Denkzettel für Faymann und Spindelegger Österreicher schwächen Große Koalition
29.09.2013, 20:44 Uhr
Kanzler Werner Faymann (l.) von der SPÖ und sein Vize Michael Spindelegger von der ÖVP können ihre Koalition fortsetzen.
(Foto: REUTERS)
SPÖ und ÖVP gehen gerupft aus der Nationalratswahl. Sie werden die Geschicke Österreichs aber weiter gemeinsam bestimmen. Milliardär Stronach erreicht mit seiner Truppe nur ein einstelliges Ergebnis. Mit Neos schafft eine neue liberale Partei den Sprung ins Parlament. Das Regieren wird für Bundeskanzler Faymann schwieriger.
Werner Faymann kann durchatmen: Der Sozialdemokrat darf wohl weiter im Bundeskanzleramt verbleiben. Das lautstarke Rütteln an der Pforte ("Du bist zu lange im Kanzleramt, du musst da raus") hat dem Chef des Koalitionspartners ÖVP, Michael Spindelegger, nichts genutzt. In der Alpenrepublik spielen die Schwarzen weiter nur die zweite Geige und werden damit die Rolle des Juniorpartners nicht los.
Der österreichische Wähler verpasst der Großen Koalition einen Denkzettel, er will sie aber weiter an der Macht haben. SPÖ und ÖVP müssen Verluste hinnehmen. Faymanns SPÖ verzeichnet ihr bislang schwächstes Wahlergebnis. Sehnsuchtsvoll blickt man bei den Roten auf die Zeit des legendären Bundeskanzlers der 70er Jahre, Bruno Kreisky, mit Wahlergebnissen um die 50 Prozent zurück. Aber diese ist endgültig vorbei. Nun kommt man mit Ach und Krach gemeinsam mit der Volkspartei auf einen solchen Wert - Österreichs Parteienlandschaft hat sich sehr verändert, die Wählerschaft zwischen Vorarlberg und dem Burgenland ist vielfältiger geworden.
Faymann muss nun aus dem rot-schwarzen Stillstandsbündnis eine Reformkoalition machen. Das wird ein allerdings ein sehr schwieriges Unterfangen, denn beide Regierungsparteien blockieren sich bislang bei wichtigen Punkten wie Steuern und Pensionen. Die drittstärkste Kraft im österreichischen Parlament, die Freiheitlichen (FPÖ), wartet bereits am Wahlabend mit Störfeuern auf und fordert die SPÖ zu rot-blauen Koalitionsverhandlungen auf. Dazu wird es nicht kommen. Allerdings muss die Tatsache, dass die FPÖ bei der Arbeiterschaft Platz eins belegt, Faymann und seiner SPÖ zu denken geben.
ÖVP will nicht mit FPÖ
Auch bei der ÖVP hat man keine große Lust auf ein Regierungsbündnis mit den Rechtspopulisten, zumal ein dritter Partner mit ins Boot geholt werden müsste. Spindelegger möchte sich den krawalligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und den unberechenbaren Milliardär Frank Stronach nicht antun. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll, der eigentliche starke Mann der ÖVP, hat bereits Klartext geredet und sich für die Wiederauflage der Großen Koalition ausgesprochen.
Das "Team Stronach" (TS), das die österreichische Politik aufmischen wollte, verpasst sein Ziel von 10 bis 15 Prozent klar. Der europaskeptische Wahlkampf fand beim Wähler nicht das gewünschte Echo. Die Zielmarke erreicht der 81-jährige Stronach, der sich gemeinsam mit Dieter Bohlen ablichten ließ, lediglich in der Steiermark; kein Wunder, denn sein Unternehmen Magna hat dort viele Arbeitsplätze geschaffen. Aber das TS tut dennoch weh - zuallererst dem Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), einem Produkt Jörg Haiders. Das BZÖ hat nach dem Tod seines Parteigründers 2008 zwei Drittel seiner Stimmen verloren und blieb unter der für den Einzug in den Nationalrat relevanten 4-Prozent-Marke. Die Stronach-Truppe, die durch Übertritte von BZÖ-Abgeordneten bereits im Parlament vertreten war, wilderte erfolgreich bei Haiders Jüngern und schafft damit zum ersten Mal durch eine Wahl den Einzug ins Parlament.
Neos überspringt Hürde
Während der deutsche Liberalismus nicht mehr im Bundestag vertreten ist, erfährt der österreichische durch den Parlamentseinzug von Neos einen kleinen Aufschwung. Inhaltlich setzt der Nationalratsneuling seine Schwerpunkte in den Bereichen Bildung, Europa und direkte Demokratie. Auch das Thema Generationengerechtigkeit ist der Truppe um den charismatischen Matthias Strolz wichtig.
Auch beim Grünen-Ergebnis gibt es einen Unterschied zu Deutschland. Im Gegensatz zu Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt überzeugte Spitzenkandidatin Eva Glawischnig im Wahlkampf. Die alpenländische Ökopartei favorisierte die Themen Umwelt, Verkehr und Korruption und fuhr gut damit. Über 11 Prozent sind ordentlich, die Demoskopen hatten die Grünen allerdings noch stärker gesehen. Ansonsten haben Österreichs Meinungsforscher aber einen guten Job gemacht.
Österreich gehört noch zu den Musterstaaten der Eurozone, seine ökonomischen Probleme wachsen aber. Auch, wenn so gut wie klar ist, dass es wieder zum rot-schwarzen Regierungsbündnis kommt, werden sich SPÖ und ÖVP bei den Koalitionsgesprächen Schaukämpfe liefern. Beide Parteien sind zum Erfolg verdammt. Gelingt er nicht, dann erreicht bei den Nationalratswahlen 2018 nicht einmal die Große Koalition die absolute Mehrheit.
Quelle: ntv.de