Tauziehen um neue griechische Regierung Papandreou will erneut anpacken
05.11.2011, 07:11 Uhr
Jetzt soll eine neue Regierung gebildet werden, die auf einer breiten politischen Basis steht.
(Foto: AP)
Im Kampf gegen die drohende Staatspleite gewinnt der griechische Ministerpräsident Papandreou die Vertrauensfrage. Die Mehrheit des Parlaments in Athen votiert in der Nacht für ihn. Noch heute will er mit der Opposition über die Bildung einer Übergangsregierung verhandeln. Ob Papandreou diese Regierung führen wird, ist unklar. Applaus für seine Politik erhält Papandreou von unerwarteter Seite - von Ex-Kanzler Schröder.
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou hat in der Nacht die Vertrauensabstimmung im Parlament gewonnen – doch die nächste Herkulesaufgabe wartet schon. Innerhalb weniger Tage soll im Kampf gegen die Staatspleite eine Übergangsregierung auf breiter politischer Basis gefunden werden. Noch heute will Papandreou mit der Opposition über die Bildung einer solchen Regierung verhandeln – ob er weiter Ministerpräsident bleibt, ist daher fraglich. Diese Herangehensweise erörtert er zur Stunde mit Staatspräsident Karolos Papoulias. "Und dann wollen wir sehen, wer diese Regierung führen wird", sagte Papandreou.
Nach mehr als sechsstündiger Debatte hatte das griechische Parlament Papandreou in der vergangenen Nacht das Vertrauen ausgesprochen. Von 298 anwesenden Abgeordneten stimmten 153 für Papandreou. Damit stärkten sogar mehr Abgeordnete dem Ministerpräsidenten in der öffentlichen Abstimmung den Rücken, als seine Fraktion Mitglieder zählt. Der sozialistischen PASOK im griechischen Parlament gehören 152 Abgeordnete an.
Applaus für Papandreou
Vor der Vertrauensabstimmung hatte der Ministerpräsident in einer emotionalen Rede für mehr Unterstützung und einen breiten politischen Konsens in der Schuldenkrise geworben. Das Rettungspaket sei "entscheidend für die Zukunft des Landes und muss umgesetzt werden", sagte Papandreou, der mit Applaus im Parlament begrüßt wurde. Nötig sei daher eine "ehrliche und breite Unterstützung". Verständnis für seinen Kurs erhielt Papandreou auch von der deutschen Sozialdemokratie.
Der Ausgang des Votums war ungewiss gewesen, nachdem zuvor mehrere Abgeordnete von Papandreous sozialistischer PASOK-Partei angekündigt hatten, gegen die Regierung stimmen zu wollen. Neben den 152 PASOK-Abgeordneten stimmte auch die frühere Arbeitsministerin Louka Katseli für Papandreou. Sie war erst vor wenigen Tagen aus der Fraktion ausgeschlossen worden, nachdem sie bei einem Votum über das Sparpaket gegen Lohnkürzungen gestimmt hatte. Jetzt soll sie wieder aufgenommen werden.
Papandreou sagte, er sei zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit bereit und werde notfalls auch seinen Posten zur Verfügung stellen. "Ich habe in der Diskussion nichts ausgeschlossen, nicht einmal meine eigene Position", betonte er. Er habe bereits erklärt, dass er nicht auf seinem Posten beharre und beweise dies "täglich". "Was mich interessiert, ist die Rettung des Landes." Vorgezogene Neuwahlen schloss er jedoch kategorisch aus. Dies käme einer "Katastrophe" gleich.
Nea Demokratie verweigert Zusammenarbeit
Oppositionschef Antonis Samaras hatte Papandreou zuvor mehrfach zum Rücktritt aufgefordert und eine Zusammenarbeit mit ihm ausgeschlossen. Seine konservative Partei Nea Demokratie fordert ein Übergangskabinett, das lediglich baldige Neuwahlen organisieren und das Rettungspaket durchs Parlament bringen soll.
Finanzminister Evangelos Venizelos sagte vor der Vertrauensabstimmung, Neuwahlen würden abgehalten, sobald die Verhandlungen zum Rettungspaket abgeschlossen seien. Eine Übergangsregierung werde "bis Ende Februar" an der Macht sein. Dann sollten die Diskussionen über die Details des Rettungsplans abgeschlossen sein, und es sei an den Wählern, Entscheidungen zu treffen.
Ex-Kanzler unterstützt Papandreou
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder stellte sich ausdrücklich hinter Papandreou und verteidigte dessen ursprüngliche Idee für ein Referendum über den Sparkurs. Es sei "naiv" von den Euro-Partnern gewesen, angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse in Athen nicht von einem solchen Schritt auszugehen, sagte der SPD-Politiker in einem Reuters-Interview. Allerdings müsse das Land alle auf dem Euro-Gipfel eingegangenen Auflagen erfüllen, eine Nachverhandlung sei nicht möglich. Sonst drohe der "Tabubruch" und eine Rückkehr zur Drachme.
Schröder forderte als Ausweg aus den Problemen der Eurozone ein "föderales Europa", für das sowohl der EU-Vertrag als auch das Grundgesetz geändert werden müssten. Dabei schließt der Ex-Kanzler auch ein Referendum in Deutschland nicht aus: Die Frage, wie Europa aussehen solle, sei eine wichtigere Frage als etwa die Abstimmung über einen Bahnhof, sagte er in Anspielung auf das baden-württembergische Referendum über den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs.
Merkel: Hausaufgaben für alle
Bundeskanzlerin Angela Merkel CDU warnte derweil vor der Erwartung, die Schuldenkrise werde auf einen Schlag vorbei sein. Die Schulden seien über Jahrzehnte aufgehäuft worden, daher werde es "sicherlich ein Jahrzehnt dauern, bis wir wieder besser dastehen", erklärte Merkel in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft. Sie beteuerte, es gebe keinen Anlass zum Pessimismus, was die Wirtschaftsentwicklung angehe. Zugleich betonte Merkel jedoch: "In Europa müssen sich alle anstrengen und ihre Hausaufgaben machen."
Papandreou hatte am Montag überraschend angekündigt, das Volk in einem Referendum über das mit harten Sparauflagen verknüpfte internationale Rettungspaket für Griechenland entscheiden zu lassen. Nach massivem Druck der EU-Partner und heftiger Kritik aus seiner eigenen Partei war er am Donnerstag jedoch gezwungen, das geplante Referendum in einer dramatischen Kehrtwende wieder abzusagen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/rts/AFP