CSU-Führung schwächelt "Opfer ihres Erfolges"
26.09.2008, 15:40 UhrDie Schwäche der CSU ist nach Ansicht eines Partei-Experten vor allem auf das Führungsduo der Partei zurückzuführen. Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber könnten die große Lücke nicht ausfüllen, die Edmund Stoiber in der Partei hinerlassen habe, erklärt Politikwissenschaftler Florian Hartleb von der Technischen Universität Chemnitz bei n-tv.de. "Wenn man ihnen ein Zeugnis ausstellen würde, müsste darin stehen: Sie haben sich bemüht."
Hartleb ist gebürtiger Bayer und kennt die CSU durch die eigene Arbeit auch von Innen. "Beckstein kann Stoiber nicht das Wasser reichen", erklärt der 29-Jährige das Problem. Die CSU sei auf Stoiber ausgerichtet gewesen, durch seinen Weggang sei der Einfluss der Partei geschrumpft, gerade auch im Bund. Denn im Gegensatz zu seinem Vorgänger fehlten Beckstein langfristig ausgerichtete Ziele. "Er war als Fachminister hervorragend geeignet." Ein hartes Urteil für einen Regierungschef.
Pendlerpauschale "verpufft"
Das zweite Problem hängt mit dem ersten eng zusammen: Die CSU läuft den Themen hinterher. Nach Ansicht Hartlebs findet die Partei keine passenden Antworten auf neue Herausforderungen wie die Bildungspolitik oder die Finanzkrise mit der Beschädigung der bayerischen Landesbank. Da nützten auch alte Verdienste von Beckstein und Huber als Minister wenig. "Die Pendlerpauschale war an sich ein gutes Thema, weil sie die Abgrenzung zur CDU ermöglichte und die klassische CSU-Klientel bedient hat", meint der Politologe. Die Wirkung sei aber weitgehend "verpufft".
Aus der Unzufriedenheit mit dem Personal und den Themen der CSU folgt fast zwangsläufig die Abwanderung von Wählern zu anderen Parteien. Auch klassischer CSU-Wähler. "Das Problem ist nicht die Linke, sondern Freie Wähler und FDP", erklärt Hartleb. "Die Wähler suchen nach einer bürgerlichen Alternative."
Selbstverständnis in Gefahr
Hinzu kommt auch, dass die CSU ein bisschen ein Opfer ihres eigenen Erfolges geworden ist. Die erfolgreiche Modernisierung des Landes hat Bayern verändert und geöffnet. "Der CSU entgleiten die Zügel im Spannungsfeld zwischen Laptop und Lederhose", bringt es Hartleb auf den Punkt. Trotzdem sei die Schwäche derzeit weniger ein strukturelles Problem als vielmehr eine aktuelle Krise. Diese könnte sich bei einem Verlust der absoluten Mehrheit der Sitze im Landtag noch zuspitzen.
Denn bei zu starken Verlusten ist das Selbstverständnis der CSU in Gefahr. Die Gleichung "CSU ist gleich Bayern" geht bei Verlust der Alleinherrschaft nicht mehr auf. Deshalb ist laut Hartleb auch nicht die Prozentzahl entscheidend, sondern ob die CSU nach der Wahl weiter allein regieren kann oder nicht. "Wenn die CSU das nicht mehr schafft, ist es vorbei, und es wird eine Umstrukturierung geben", erklärt der Wissenschaftler. Gleichzeitig könnte beim Erhalt der Alleinherrschaft die Wahl als Denkzettel abgehakt werden. "Das wäre ein Dämpfer mit reinigender Wirkung."
"Müntefering-Effekt"
Doch bleibt dieser Erfolg aus, wären Beckstein und auch Huber wohl nur schwer zu halten. Bei einer Neuordnung in der CSU könnte nach Ansicht Hartlebs Stoiber als graue Eminenz eine wichtige Rolle spielen. "Münteferin-Effekt" nennt er das. "Der Wähler wird nostalgisch. Je schwächer die CSU derzeit ist, desto stärker wird Stoiber mit seiner Aura." Ob er allerdings wie Müntefering wieder den Parteivorsitz übernehmen würde, hält Hartleb für mehr als fraglich.
Als mögliche Nachfolger für Beckstein und auch Huber führt er neben Bundesagrarminister Horst Seehofer auch Peter Ramsauer, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, auf seiner Liste. Da bei einer Wahlschlappe vor allem die Landtagsfraktion der CSU die Verantwortung trage, hält er Ramsauer als Retter aus der Bundespolitik sogar für die wahrscheinlichste Lösung.
Der bayerische Ministerpräsident will sich bislang nicht festlegen, ob er beim Verfehlen des CSU-Wahlziels von mindestens 50 Prozent im Amt bleibt. "Im Moment überlege ich nur, wie kriege ich die 50 plus x. Alternativen gibt es nicht", sagte der Beckstein im ZDF. Er konzentriere sich zu 100 Prozent auf dieses Ziel und werde es auch schaffen, gab er sich zuversichtlich.
Auch die frühere bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier hatte ausweichend auf die Frage geantwortet, ob Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber bei einem Wahlergebnis unter 50 Prozent zu halten seien. "Ich spekuliere nicht, ich arbeite auf 50 Prozent plus x hin", sagte Hohlmeier gegenüber n-tv.de
Quelle: ntv.de