Geringe Nachfrage nach Betreuungsgeld Opposition verstärkt Kritik an "Herdprämie"
29.07.2013, 17:43 Uhr
Das Betreuungsgeld wurde 2008 von der Großen Koalition beschlossen. Heute übt die SPD starke Kritik.
(Foto: dpa)
Ab dem 1. August kommt das Betreuungsgeld für Kleinkinder. Doch das Interesse an der staatlichen Leistung ist in den meisten Ländern eher gering, nur wenige Familien haben bislang einen Antrag gestellt. Die mangelnde Nachfrage befeuert die Kritik der Opposition.
Kurz vor der Umsetzung des Betreuungsgeldes kocht die Kritik an der Familienleistung wieder hoch. Angeheizt durch die bislang eher geringe Nachfrage spricht die Opposition von einem "Ladenhüter" und dem "falschen Weg" in der Familienpolitik. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder verteidigte hingegen die Leistung für Eltern, die für ihre Kleinkinder keinen öffentlich geförderten Betreuungsplatz in Anspruch nehmen.
Für diese Gruppe gibt es ab Donnerstag ein monatliches Betreuungsgeld von zunächst 100 Euro, später von 150 Euro. Das Betreuungsgeld kann für Kinder beantragt werden, die ab dem 1. August 2012 geboren sind - es gilt also zunächst für einjährige Kinder. Gleichzeitig tritt der Rechtsanspruch auf die Betreuung von Kleinkindern in Kitas und anderen Einrichtungen in Kraft.
Bundesfamilienministerium will sich noch nicht äußern
Das Bundesfamilienministerium wollte nach Berichten über mangelnde Nachfrage nach dem Betreuungsgeld keine Prognose zum Interesse abgeben. Für die Einführung zum 1. August seien alle Vorbereitungen getroffen und alle Informationen bereitgestellt, sagte ein Sprecher. "Prognosen, wie das Betreuungsgeld angenommen wird, liegen uns nicht vor." Man werde sehen, "wie sich das in der nächsten Zeit entwickelt". Das Ministerium habe über die neue Geldleistung für Eltern informiert. Für die Ausführung seien nun aber die Länder zuständig. Eine spätere Bewertung sei im Gesetz vorgesehen.
Ministerin Schröder sagte mit Blick auf SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: "Wer glaubt, nur weil man uns Frauen 150 Euro hinhält, vergessen wir gleich sämtliche berufliche Ambitionen, der lebt in den 50er Jahren und hat in der Tat ein Problem mit seinem Frauenbild." Steinbrück hatte am Wochenende kritisiert, das Betreuungsgeld werfe Frauen zurück und halte sie von der Erwerbstätigkeit fern.
"Milliardenschwere Klientelpolitik"?
Die SPD bemängelt auch, dass die Leistung bei der Mehrheit der Eltern nicht ankomme. Diese wünschten sich viel eher einen wohnortnahen Krippenplatz, sagte die stellvertretende Vorsitzende Manuela Schwesig. Als Beispiel nannte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern die Zahl von bislang 44 eingegangenen Anträgen in ihrem Bundesland. "Das Betreuungsgeld ist erst am Anfang, aber selbst wenn sich die Antragszahlen verdoppeln oder verdreifachen ..., ist es der falsche Weg", so Schwesig.
Die SPD-Politikerin warf Schwarz-Gelb vor, eine "milliardenschwere Klientelpolitik für den konservativen Rand" zu betreiben. Die SPD wolle stattdessen mit einem Stufenplan den Kita-Ausbau flächendeckend vorantreiben und schrittweise Gebührenfreiheit erreichen. Sie kündigte einen bundesweiten Aktionstag unter dem Motto "Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld" für den 3. August an.
Die Grünen kritisierten, das von der CSU in der Koalition durchgesetzte Instrument gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei. Statt einer Prämie für die Erziehung daheim bräuchten Familien eine gute Infrastruktur, ausreichend Kitaplätze sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt der "Frankfurter Rundschau". Sie nannte den Anspruch einen "Ladenhüter".
CSU rechnet mit mehr Anträgen ab Oktober
Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer hingegen vermutet, dass einige Länder das Projekt aus politischen Gründen torpedieren. "Ich finde, es ist ein Skandal, dass manche Bundesländer aus Feindseligkeit gegen diese Familienleistung junge Eltern um das Betreuungsgeld bringen", sagte die CSU-Politikerin. Im übrigen hätten die Antragszahlen von August keinerlei Bedeutung, weil die meisten Familien erst ab Oktober leistungsberechtigt seien. Die Ministerin rechnet erst ab Oktober den "großen Antragsschwung". Sie hob die Wahlfreiheit hervor, die das Betreuungsgeld den Familien biete.
Nach Angaben des Familienministeriums schlägt das Betreuungsgeld im Bundeshaushalt 2013 mit 55 Millionen Euro zu Buche. Für 2014 sind laut vorläufiger Finanzplanung 515 Millionen vorgesehen, für die Jahre danach gibt es noch keine Zahlen.
Auch deswegen tadeln Verbände die Leistung erneut. Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, sagte: "Aktuelle Umfragen und Untersuchungen zeigen klar auf, wie sehr das Betreuungsgeld floppt. Wenn trotz umfangreicher Werbemaßnahmen kaum jemand die sogenannte "Herdprämie" will, muss die Politik daraus ihre Schlüsse ziehen. Besser wäre es, die für das Betreuungsgeld vorgesehenen Mittel in den Ausbau öffentlicher Betreuungsangebote zu investieren."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP