Vorwürfe gegen Israel Oxfam zieht traurige Bilanz
23.01.2009, 19:05 UhrDie Hilfsorganisation Oxfam International hat den im dreiwöchigen Krieg im Gazastreifen angerichteten Schaden auf 1,9 Milliarden Dollar, umgerechnet 1,5 Mrd Euro, geschätzt. Nachdem Israel humanitäre Hilfe im Gazastreifen zugelassen hat, habe die Organisation nun auch eine genauere Zahl der Todesopfer ermitteln können, gab die Organisation am Freitag in Brüssel bekannt. Bei der Militäroperation seien insgesamt 1327 Menschen ums Leben gekommen, 1314 davon seien Palästinenser. Außerdem gab es 5500 Verletzte, etwa 50.000 Menschen seien nach den schweren Gefechten obdachlos. Bei fast 70 Prozent der Todesopfer soll es sich nach Angaben von Menschenrechtrechtlern um Zivilisten gehandelt haben.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte eine Untersuchung der Vorwürfe, Israel habe phosphorhaltige Bomben während der Militärschläge gegen die Hamas im Gazastreifen eingesetzt. "Es gibt einen Grund, warum man den Gaza-Streifen so abgeriegelt hat", sagte Lotte Leicht, Rechtsexpertin der Organisation. Sie forderte die EU auf, eine internationale Untersuchung zu unterstützen.
Vorwürfe von Kriegsverbrechen
Die EU-Außenminister werden nach Angaben von Diplomaten am Montag in Brüssel unter anderem darüber diskutieren, wie die gegen Israel gerichteten Vorwürfe von Kriegsverbrechen untersucht werden sollen. Irland, Griechenland und Zypern dringen dem Vernehmen nach auf internationale Ermittlungen. Dafür gebe es jedoch keine Mehrheit im Außenministerrat, hieß es. Auch Vorwürfe wegen des Einsatzes unerlaubter Waffen und mangelnden Schutzes der Zivilbevölkerung müssten untersucht werden. Zunächst sei dafür jedoch der Staat Israel zuständig.
Israel bereitet sich indes auf mögliche Klagen gegen Minister oder Armeeoffiziere wegen Kriegsverbrechen vor. Wie Regierungssprecher Mark Regev mitteilte, ernannte der amtierende israelische Ministerpräsident Ehud Olmert den Justizminister Daniel Friedmann zum Chef einer Sonderkommission für internationale Rechtsstreits bezüglich des Militäreinsatzes. Die Kommission werde ihre Arbeit in der kommenden Woche aufnehmen. Neben Klagen wegen angeblicher Verletzungen des humanitären Rechts werde sich die Gruppe auch mit Schadenersatzklagen wegen Sachbeschädigungen beschäftigen, hieß es.
Israel lässt Hilfslieferungen durch
Nach UN-Angaben lässt Israel wieder mehr Lebensmittel und Medikamente in den Gazastreifen. N-Nothilfekoordinator John Holmes sagte in Jerusalem, pro Tag dürften jetzt 120 Lastwagen mit Nahrungs- und Arzneimitteln in das von 1,5 Millionen Palästinensern bewohnte Gebiet. Die meisten Palästinenser sind auf die Hilfslieferungen angewiesen. Nun komme es darauf an, auch Baustoffe in den Gazastreifen zu bekommen, um mit der Reparatur der Schäden des Gaza-Krieges und dem Wiederaufbau beginnen zu können. Dafür müsse die Grenze aber durchlässiger werden, sagte Holmes. Israel befürchtet aber, dass durch eine offenere Grenze auch mehr Kämpfer und Waffen in das Gebiet geschmuggelt werden könnten.
Wegen der israelischen Blockade des Gazastreifens sind Tunnel unter der Grenze zu Ägypten die einzige Handelsverbindungen des Palästinensergebietes nach draußen. Während des Krieges hatte Israel nach eigenen Angaben die meisten bekannten Tunnel des weit verzweigten Systems zerstört. Hingegen sagten Grenzbewohner, trotz des israelischen Bombardements funktionierten noch nach wie vor Hunderte Schmugglertunnel. Die Hamas und andere Extremistengruppen betreiben eigene Tunnel, um Waffen in den Gazastreifen zu bringen.
US-Präsident Barack Obama hat – wie zuvor schon die Europäische Union – Israel zur Öffnung der Grenzübergänge aufgefordert. Mit dieser Maßnahme müsse internationale Hilfe für das Palästinensergebiet ermöglicht werden, sagte Obama in Washington. "Hilfsmaßnahmen müssen unschuldige Palästinenser erreichen können, die davon abhängen." Aber auch Handel müsse wieder möglich sein, forderte der neue US-Präsident.
Neuer Nahost-Beauftragter der USA berufen
Die Rahmenbedingungen für einen dauerhaften Waffenstillstand im Gazastreifen seien klar, betonte Obama bei der Ernennung des krisenerfahrenen früheren Nordirland-Vermittlers George Mitchell zum Nahost-Sonderbeauftragten: "Die Hamas muss ihren Raketenbeschuss beenden, Israel wird seine Truppen vollständig aus Gaza abziehen." Die USA und ihre Partner seien zudem bereit, eine glaubwürdige Regelung zur Unterbindung des Waffenschmuggels in das Palästinenser-Gebiet zu unterstützen. Ziel müsse sein, dass die radikal-islamische Hamas nicht neu aufrüsten könne. Mitchell solle "so schnell wie möglich" in den Nahen Osten reisen, um in Zusammenarbeit mit den Parteien vor Ort die Feuerpause im Gazastreifen dauerhaft zu machen. Obama hatte sich bereits an seinem ersten Arbeitstag in den Nahost-Konflikt eingeschaltet und telefonisch bei Israel und Palästinensern für einen dauerhaften Frieden geworben.
Die neue US-Außenministerin Hillary Clinton hat inzwischen in einem Telefonat mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Unterstützung Washingtons für den Friedensprozess im Nahen Osten zum Ausdruck gebracht. Wie das Büro von Abbas mitteilte, freut sich Clinton auf die Zusammenarbeit mit dem Palästinenserpräsidenten. Abbas gratulierte Clinton zu ihrem neuen Posten und forderte sie auf, die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung des Gazastreifens zu beschleunigen.
Quelle: ntv.de