Vladimir Franz mischt Tschechien auf Paradiesvogel für Prager Burg
11.01.2013, 09:42 Uhr
Vladimir Franz kann auf eine bunte Unterstützertruppe setzen.
(Foto: dapd)
Von oben bis unten tätowiert, den Körper gehüllt in einen Pelzmantel, fährt Vladimir Franz im tschechischen Präsidentschaftswahlkampf gerne in seiner "Air Franz One" vor. Der Kandidat wirkt reichlich schrullig. Dabei meint es der Künstler ernst und kann - auch dank Facebook - beim Kampf um die Prager Burg auf die Jugend bauen.
Die Tschechen wählen ihren Präsidenten zum ersten Mal direkt. Der Urnengang hat, trotz einer Reihe exzentrischer Kandidaten, eine ernste Bedeutung: Denn der Präsident in dem EU-Land ernennt Regierung, Verfassungsrichter und das Direktorium der Zentralbank. Ansonsten fallen ihm eher repräsentative Aufgaben zu.
Künstler Vladimir Franz hat nur Außenseiterchancen. Favoriten um die Nachfolge des EU-Kritikers Vaclav Klaus, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf, sind Milos Zeman und Jan Fischer. Dem Linkspolitiker Zeman werden 25,1 Prozent Zustimmung bescheinigt, bei dem Ex-Kommunisten und Statistiker Fischer sind es 20,1 Prozent.
Neben Franz, Fischer und Zeman bewerben sich sechs weitere Kandidaten für das Präsidentenamt, alle ohne Aussichten auf Erfolg - ein bunter Haufen aus Schauspielern, Ärzten, TV-Moderatoren und Adeligen. (jog)
Mit seinem komplett dunkelblau tätowierten Gesicht und Körper zählt der Künstler Vladimir Franz zweifellos zu den exzentrischsten Präsidentschaftskandidaten der Welt. Obwohl er über keinerlei politische Erfahrung verfügt, könnte der 53-jährige Schauspiellehrer, Komponist und Maler laut Umfragen bei der Präsidentschaftswahl in Tschechien auf Platz drei landen. Franz ist einer von neun Kandidaten, die bei der ersten Direktwahl eines Staatsoberhaupts in Tschechien antreten. Sollte er sich in der ersten Wahlrunde am Freitag und Samstag behaupten, käme er in die Stichwahl Ende des Monats.
Franz, der sich gern in Pelzmantel und spitzen Schuhen zeigt, hofft, dass seine Kandidatur etwas bodenständige Ehrlichkeit in die tschechische Politik bringt. Der Mann mit dem stacheligen Kurzhaarschnitt und den abrasierten Seitenpartien bezeichnet sich selbst als "Kandidat der Bürger" und fordert die Wähler auf, ihre Politikverdrossenheit zu überwinden. "Die Welt der Kunst gibt einem die Fähigkeit, authentisch über die Dinge zu sprechen, man ist nicht mit diesem Neusprech infiziert, von dem die Leute so die Nase voll haben", glaubt der Künstler. Bildung, Toleranz und Kultur seien seine wichtigsten Prioritäten.
"Innen ist er auf jeden Fall sauber"
Noch untätowiert machte Franz 1982 einen Jura-Abschluss an der Prager Karls-Universität. Eine Karriere als Jurist unter der damaligen kommunistischen Führung schien ihm aber wenig reizvoll - Franz war stattdessen in Arbeiterberufen tätig, kümmerte sich um Jugendliche mit Problemen und widmete sich seiner Kunst. "Egal, was ich unternommen habe, ich habe immer ganz unten angefangen", sagt der Präsidentschaftskandidat, der heute als Professor an der Akademie der musischen Künste in Prag lehrt. Der sechsfache Gewinner des Theaterpreises "Alfred Radok" hat zudem mehrere Opern komponiert.
Seinen Wahlkampf machte Franz vor allem im Online-Netzwerk Facebook, wo er bereits 55.000 "Gefällt mir"-Klicks erhielt. "Er verkörpert eine gute Moral - ein Mann mit einer makellosen Vergangenheit, unglaublich gebildet", schreibt Verunka Zaoralova in einem Facebook-Kommentar. "Ich habe keinen Zweifel, dass er schnell seinen Platz finden und uns in der Welt sehr sichtbar machen würde", heißt es da. Mati Brunt schreibt in einem Kommentar: "Er mag von außen schmutzig wirken, aber Innen ist er auf jeden Fall sauber."
Franz' neue Oper feiert Premiere
Zu Franz' Anhängern zählen vor allem die jungen Tschechen. Bei einer Umfrage unter mehr als 60.000 Schülern in knapp 450 Sekundarschulen kam er jüngst auf 40,7 Prozent. Zwar dürfen diese Schüler bei der anstehenden Wahl noch nicht zur Urne gehen, bald werden sie jedoch zur tschechischen Wählerschaft gehören. Vielleicht ist Franz' Zeit als Politiker einfach noch nicht gekommen. Auch wenn er einigen Umfragen zufolge auf Platz drei käme, dürften in der Stichwahl am 25. und 26. Januar aller Voraussicht nach der linksgerichtete Milos Zeman und der rechtsgerichtete Jan Fischer aufeinandertreffen - beides Ex-Ministerpräsidenten.
Doch auch unabhängig von seinen eher mageren Aussichten auf das Präsidentenamt gibt der Tattoo-Kandidat sein Bestes, um vor der Wahl die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu bekommen. Sein Wahlkampffahrzeug besteht aus zwei aneinandergeschweißten Minis und trägt den Titel "Air Franz One". Die Limousine ist bereits zur bunten Attraktion im historischen Zentrum von Prag geworden. Zudem feiert Franz' neue Oper, die auf dem Science-Fiction-Roman "Der Krieg mit den Molchen" von Karel Capek basiert, am Wahlabend am Freitag Premiere.
Quelle: ntv.de, Jan Flemr, AFP