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Wohnungstalk bei Lanz Palmer schlägt Sondervermögen für sozialen Wohnungsbau vor

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Ist sauer auf die Anhänger des Ziegenmelkers: Tübingens Oberbürgermeister Palmer.

Ist sauer auf die Anhänger des Ziegenmelkers: Tübingens Oberbürgermeister Palmer.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die Bundesregierung hat ein Problem: Es gibt zu wenig Wohnungen. Was sie dagegen tun will, erklärt Bauministerin Geywitz in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". Tübingens Oberbürgermeister Palmer würde ja gern bauen, wird aber von einem geschützten Vogel gestört - oder doch nicht?

"Es wird einem einfach verleidet, in diesem Land etwas zu machen, denn es kommt immer jemand, dem sofort einfällt, warum es nicht geht." Das ist das Fazit von Boris Palmer. Der Tübinger Oberbürgermeister bekommt das besonders zu spüren. Denn ihm fehlen Wohnungen. Hundert neue Wohnungen kann die Stadt Tübingen jedes Jahr bauen. Aber etwa 1500 Menschen suchen dort dennoch eine Unterkunft. Und die soll auch noch günstig sein. Würde der Staat nicht mit Subventionen helfen, läge der Mietpreis dort bei zwanzig Euro pro Quadratmeter.

Bundesbauministerin Klara Geywitz von der SPD kennt das Problem. Aktuell fehlen in ganz Deutschland etwa 600.000 Wohnungen. Zwar gibt es leer stehenden Wohnraum, aber dort, wo er nicht gebraucht wird. Ursprünglich hatte die Bundesregierung bei ihrem Antritt 2021 ein Ziel: 400.000 neue Wohnungen wollte sie jedes Jahr bauen lassen. Letztes Jahr waren es 265.000. Dieses Jahr dürfte die Zahl ähnlich sein. Der Wohnungsbau könnte ein weiterer Flop der Ampel-Koalition werden. "Wir haben ein Problem", gibt Geywitz in der ZDF-Talkshow "Markus Lanz" am Dienstagabend unumwunden zu.

Die Wohnungsbaupläne der Bundesregierung

Der Wohnungsmarkt habe es mit zwei Krisen zu tun, sagt Geywitz. Da sei zum einen der Zinssprung der EZB. Außerdem werde in Deutschland zu langsam und zu teuer gebaut. Kurzfristig werde sich daran nichts ändern. Darum habe die Bundesregierung eine Wohngeldreform auf den Weg gebracht, damit sich auch Geringverdiener die aktuell hohen Mieten leisten können: Ihnen hilft der Staat dabei. Gleichzeitig soll vor allem der soziale Wohnungsbau wiederbelebt werden. Dafür bekommen die Länder dieses Jahr aus dem Bundeshaushalt 3,15 Milliarden Euro.

Boris Palmer reicht das nicht. Zum Bauen neuer Wohnungen würde die Stadt Tübingen Eigenkapital benötigen, und das habe sie nicht. Anderen Gemeinden geht es ähnlich. Darum schlägt er vor: "Wir brauchen eigentlich so etwas wie das Sondervermögen für die Bundeswehr, mit dem man gezielt die gemeinnützigen und die kommunalen Wohnungsbauunternehmen im Eigenkapital stärkt durch Bundesmittel, damit wir wieder in die Lage versetzt werden, den Neubau voranzutreiben." Mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro könne man in Deutschland schon viel machen, sagt Palmer.

Ein weiteres großes Problem ist für Palmer die Bürokratie, deren Abbau sich die Bundesregierung eigentlich zum Ziel gesetzt hatte. Schon jetzt gebe es jede Menge Baugesetze, und alle fünf Jahre kämen dreißig neue dazu, bemängelt Palmer. Wozu diese Bürokratie führen kann, macht eine Posse deutlich, die die Stadt Tübingen schon seit einigen Jahren beschäftigt.

Der Vogel von Tübingen

In Tübingen gibt es ein Universitätsklinikum. Drei Millionen Menschen sind darauf angewiesen. Täglich werden dort Menschenleben gerettet. Damit das so bleiben kann, soll der zentrale Klinikbau erweitert werden. Geld wäre vorhanden. Die nötigen 250 Millionen Euro hat das Land Baden-Württemberg in seinem Haushalt etatisiert. Palmer: "Wir würden gerne loslegen. Ich würde auch die Baugenehmigung gerne unterschreiben. Aber dann komme ich ins Gefängnis."

Denn eines Tages wird in dem Uniklinikum ein Ornithologe behandelt. Und der hört plötzlich einen Vogel zwitschern, und das hat er nicht erwartet. Denn es handelt sich um einen Ziegenmelker. Und der ist streng geschützt. Es stellt sich heraus: Ein Ziegenmelker-Männchen hat sich die Dächer des Uniklinikums ausgesucht, um auf ihnen sein Liedchen zu trällern. Das Gebiet der Uniklinik wird zum Ziegenmelker-Habitat erklärt, bauen verboten.

Es sei denn, man schafft dem Vogel ein Ausweichquartier. Dumm nur: Der Vogel ist eine "Offenlandart", mag keine Bäume. Um den Uniklinikausbau zu ermöglichen, müssten also zehn Hektar Naherholungsgebiet abgeholzt werden, etwa tausend Bäume. Die müssten an einem anderen Platz wieder gepflanzt werden. Den gibt es aber in Tübingen nicht.

"Dann ist das Ziegenmelker-Erwartungsland"

Dann kommt das Jahr 2023. Da ist der Ziegenmelker plötzlich verschwunden, taucht auch nicht mehr auf. Das Problem scheint gelöst, denkt Palmer. Doch er irrt sich: "Die Naturschützer sagen, wenn da mal ein Ziegenmelker war, auch ein männliches Exemplar, das nicht brütet und keine Nachfolger hinterlassen hat, und auch wenn es weit und breit sonst keinen gibt, dann ist das Ziegenmelker-Erwartungsland." Obwohl der Vogel weg sei, müsse die Stadt Tübingen so tun, als wäre er noch da, so Palmer. Die Bäume müssten trotzdem weg.

Palmers Lösung: Er habe Ministerpräsident Kretschmann gebeten, einen Beamten zu finden, der für den Ziegenmelker einen Totenschein ausstellt. Palmer selber würde sich strafbar machen, wenn er eine Sonderregelung fände und eine Baugenehmigung unterschriebe. "Der Vogel ist so streng geschützt, dass das Strafrecht verhindert, der menschlichen Vernunft zum Erfolg zu verhelfen."

Doch es könnte ein Happy End geben, noch in dieser Legislaturperiode, verspricht Geywitz. Sie will Biotope schaffen, in denen bedrohte Tiere aus mehreren Städten ausgewildert werden sollen. Zudem erarbeite ihr Ministerium gerade ein Gesetz, nach dem sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wie die Wiederaufforstung abgeholzter Gebiete nicht nur am Ort des Bauens erfolgen könne. Geywitz: "Dann kann Herr Palmer mit jemand anders, den er gut kennt, einen Flächenaustausch verabreden. Das schaffen die schon."

Quelle: ntv.de

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