Politik

Noch 17 Prozent Lohnunterschied Ostdeutsche verdienen weniger

Im Osten fehle eine "Tarifkultur", meint die Hans-Böckler-Stiftung.

Im Osten fehle eine "Tarifkultur", meint die Hans-Böckler-Stiftung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Löhne und Arbeitszeiten in Ost- und Westdeutschland gleichen sich seit der Wiedervereinigung immer mehr an. Dennoch verdienen Arbeitnehmer in den neuen Bundesländer weiterhin durchschnittlich 17 Prozent weniger als in Westdeutschland. Grund sei unter anderem eine fehlende Tarifkultur, meint ein Vertreter der Hans-Böckler-Stiftung.

Trotz einer weitgehenden Angleichung bei den Tariflöhnen verdienen Arbeitnehmer in Ostdeutschland im Schnitt noch immer 17 Prozent weniger als ihre Kollegen im Westen. Das sei die Folge der weitaus geringeren Tarifbindung in den fünf neuen Ländern, erklärte der Tarifexperte der Hans-Böckler-Stiftung, Reinhard Bispinck. Weil viele Arbeitnehmer dort nicht nach den geltenden Tarifverträgen beschäftigt würden und effektiv weniger verdienten, sei der Standard insgesamt niedriger.

In den ostdeutschen Ländern fehle die im Westen über Jahrzehnte gewachsene "Tarifkultur", erklärte Bispinck dazu. Bisher hätten Tarifverträge dort eher eine "unverbindliche Orientierungsfunktion", entfalteten vielfach jedoch keine konkrete Bindungskraft. Der Experte der gewerkschaftsnahen Stiftung forderte eine Belebung des Tarifvertragssystems. Nur wenn Tarifverträge in mehr Firmen und Branchen gälten, bestehe eine "echte Chance", die Einkommensunterschiede zwischen Ost und West zu überwinden. "Das ist zweifellos eine Aufgabe, der sich in erster Linie die Tarifvertragsparteien stellen müssen", betonte Bispinck. "Aber es bleibt auch eine Herausforderung der Politik." Allgemeine oder auch branchenspezifische Mindestlöhne könnten dafür etwa eine Grundlage schaffen.

Löhne und Arbeitszeit gleichen sich an

Nach den Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung haben sich die Tariflöhne zwischen Ost und West inzwischen weitgehend angeglichen. Die tariflichen Grundvergütungen in den neuen Ländern beliefen sich Ende 2010 auf rund 96 Prozent der in den alten gezahlten. 1991 nach der Wiedervereinigung waren es demnach lediglich 60 Prozent. Da der Einkommensrückstand bei den ostdeutschen Beschäftigten ohne Tarifvertrag aber größer sei, ergebe sich im Zusammenhang mit der generell niedrigeren Tarifbindung ein effektiver Bruttolohnrückstand von 17 Prozent.

Auch andere zentrale Tarifregelungen glichen sich nach Erkenntnissen der Hans-Böckler-Stiftung über die Jahre tendenziell immer weiter an. Arbeiteten Ostdeutsche gemäß den dort geltenden Verträgen 1991 im Schnitt noch fast zwei Stunden pro Woche länger als Westdeutsche (40,2 zu 38,1 Stunden), waren es Ende 2010 nur noch etwa 1,3 Stunden (38,8 Stunden im Vergleich zu 37,5 Stunden).

Quelle: ntv.de, AFP

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