Politik

Frisch-frech und herausfordernd Palin besteht Feuerprobe

Noch vor einer Woche kannte sie außerhalb ihres Heimatstaates kaum eine Menschenseele. Und nun stand die 44-jährige Sarah Palin im gleißenden Scheinwerferlicht auf der Bühne des Parteitags der Republikaner, Tausende im Saal und Millionen vor den Fernsehbildschirmen, und musste die Rede ihres Lebens halten. Von ihrem Auftritt, so war es der Gouverneurin von Alaska seit Tagen immer wieder eingehämmert worden, könne es abhängen, wer im kommenden Januar ins Weiße Haus einziehen wird. Eine schwere Last für diese Frau, deren politische Welt sich bisher auf den am weitesten entlegenen Landeszipfel der USA konzentrierte, mit weniger Bewohnern als die Zahl der Menschen, die ihr an diesem Mittwochabend bei ihrer Rede auf dem Parteitag der Republikaner in St. Paul im ganzen Land zuhörten - und das ganz genau.

Der US-Sender CNN ging gar so weit, schon Stunden vor dem Auftritt eine tickende Uhr einzublenden - wie beim Countdown für einen Raketenstart in Cape Canaveral. Immerhin, so Moderator Wulff Blitzer, handele es sich um die wohl faszinierendste Frau der USA. Sicher ist auf jeden Fall: Wohl noch nie hat es soviel Wirbel um einen Vize-Präsidentschaftskandidaten gegeben wie nun um diese Republikanerin, die John McCain als "running mate" auswählte, zur Überraschung und auch zum Schock vieler Republikaner. Es war Sarah Palins Nacht.

Keine Spur von Nervosität

"Mit Freude werde ich die Nominierung als Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten akzeptieren", sagte die Gouverneurin, dezent im Kostüm, als es schließlich so weit war. Keine Spur von Nervosität, nicht der geringste Hauch von Unsicherheit, keine Versprecher - und auch keine Versöhnlichkeit. Stattdessen eine Flut von Breitseiten, bisweilen etwas abgemildert durch Spott und eine gekrauste Nase, frisch-frech und herausfordernd. Es waren Attacken gegen die Medien, die seit Tagen auf der Schwangerschaft ihrer 17-jährigen Tochter herumreiten, gegen alle, die es wagen, auf eine ehemalige Dorfbürgermeisterin herabzublicken und ihre Qualifikation als Vize in Zweifel zu ziehen, und vor allem gegen Barack Obama.

Dem Präsidentschaftskandidaten der Demokraten bescheinigte sie schlicht, in erster Linie große Reden zu schwingen, aber in seiner politischen Laufbahn nichts Konkretes vorweisen zu können - im Gegensatz zu ihr, einer Reformerin, die es in ihrem Dorf und Staat mit Parteifilz, Lobbyisten-Einflüssen und Korruption aufgenommen habe.

Keine Hillary Clinton, aber dennoch "mehr als passabel"

Es war keine Hillary Clinton, die da sprach, dazu fehlte schon allein in Stimme und Ausdruck die Reife und auch Getragenheit einer gestandenen Politikerin. Dennoch waren sich fast alle Fernsehkommentatoren einig: Sarah Palin hat ihre erste Feuerprobe bestanden. "Sie hat ihre Aufgabe sehr gut erfüllt", hieß es bei CNN, "Das war mehr als passabel", bei MSNBC, und der konservative Sender Fox geriet sogar ins Schwärmen: "Brillant, ein unglaublich effektiver Auftritt."

McCain, selbst nicht als begnadeter Redner bekannt, stand die Erleichterung sichtlich ins Gesicht geschrieben, als er seiner Nummer Zwei nach dem Auftritt gratulierte. Auch eigene Parteistrategen hatten schließlich keinen Hehl daraus gemacht, dass sie seine Entscheidung für die unerfahrene Palin für ein großes Risiko halten. Warum McCain sie auswählte, liegt auf der Hand. Gleich mehrere Fliegen will er mit einer Klappe schlagen: die konservative Basis mit einer der Ihren zufriedenstellen, das eigene Image als Mann mit Mut zu unorthodoxen Entscheidungen aufpolieren und enttäuschte Hillary-Anhänger für sich gewinnen.

Erst einmal erreichte er eines, und das ist schon einmal wichtig. Der Parteitag stellte sich voll hinter Palin, feierte sie wie einen "Obama der Republikaner", wie es eine Delegierte formulierte. Aber das böse Erwachen, so warnen Analytiker, kann immer noch kommen. Denn das, was Palin am Mittwoch präsentierte, war ein vorbereitetes Skript, sorgfältig darauf angelegt, ihre Stärken herauszustellen und ihre Schwächen - wie das Fehlen jeglicher Erfahrung auf der internationalen Bühne - zu umschiffen. Nur ein einziges Interview hat Palin gegeben, seit sie ins Rampenlicht rückte. Seitdem ist sie völlig abgeschirmt worden. Nun fängt die heiße Phase des Wahlkampfes an, "und McCain wird sie von der Leine lassen müssen", sagt eine CNN-Kommentatorin. "Erst dann muss sie sich wirklich bewähren."

Quelle: ntv.de, Gabriele Chwallek, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen