner

In Öl getaucht: Ein Pelikan.

In Öl getaucht: Ein Pelikan.

(Foto: REUTERS)

BP habe auf Druck der US-Regierung inzwischen seine Pläne zum Eindämmen des sprudelnden Öls deutlich verbessert, sagte Obama. BP wolle nun bis Ende Juni die Menge des Öls, das aus der defekten Quelle aufgefangen wird, auf täglich 6800 Tonnen ausweiten - zwei Wochen früher als geplant. Derzeit leitet BP 2100 Tonnen über einen Auffangbehälter auf ein Schiff. Das ist nach offiziellen Schätzungen nur ein Teil dessen, was aus dem Bohrloch austritt. Der Konzern bereite sich außerdem besser auf mögliche Stürme und andere unvorhersehbare Probleme vor.

Hilfe könnte Hollywood-Star Kevin Costner bringen. BP habe bei dem Hollywood-Star 32 Maschinen bestellt, die das verseuchte Wasser im Golf von Mexiko von Öl befreien sollen, berichtete der US-Nachrichtensender CNN. Der Schauspieler besitzt eine Firma, die entsprechende, rund 1800 Kilo schwere Zentrifugen baut. Er habe die Vorrichtung Anfang der 90er Jahre gemeinsam mit seinem Bruder, einem Wissenschaftler, erfunden, sagte Costner. Die Maschine sauge das ölige Wasser aus dem Meer auf, schleudere es mit hoher Geschwindigkeit herum und spucke 99 Prozent pures Wasser und 1 Prozent reines Öl aus. "Das ist der Weg, eine Ölpest im 21. Jahrhundert zu bekämpfen", meinte der Star ("Waterworld").

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa/rts

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