Gabriels Machtprobe Oppermann darf bleiben, Edathy nicht
17.02.2014, 18:55 Uhr
Die neue Troika der SPD: Gabriel, Steinmeier und Oppermann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bedauern ja, Fehler nein: In der Edathy-Affäre gibt sich Sigmar Gabriel einfühlsam, aber unnachgiebig. Der SPD-Chef liefert der CSU vorerst nicht das gewünschte Bauernopfer. Gabriels Plan könnte am Ende sogar aufgehen.
Die Architektur der SPD-Zentrale erzeugt manchmal ungewollt Dramaturgie. Über den Köpfen der wartenden Journalisten gleitet der gläserne Aufzug aus dem fünften Stock hinab ins Erdgeschoss. Aus der Tür tritt Thomas Oppermann und verschwindet wortlos in einem Seitengang, der leere Aufzug fährt wieder hinauf, wo gerade die Vorstandssitzung zu Ende gegangen ist. Sieht so ein Abgang aus?
Das Bild täuscht. Oppermann ist und bleibt der Kopf der SPD-Bundestagsfraktion - trotz seiner Rolle in der Edathy-Affäre. Parteichef Sigmar Gabriel lässt nicht den Hauch von Zweifel an seiner Solidarität für Oppermann. Dieser habe sich "einwandfrei" verhalten und offen und transparent über den Sachverhalt informiert. "Er hat das getan, was man in so einer Situation zu Recht von einem Politiker erwartet", sagt Gabriel über seinen langjährigen Wegbegleiter. Unproblematisch wertet er auch dessen Anruf bei BKA-Chef Jörg Ziercke. Jeder habe das Recht, Beamte der Exekutive anzusprechen.
Der Fall Edathy hat die junge Koalition in eine komplizierte Situation gebracht. Ein Minister ist bereits gestürzt, nun fordern CSU-Politiker, dass auch die SPD personell Verantwortung übernehmen soll. Gabriels Auftritt im Willy-Brandt ist daher ein schwieriger Balanceakt. Er muss Einfühlungsvermögen gegenüber dem verärgerten Koalitionspartner signalisieren, ohne dabei allzu salbungsvolle Worte zu wählen. Gleichzeitig gilt es klar zu machen, dass es keinen Anlass gibt, mit Oppermann einen der wichtigsten Sozialdemokraten fallen zu lassen. Gabriel löst die Krise auf seine Weise. Frei nach dem Motto: Warum sollte man jemanden opfern, wenn man sich nichts vorzuwerfen hat?
"Das ist mit mir nicht besprochen worden"
Gabriel entscheidet sich an diesem Nachmittag für einen ernsten und staatstragenden Auftritt: Den Rücktritt Hans-Peter Friedrichs bedaure er. Dieser habe nicht nur "menschlich höchst anständig gehandelt", sondern auch politisch plausibel und vertretbar. Schließlich habe die SPD vor dem Eintritt in die Große Koalition und damit auch vor wichtigen Personalentscheidungen gestanden. Gegenüber dem Ärger vieler Unionspolitiker gibt sich Gabriel verständnisvoll: Natürlich sei es nicht fair, dass ein SPD-Abgeordneter unter Verdacht stehe und ein CSU-Minister zurücktreten müsse. "Ich verstehe jeden, der darüber irritiert, enttäuscht oder verärgert ist."
Nichtsdestotrotz manövriert sich Gabriel rhetorisch relativ geschickt aus der Angelegenheit heraus. Auf die Frage, ob der Rücktritt Friedrichs nötig war, reagiert er mit der Mimik eines unschuldigen Schuljungen. "Das ist mit mir nicht besprochen worden", entgegnet er. Das sei eine Entscheidung von Frau Merkel gewesen, "in Absprache mit Herrn Seehofer", das nehme er zumindest an. Die Botschaft ist deutlich: Friedrich wurde von den eigenen Leuten geschasst, nicht von Sozialdemokraten. Oppermanns Erklärung, dass die SPD-Spitze seit Oktober über Edathy Bescheid wusste, sei dazu eng mit dem CSU-Mann abgestimmt worden.
Ein Wort der Reue kommt an diesem Nachmittag nicht über Gabriels Lippen. Ganz im Gegenteil, an den brisanten Stellen legt er sich deutlich fest. "Die Verantwortungsträger der SPD" hätten sich nach bestem Wissen und Gewissen verhalten. "Weder ich noch Frank-Walter Steinmeier oder Thomas Oppermann haben Sebastian Edathy oder sein Umfeld gewarnt", beteuert Gabriel, der es nicht für einen Fehler hält, die brisanten Informationen von Friedrich weitergegeben zu haben. Nach eigenem Bekunden würde er dies in Zukunft sogar genauso wieder tun. Die Forderung einiger Unionspolitiker, die SPD-Spitze solle eidesstaatliche Versicherungen abgeben, weist er zurück: "Ich fände es kein gutes Zeichen für die Zusammenarbeit, uns untereinander nur noch dann zu glauben, wenn wir eine solche Versicherung abgeben."
Edathy soll ausgeschlossen werden
Die Angriffe der CSU lässt der Vizekanzler also an sich abperlen, personelle Konsequenzen schließt er aus. Anstelle von Oppermann wählt Gabriel ein anderes Bauernopfer: Überraschend deutlich distanziert er sich von seinem Noch-Parteifreund Edathy. Man sei "entsetzt und fassungslos" über dessen Verhalten. Edathys Ausscheiden sei mehr als gerechtfertigt. "Sein Handeln ist unvereinbar mit der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und passt nicht zur SPD", sagt er. Was Gabriels Worte nur erahnen lassen, nimmt offenbar hinter den Kulissen schon Gestalt an. Die SPD will ihren in Ungnade gefallenen Genossen so schnell wie möglich loswerden. In der Vorstandssitzung fiel ein eindeutiger Beschluss: "Edathys Mitgliedsrechte sollen ruhen, damit ein Parteiordnungsverfahren eröffnet werden kann", sagte ein führender Sozialdemokrat n-tv.de. Das heißt: Es soll geprüft werden, ob Edathy aus der SPD ausgeschlossen werden kann.
Ob der CSU dieses Opfer genügt? Gabriel selbst sieht die Koalition in einer "anstrengenden Lage", erhofft sich aber, möglichst bald eine Rückkehr zum normalen Regierungsalltag. Für diesen Dienstag ist ein Treffen der drei Parteivorsitzenden angesetzt. Offiziell bestätigen will Gabriel das nicht, aber möglicherweise bietet er Merkel und Seehofer dann an, den Konflikt über ein Entgegenkommen bei strittigen Themen zu lösen. Die Kanzlerin erklärte bereits, sie habe "volles Vertrauen" in Gabriel. Seehofer gibt sich offiziell zahm. Den Rücktrittsforderungen an Oppermann will er sich nicht anschließen. "Es geht um die vertrauensvolle Zusammenarbeit und nicht um das Zerbrechen der Koalition", sagte er nur. Aussichtslos ist die Lage für das Bündnis scheinbar nicht. Gabriels Strategie des Aussitzens könnte sich am Ende für alle auszahlen. Aber nur, wenn nichts mehr dazwischen kommt: Denn im Fall Edathy ist zurzeit kaum etwas auszuschließen.
Quelle: ntv.de