Eklat im NSU-Prozess Opfer-Anwalt fährt Ermittler an
11.07.2013, 18:40 Uhr
(Foto: dpa)
Nach der Enttarnung des NSU liegt alles offen vor den Ermittlern: Offenbar war es das Neonazi-Trio, das den Münchner Lebensmittelhändler Kilic ermordete. Dass die Polizei nach der Tat 2001 einen rechtsradikalen Hintergrund rasch ausschloss, bringt einen der Opfer-Anwälte im NSU-Prozess in Rage. Der Richter muss dazwischen gehen.
Ein Nebe nklagevertreter im NSU-Prozess hat der Polizei lautstark vorgeworfen, die rechtsradikalen Hintergründe im Mordfall Habil Kilic im Jahr 2001 nicht ausreichend geprüft zu haben. "Es ist kein Geheimnis, dass es in Deutschland auch kranke Menschen gibt, die sich als Neonazis bezeichnen!", sagte Opferanwalt Adnan Erdal.
Schließlich unterbrach der Vorsitzende Richter die Sitzung, um die Auseinandersetzung zu beenden. Es ist der erste derartige Eklat in dem Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und weitere Beschuldigte aus dem Umfeld des "Nationalsozialistischen Untergrunds".
Der Münchner Mordermittler Josef Wilfling verteidigte die Arbeit der Ermittler. "Wir hätten alle die Serie gerne geklärt. Wir sind keine, die auf dem rechten Auge blind sind", sagte Wilfling. Laut Anklage haben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Lebensmittelhändler Habil Kilic am 29. August 2001 in seinem Geschäft in München erschossen.
"Nach unserer Einschätzung war das eine absolut professionelle Hinrichtung", sagte Wilfling. "Sie wissen ja, dass unser Erkennungsdienst wirklich akribisch arbeitet. Da wurde jeder Quadratzentimeter abgesucht. Wir fanden außer den Projektilen in dem Laden keine einzige tatrelevante Spur."
Witwe muss Laden selbst von Blut bereinigen
Die Polizei sei auch Hinweisen auf zwei Radfahrer nachgegangen, die in der Nähe des Tatorts im Südosten Münchens gesehen wurden. "Wir mussten sie natürlich als Zeugen suchen, es gab keine Anhaltspunkte, dass sie die Täter sein konnten", sagte Wilfling. Später fügte er hinzu: "Man darf nicht den Fehler machen, das mit dem heutigen Wissen zu beurteilen. Heute wissen wir's natürlich besser."
Der frühere Leiter der Münchner Mordkommission, der mehrere Bücher veröffentlicht hat, rechtfertigte aber auch, dass die Polizei Verbindungen zum Drogenmilieu und zur organisierten Kriminalität geprüft hat. "Jetzt soll man mal bitte nicht so tun, als ob es keine türkische Drogenmafia gibt."
Nachmittags wurden die Witwe und die Schwiegermutter Kilics als Zeugen gehört. "Wie kann eine solche Sachen passieren?", sagte die sichtlich aufgebrachte Witwe. "Er hat Brot in der Hand gehabt, als sie ihn erschossen haben. Er wollte sein Geld verdienen, nichts anderes." Der Mord an ihrem Mann habe sie aus der Bahn geworfen. Das Geschäft habe sie selbst reinigen müssen. Sie habe den Laden aufgegeben. "Ich konnte das nicht mehr, mit dem ganzen Blut." Die Polizei habe sie wie eine Verdächtige behandelt, jahrelang sei sie in ärztlicher Behandlung gewesen.
Quelle: ntv.de, dpa