Anschläge auf Jesiden Opferzahl steigt auf 500
16.08.2007, 07:01 UhrDie Zahl der Opfer der blutigen Anschlagserie im Nordirak ist dramatisch gestiegen. Wie der Korrespondent des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira am Mittwochabend unter Berufung auf Krankenhausärzte berichtete, sind bei dem Attentat auf zwei Dörfer in der Nähe von Mossul etwa 500 Menschen ums Leben gekommen.
Der US-Nachrichtensender CNN zitierte örtliche Beamte mit der Zahlenangabe "mindestens 500 Tote". Terroristen hatten am Dienstagabend vier mit Sprengstoff beladene Fahrzeuge in den Dörfern Gir Usair und Schiba Scheich Chidr zur Explosion gebracht. Hunderte wurden verletzt. In den beiden betroffenen Dörfern leben Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden.
Der Generaldirektor des Krankenhauses der Kreisstadt Sindschar, Kifah Mohammed, hatte vorher von 350 Getöteten und rund 500 Verwundeten gesprochen. Krankenhausärzte und Behördensprecher in der Stadt hatten zuvor erklärt, bei der Explosion seien zwischen 220 und 500 Menschen getötet worden.
Dachil Kasim Hassun, der Bürgermeister der Kreisstadt Sindschar, zu der die beiden Dörfer gehören, sagte: "Das ist das größte Massaker in der Geschichte von Sindschar. Die Explosionen haben auf einer Fläche von einem Quadratkilometer alles zerstört."
Der Polizeichef der Stadt, Scheich Saed Schangari, erklärte: "Wir hatten Geheimdienstinformationen erhalten, dass die Terroristen in Sindschar Anschläge verüben wollten." Daraufhin seien die Sicherheitsmaßnahmen in der Stadt verschärft worden, weshalb die Attentäter ihre Sprengsätze schließlich in den Dörfern südlich von Sindschar zur Explosion gebracht hätten.
Das Blutbad löste in Bagdad und auch international Empörung aus. Der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani, ein Kurde, erklärte, dieses "verabscheuungswürdige Verbrechen" sei ein weiterer Beweis dafür, dass der "schwarze Terror" derjenigen, die andere zu Ungläubigen erklärten, niemanden im Irak verschone.
Sunniten geben Besatzungstruppen und Regierung die Schuld
Auch der sunnitische Rat der Religionsgelehrten verurteilte den Anschlag. Allerdings machte er die "Besatzungstruppen und die Regierung" für den Mangel an Sicherheit verantwortlich und erklärte, hinter der Bombenserie steckten Menschen, die versuchten, "die irakische Landkarte neu zu zeichnen" und die demographischen Verhältnisse zu ändern. Es gilt als wahrscheinlich, dass Sunniten für die Anschläge verantwortlich sind.
Die Behörden verhängten eine Ausgangssperre rund um den Anschlagsort. Beim Transport von Verletzten halfen US-Soldaten. Ein Teil der Verletzten wurde nach Dohuk an der Grenze zur Türkei gebracht. Sindschar liegt nahe der syrischen Grenze.
Von vielen Muslimen werden die kurdischen Jesiden abgelehnt und fälschlicherweise als "Teufelsanbeter" beschimpft. In der Region rund um die Stadt Mossul war es wiederholt zu Spannungen zwischen den Jesiden und sunnitischen Muslimen gekommen.
Die Jesiden bilden eine Religionsgemeinschaft, deren Wurzeln in die vorislamische, wahrscheinlich sogar in die vorchristliche Zeit zurückreichen. Ihre Mitglieder sind zumeist Kurden. Die extremistische Organisation Islamischer Staat im Irak hat die Bewohner der Region vor einer Woche auf Flugblättern vor einem Anschlag gewarnt und die Jesiden als anti-islamisch bezeichnet. Auf irakischen Webseiten wurde außerdem ein Video verbreitet, das die Steinigung einer 18-Jährigen im April zeigen soll, die zum Islam übergetreten war. Sunnitische Rebellen drohten den Angehörigen der Religionsgruppe daraufhin mit Rache.
Quelle: ntv.de