Breite Einigkeit Organspende im Bundestag
22.03.2012, 11:52 Uhr
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel.
(Foto: dpa)
Der Bundestag debattiert in erster Lesung einen fraktionsübergreifenden Antrag, mit dem die Organspende neu geregelt werden soll. Kern der neuen Regelung ist, dass die Krankenkassen ihre Versicherten schriftlich auffordern sollen, eine Entscheidung zur Organspende abzugeben.
Im Bundestag haben sich die Spitzen aller Fraktionen für eine Neuregelung der Organspende in Form einer so genannten Entscheidungslösung ausgesprochen. Es solle eine "höchst persönliche Entscheidung" sein, ob jemand sein Organ zur Verfügung stellt, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder. Es solle mehr Beratung und Information geben, es solle aber niemand gezwungen werden, sich für oder gegen die Organspende zu entscheiden.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sagte in der ersten Lesung des interfraktionellen Gesetzentwurfs, der gemeinsame Antrag sei ein "starkes und klares Signal", um das Thema Organspende in die Öffentlichkeit zu bringen. "Jeder Organspender ist ein Lebensretter." Je mehr Menschen dabei mitmachten, desto weniger Empfänger müssten warten. "Die Organspende ist ein Akt der Nächstenliebe, für den man sich persönlich entscheidet."
"Politik nimmt Verantwortung ernst"
"Heute können wir miteinander zeigen, dass Politik Verantwortung ernst nimmt für Menschen, die Hilfe dringend bedürfen", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zu dem von allen Fraktionen mitgetragenen Antrag. "Die Organspende ist eine Frage der Mitmenschlichkeit." Er verwies darauf, dass in dem Gesetzentwurf bewusst darauf verzichtet worden sei, Anreize zugunsten der Spendenbereitschaft zu schaffen, etwa in Form von Bonuszahlungen oder Beitragssenkungen der Krankenkassen. "Die Organspende soll eine Spende bleiben." Es dürfe dabei keine Kommerzialisierung geben, sagte Steinmeier, der selbst seiner Frau eine Niere gespendet hat.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte im Bundestag, es dürfe "keinen staatlich verordneten Entscheidungszwang zur Organspende" geben. Eine Pflicht zur Beschäftigung mit dem Thema könne aber durchaus verlangt werden. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi räumte ein, dass er persönlich eine Widerspruchslösung favorisiert hätte, es dafür aber keine Mehrheit gebe. Eine solche Lösung würde vorsehen, dass grundsätzlich jedem Verstorbenen Organe entnommen werden können, wenn er dies zu Lebzeiten nicht ausdrücklich abgelehnt hat. Er trage aber den jetzigen Gesetzentwurf mit, sagte Gysi.
"Wichtig ist die Freiwilligkeit"
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verwies darauf, dass viele Menschen die Organspende grundsätzlich befürworteten, dies aber nicht schriftlich festhielten. Jeder solle die Möglichkeit zu einer ergebnisoffenen und unabhängigen Beratung haben. "Wichtig ist die Freiwilligkeit." Trittin betonte zugleich, dass bei den Frauen 80 Prozent zur Organspende bereit seien, die Empfänger aber zu 80 Prozent Männer seien. Dies müsse verändert werden.
Die Grünen-Abgeordnete Elisabeth Scharfenberg kündigte derweil einen Änderungsantrag an. Sie fordert einen Verzicht auf die geplante Regel, nach der die Krankenkassen die Entscheidung auf der elektronischen Gesundheitskarte speichern oder löschen können. Dies soll mit Zustimmung der Versicherten geschehen können, wenn die Karte in rund fünf Jahren diese Daten technisch aufnehmen kann. Scharfenberg kritisierte, es verletzte den Datenschutz, wenn die Kassen die sensiblen Daten dort aufbringen könnten. Der Änderungsantrag sei genauso wie der Gesetzentwurf ein Gruppenantrag über Fraktionsgrenzen hinweg, die Reform wolle sie nicht infrage stellen, sagte Scharfenberg.
Derzeit warten rund 12.000 Patienten in Deutschland auf ein Organ, es gibt jährlich aber nur knapp 1400 Spenden. Der von Abgeordneten aller Fraktionen eingebrachte Gesetzentwurf sieht vor, dass jeder Bürger künftig regelmäßig von der Krankenkasse befragt wird, ob er im Falle seines Todes zur Organspende bereit ist. Die Antwort kann auf einem Spenderausweis, aber auch auf dem Personalausweis, oder dem Führerschein vermerkt werden. Bislang werden Bürger nicht gezielt nach ihrer Bereitschaft befragt. Als Organspender kommt nur in Frage, wer aus eigenem Antrieb heraus einen Organspendeausweis hat.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa