Politik

Bundestag vor heikler Entscheidung Organspende-Reform in Sicht

Zehntausende Menschen warten verzweifelt auf ein Spenderorgan - Tausende vergebens.

Zehntausende Menschen warten verzweifelt auf ein Spenderorgan - Tausende vergebens.

(Foto: dpa)

In Deutschland warten etwa 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan – 1000 bis 3000 sterben jedes Jahr auf der Warteliste. Gegen diesen dramatischen Mangel an Organen setzen Politiker auf die freiwillige Erklärung der Spendebereitschaft: Bald werden möglicherweise alle Bürger einmal im Leben danach gefragt.

Rund fünf Monate nach der Nieren-Spende von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier an seine Frau kommt Bewegung in den höchst sensiblen Bereich der Organspende. Nach Auffassung von Unionsfraktionschef Volker Kauder könnte der Bundestag noch in diesem Jahr ohne Fraktionszwang in dieser ethisch heiklen Frage entscheiden. Kauder setzt dabei auf eine Befragung aller Bürger. Ein Eintrag in Ausweis oder Führerschein könnte die bisherigen Spendeausweise ersetzen. Das Eintreten des CDU-Politikers für ein einvernehmlich beschlossenes Gesetz ohne konkurrierende Anträge ist aber umstritten.

Bürger sollen selbst entscheiden

Er habe mit Steinmeier gesprochen, von ihm stamme der Begriff "Entscheidungslösung", sagte Kauder in Berlin. Die Bürger sollten einmal im Leben mit der Frage konfrontiert werden und selbst entscheiden. "Das halte ich für zumutbar."

Kauder (r) und Pregla erläutern ihre Vorstellungen zur Organspende.

Kauder (r) und Pregla erläutern ihre Vorstellungen zur Organspende.

(Foto: dpa)

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, unterstützte den Vorstoß. "Das scheint für Deutschland die beste Lösung zu sein, weil sie auf breite Akzeptanz stoßen und für mehr Spendebereitschaft sorgen würde", sagte er.

Vehement trat Kauder Forderungen nach Übernahme der in vielen anderen Ländern gültigen Widerspruchslösung entgegen, nach der Ärzte Hirntoten Organe entnehmen dürfen, wenn diese zu Lebzeiten nicht widersprochen haben. "Ich möchte nicht, dass der Staat in diesem höchst sensiblen Bereich zu etwas zwingt." Heute müssen die Menschen in Deutschland zu Lebzeiten ihre Bereitschaft erklären.

Einhellige Lösung wünschenswert

Kauder plädierte für eine einzige Gesetzesvorlage. "Ich würde mir wünschen, dass wir im Deutschen Bundestag möglichst einhellig zu einer Lösung kommen." Absprachen seien für die kommenden Wochen geplant. Er mache den Vorschlag in erster Linie als Mitglied der Initiative "Pro Organspende".

Bisher tragen Bürger, die ihre Spendebereitschaft erklären, einen entsprechenden Ausweis bei sich.

Bisher tragen Bürger, die ihre Spendebereitschaft erklären, einen entsprechenden Ausweis bei sich.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Praxisärzte sollen für die dringend nötige Aufklärung der Menschen sorgen. Die Antwort des Befragten solle im Ausweis, im Pass oder Führerschein unter Wahrung des Datenschutzes gespeichert werden, erläuterte der Gründer dieser Initiative, Reinhard Pregla. Eine Entscheidung könne beim Bürgeramt auch wieder revidiert werden. Wenn der Befragte sich nicht zu einem Ja oder Nein durchringen könne, müssten nach seinem Hirntod weiter die Hinterbliebenen entscheiden.

Rund 12.000 Menschen warten in Deutschland auf ein Spenderorgan. "Weit über 1000 müssen leider jedes Jahr auf der Warteliste sterben", sagte Pregla. Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, bezifferte die Totenzahl sogar auf 3000.

Bei 1217 Organspendern wurden 2009 nach dem Tod Körperteile entnommen, teilte die Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) mit. 2010 sei von einem leichten Anstieg auszugehen, sagte DSO-Sprecherin Birgit Blome. Die Zahlen würden Ende der Woche veröffentlicht.

"Das ist eine Gewissensfrage"

Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ulrike Flach, will die Tür für konkurrierende Anträge offen halten. "Das ist eine Gewissensfrage", sagte sie. "Da gibt es immer mehrere Aspekte. Das muss nicht in einen einzigen Antrag münden." Gleichzeitig meinte sie, Kauders Vorschlag könne zielführend sein.

International hinkt Deutschland laut DSO mit 15 Organspendern pro eine Million Einwohner deutlich hinter Belgien, USA, Österreich, Frankreich, Italien und Finnland (mehr als 20) und Spanien (34) hinterher.

Flach forderte auch gesetzliche Verbesserungen in den Kliniken. "Wir brauchen verpflichtend Transplantationsbeauftragte, sonst kommen wir im praktischen Leben keinen Schritt weiter." Diese sollten den Hirntod potenzieller Spender feststellen, Gespräche mit Patienten und Angehörigen führen und den Informationsfluss in Kliniken sichern.

Quelle: ntv.de, dpa

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