Diplomaten verhandeln über Kontaktgruppe Paris und Berlin drohen mit Sanktionen
05.03.2014, 17:12 Uhr
Bundesaußenminister Steinmeier (l.), seine russischen und amerikanischen Amtskollegen Lawrow (2.v.r.) und Kerry (r.) sowie Frankreichs Präsident Hollande (2.v.l.) wollen in Paris einen Ausweg aus der Krise suchen.
(Foto: dpa)
Um direkte Gespräche zwischen Kiew und Moskau zu ermöglichen, soll in Paris eine internationale Kontaktgruppe gebildet werden. Sollte dies scheitern, droht die EU mit Sanktionen. Gleichzeitig stellt sie Kiew Milliardenzahlungen in Aussicht.
In einem diplomatischen Tauziehen haben US-Außenminister John Kerry und mehrere europäische Kollegen eine Lösung der sich zuspitzenden Krim-Krise gesucht. Die USA und Großbritannien riefen den russischen Außenminister Sergej Lawrow in Paris zu einem direkten Treffen mit dem ukrainischen Übergangs-Ressortchef auf.
In Paris treffen sich Diplomaten zur lange geplanten Konferenz zur Lage im Libanon - wegen der Krim-Krise bekam das Treffen aber eine ganz neue Brisanz. Denn für die Konferenz reiste neben Kerry und europäischen Chefdiplomaten wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auch Lawrow nach Paris. Erstmals seit Beginn der Krim-Krise sollten Kerry und Lawrow zu einem Treffen zusammenkommen. Außerdem befand sich der ukrainische Interims-Außenminister Andrej Deschtschyzja in der Stadt.
Es würden "alle diplomatischen Anstrengungen unternommen, Russland und die Ukraine zu einem direkten Kontakt auf ministerieller Ebene zu bringen", sagte der britische Außenminister William Hague bei einem Treffen mit Kerry und Deschtschyzja. Dieser betonte nach einem Treffen mit Frankreichs Außenminister Laurent Fabius: "Wir wollen diesen Konflikt friedlich beilegen. Wir wollen nicht gegen Russland kämpfen." Russland erkennt allerdings die neue Regierung der Ukraine nicht als legitim an. Dass Lawrow einer Begegnung mit Deschtschyzja zustimmt, war daher zweifelhaft.
Gespräche über Kontaktgruppe
Im Anschluss an die Libanon-Konferenz war ein separates Außenminister-Treffen zur Lage in der Ukraine geplant. Dabei sollte auch über die von Deutschland vorgeschlagene internationale Kontaktgruppe zur Krim-Krise gesprochen werden. Steinmeier will eine solche Kontaktgruppe vor dem EU-Krisengipfel zur Krim-Krise am Donnerstag in Brüssel auf die Beine stellen.

Ein russischer Soldat steht in der Nähe eines ukrainischen Marineschiffes in Sewastopol.
(Foto: REUTERS)
Sollte es keine Fortschritte bei der Bildung einer Kontaktgruppe geben, werde die EU am Donnerstag Sanktionen verhängen, kündigten Deutschland und Frankreich an. Russlands Präsident Wladimir Putin zeigte zwar kein Entgegenkommen, erklärte aber auch, die Wirtschaftsbeziehungen sollten trotz der Spannungen nicht beeinträchtigt werden.
Die Europäische Union will unterdessen die prowestliche Regierung der Ukraine durch hohe Milliardenhilfen vor der Staatspleite retten. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso stellte Kiew Zuschüsse und Kredite in Höhe von elf Milliarden Euro für die kommenden Jahre in Aussicht. Die Ukraine-Krise bedeute eine echte Gefahr für den Frieden in Europa, sagte Barroso.
Die von russischen Energielieferungen abhängige Ukraine steht nach eigenen Angaben vor der Pleite. Die USA hatten dem Land zuvor bereits eine Milliarde US-Dollar (726 Millionen Euro) Hilfe für die Energieversorgung zugesagt. Diesen Weg schlägt auch die EU ein. "Wir wollen helfen, die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Ukraine zu stabilisieren", sagte Barroso in Brüssel.
Die wichtigsten Bestandteile des Brüsseler Hilfsangebots sind drei Milliarden Euro aus dem EU-Budget - davon 1,4 Milliarden Zuschüsse und 1,6 Milliarden Euro Kredite als Zahlungsbilanzhilfe. Hinzukommen sollen von der Europäischen Investitionsbank im Zeitraum zwischen 2014 und 2016 rund drei Milliarden Euro Kredite. Außerdem rechnet die Kommission mit Hilfen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in Höhe von fünf Milliarden Euro.
Schon vor einem Jahr genehmigte Hilfen in Höhe von 610 Millionen Euro könnten "in den nächsten Wochen" ausgezahlt werden, sagte Barroso weiter. Ex-Präsident Viktor Janukowitsch hatte das Geld abgelehnt, um nicht politische und wirtschaftliche Reformen nach den Bedingungen des Internationalen Währungsfonds akzeptieren zu müssen. Russland hatte mit Kiew im vergangenen Dezember Kredite im Wert von 15 Milliarden US-Dollar vereinbart. Diese Hilfe war aber im Januar gestoppt worden, als die Regierung auf Druck der prowestlichen Opposition zurücktrat.
USA drohen mit Sanktionen, Berlin bleibt skeptisch
Die USA drohen Russland weiter mit Sanktionen, weil russische Soldaten aus US-Sicht die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim unter ihre Kontrolle gebracht haben. Es seien Strafmaßnahmen gegen hohe Beamte sowie Unternehmen geplant, berichtete die "Washington Post".
Die Bundesregierung ließ ihre Haltung zu Sanktionen offen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier bemühten sich um einen politischen Ausweg aus der bedrohlichen Situation. Ohne die erfolgreiche Bildung einer Kontaktgruppe würde das Thema Sanktionen aber auf der Tagesordnung des EU-Sondergipfels stehen. Der Russland-Koordinator der Bundesregierung, Gernot Erler, bezeichnete im Deutschlandfunk Sanktionen allerdings als das falsche Mittel. Russland und die EU seien voneinander abhängig.
Der russische Präsident Wladimir Putin behauptet, die zu Tausenden aufmarschierten Uniformierten seien keine russischen Militärs. Sein Außenminister Sergej Lawrow beteuerte, Moskau habe über die prorussischen Gruppen auf der Krim keinerlei Kommandogewalt. Ukrainische Einheiten errichteten nach eigenen Angaben jedoch Kontrollpunkte an den Zufahrtsstraßen zur Halbinsel. So solle das Eindringen von Provokateuren verhindert werden, die der prorussischen Führung der Autonomen Halbinsel zu Hilfe kommen, sagte der Vize-Chef des Grenzdienstes der Ex-Sowjetrepublik, Pawel Schischolin.
OSZE-Beobachter beginnen Mission
Übereinstimmenden Berichten zufolge kontrollieren russische Soldaten bereits seit Tagen strategisch wichtige Punkte auf der Krim und blockieren ukrainische Militärstützpunkte. Die ukrainische Regierung warf Russland vor, russische Soldaten hätten zwei Raketen-Stützpunkte der ukrainischen Streitkräfte auf der Krim teilweise unter ihre Kontrolle gebracht. Die Raketen seien aber bereits zuvor von den Stützpunkten entfernt oder "abgerüstet" worden, sagte ein Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums.
Unbewaffnete Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) waren unterdessen auf dem Weg in die südukrainische Hafenstadt Odessa. An der Mission seien 18 OSZE-Mitgliedsländer beteiligt, teilte die Staatenorganisation mit. Bis zum kommenden Mittwoch sollen sie sich in der Ukraine aufhalten, um dort militärische Aktivitäten Russlands zu beobachten. Es blieb unklar, ob die Gruppe aus 35 Experten tatsächlich Zugang zur Krim bekommt. Unter den Beobachtern sind auch zwei Soldaten der Bundeswehr.
n-tv Korrespondent Dirk Emmerich ist in Simferopol und twittert von dort über die aktuelle Entwicklung auf der Krim-Halbinsel.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP/rts