Politik

"Jahrelange Selbstzufriedenheit " Ölpest könnte sich wiederholen

780 Millionen Liter Rohöl strömen nach der Katastrophe ins Meer.

780 Millionen Liter Rohöl strömen nach der Katastrophe ins Meer.

(Foto: dpa)

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko war nach Ansicht einer US-Regierungskommission vermeidbar - und könnte sich ohne drastische Reformen jederzeit wiederholen. Die Kommission fordert eine schärfere Aufsicht von Ölplattformen auf hoher See und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Industrie.

Drastische Konsequenzen hatte US-Präsident Barack Obama nach der Ölpest im Golf von Mexiko versprochen. Eine Regierungskommission legte nun konkrete Vorschläge vor - und geht dabei hart mit der Ölbranche ins Gericht.

Um ein erneutes Desaster während einer Tiefseebohrung nach Öl zu verhindern, müssten sowohl die Behörden als auch die Industrie massiv in die Sicherheit investieren und Risiken sorgfältiger abwägen, besagt der Abschlussbericht des von Obama eingesetzten unabhängigen Expertengremiums.

Boote versuchen am 21. April 2010, den Brand auf der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zu löschen - vergeblich.

Boote versuchen am 21. April 2010, den Brand auf der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zu löschen - vergeblich.

(Foto: dpa)

Die Ölpest hatte am 20. April vorigen Jahres mit der Explosion der BP-Bohrinsel "Deepwater Horizon" vor der Küste des Staates Louisiana begonnen. 780 Millionen Liter Rohöl strömten ins Meer, bis die Quelle in 1500 Metern Tiefe im August geschlossen werden konnte. Obama hatte zur Untersuchung der Vorgänge die siebenköpfige Kommission eingesetzt. Sie sollte auch Vorschläge für neue Gesetze machen.

Mehr Geld, Personal und Befugnisse

Die Ölpest "war ein fast unvermeidliches Resultat jahrelanger Selbstzufriedenheit sowie des Mangels an Aufmerksamkeit für die Sicherheit in der Regierung und der Branche", sagte der Co-Vorsitzender der Kommission, William Reilly. "Während die Ölbohrungen in immer tiefere und gefährlichere Gewässer vordringen, können nur Reformen des Systems in der Regierung und der Industrie ähnliche, künftige Katastrophen vermeiden."

In ihrem Report fordert die Gruppe unter anderem mehr Geld, Personal und Befugnisse für die Aufsichtsbehörde. Das Bureau of Ocean Energy Management (Büro für Ozean-Energie-Management) soll künftig direkt dem US-Innenministerium unterstellt sein. Die Vorgängerbehörde MMS wurde im Zuge der Ölpest zerschlagen, nachdem Obama ihr eine viel zu unkritische Bindung zur Ölindustrie bescheinigt hatte.

Das Ölleck in der Meerestiefe wurde erst nach Monaten gestopft.

Das Ölleck in der Meerestiefe wurde erst nach Monaten gestopft.

(Foto: REUTERS)

Vor Entscheidungen über neue Bohrgenehmigungen in der Tiefsee müssen nach dem Willen des Gremiums künftig die Wissenschaftler über die Risiken befragt werden. Weist die Aufsichtsbehörde deren Bedenken zurück, müsse sie das schriftlich begründen. Darüber hinaus wollen die Experten, dass die Frist zur Ausstellung von Genehmigungen auf 60 Tage verdoppelt wird, damit mehr Zeit zum Prüfen bleibt.

Neben den Behörden soll auch die Industrie künftig viel stärker zur Verantwortung gezogen werden. So fordert die Gruppe, die Summe, mit der Unternehmen bei solchen Unfällen haften, deutlich zu erhöhen. Bisher gilt eine gesetzliche Obergrenze von 75 Millionen Dollar. Der Schaden der Ölpest im Golf von Mexiko geht dagegen in die Milliarden. Ein ähnlicher Vorstoß der Regierung während der Ölpest war im Kongress stecken geblieben.

Experten erheben schwere Vorwürfe

Die Kommission geht in ihrem Bericht hart mit der Ölbranche ins Gericht. Alle an der unheilvollen Bohrung im Golf von Mexiko beteiligten Unternehmen, neben dem britischen Ölkonzern BP das Schweizer Unternehmen Transocean und die US-Firma Halliburton, hätten "massive Managementfehler" gemacht. Sie hätten eine Reihe gefährlicher und zeitsparender Maßnahmen ergriffen, ohne die Risiken in Betracht zu ziehen.

Als Konsequenz wollen die Experten, dass die Ölindustrie selbst ein eigenes Sicherheitsinstitut einrichtet. Mit dessen Hilfe sollen die Firmen gemeinsam Techniken und Methoden entwickeln, um solche Katastrophen in Zukunft vermeiden zu können. Vorbild sei eine Organisation der Nuklearindustrie, die seit dem Atomunfall in Harrisburg (Pennsylvania) 1979 besteht.

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko war die größte in der Geschichte der USA.

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko war die größte in der Geschichte der USA.

(Foto: dpa)

Um die Natur und die Wirtschaft am Golf von Mexiko nach der Katastrophe wieder aufzubauen, will die Kommission der Region eine Milliardensumme zuleiten. Nach ihrem Vorschlag sollen 80 Prozent der Strafgelder für die Wasserverschmutzung zum Wiederaufbau eingesetzt werden. Sorgenvoll blickt die Kommission auch auf die Tiefseebohrungen vor Alaska.

Ob die Forderungen der Kommission alle umgesetzt werden, ist angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse im Kongress allerdings mehr als fraglich. Seit Anfang des Jahres verfügen die oppositionellen Republikaner über die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Sie gelten generell als unternehmerfreundlich und lehnen staatliche Eingriffe eher ab. Der Abschlussbericht der Kommission soll in den kommenden Wochen in mehreren Ausschüssen des Kongresses diskutiert werden.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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