"Wir sind gekommen, um zu bleiben" Parteitage stimmen für Grün-Rot
07.05.2011, 16:16 UhrEinstimmig votieren Grüne und SPD in Baden-Württemberg für den Koalitionsvertrag. Damit könnte Kretschmann am Donnerstag zum ersten grünen Ministerpräsidenten gewählt werden. In der SPD gibt es allerdings Zweifel an der Geschlossenheit des Koalitionspartners. Auch in Rheinland-Pfalz stimmt die SPD für die rot-grüne Koalition.
Die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg ist so gut wie perfekt. Die Sonderparteitage von Grünen und SPD stimmten für den Koalitionsvertrag. Die Sozialdemokraten votierten in Sindelfingen ebenso einstimmig für die grün-rote Vereinbarung wie die Grünen in Stuttgart.
Mit stehenden Ovationen feierten die Grünen das Ergebnis der Abstimmung. Der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte, seine Partei wolle wirkliche Veränderungen erreichen. Er kündigte unter anderem an, mit der Bundesregierung Gespräche über einen schnellstmöglichen Atomausstieg zu führen.
Kretschmann mahnte den künftigen Koalitionspartner SPD aber auch zur Einigkeit. "In einem Land, wo die CDU immer noch die stärkste Partei ist, können wir uns keine Konflikt-Koalition erlauben. Sondern wir müssen an einem Strang ziehen." Aus der SPD waren Zweifel laut geworden, ob Kretschmann bei seiner Wahl am kommenden Donnerstag alle Grünen-Abgeordnete im Landtag hinter sich haben wird.
"Gekommen, um zu bleiben"
SPD-Landeschef Nils Schmid sieht im Bündnis mit den Grünen ein langfristiges Projekt. Er sagte: "Wir sind gekommen, um zu bleiben." Der Koalitionsvertrag sei "ein festes Fundament für ein gemeinsames Regierungshandeln." Das Motto der Sozialdemokraten solle lauten, "wir kümmern uns". Schmid warb für Solidarität mit dem designierten Grünen-Regierungschef. "Der Ministerpräsident Winfried Kretschmann verdient unsere uneingeschränkte Unterstützung bei dieser schwierigen Aufgabe."
Am kommenden Montag soll der Koalitionsvertrag unterschrieben werden. Am Donnerstag soll dann Kretschmann als bundesweit erster Grünen-Politiker zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Schmid soll das neue Superministerium Wirtschaft und Finanzen übernehmen und stellvertretender Ministerpräsident werden.
Grüne und SPD hatten bei der Landtagswahl im März die jahrzehntelange Vormachtstellung der CDU in Baden-Württemberg gebrochen. Weil die Grünen ein Landtagsmandat mehr als die SPD haben, stellen sie den Ministerpräsidenten.
Ziel einer "umweltfreundlichen Mobilität"
Kretschmann bestand auf dem Parteitag auf einer grundlegenden Veränderung in der Verkehrspolitik: "Von unserem Ziel einer umweltfreundlichen Mobilität werden wir uns durch nichts und niemandem abbringen lassen." Dies habe er auch kürzlich dem Daimler-Chef Dieter Zetsche gesagt. Er fügte hinzu: "Wie viele Autos am Ende Porsche, Audi oder Daimler verkaufen, bestimmt ja nicht der Ministerpräsident, sondern der Markt."
Der designierte Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen kündigte an, das Ergebnis eines Volksentscheids über Stuttgart 21 auf jeden Fall zu akzeptieren. "Wir haben vor der Wahl eine Volksabstimmung versprochen. Die wird stattfinden. Das Votum wird anerkannt", sagte Hermann der "Leipziger Volkszeitung". Das Milliardenprojekt der Verlegung des Kopfbahnhofs unter die Erde ist der strittigste Punkt in der geplanten grün-roten Koalition.
Ausschluss Sarrazins gefordert
Die SPD forderte in Sindelfingen zudem den Parteiausschluss von Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin. Der Landesparteitag votierte mit großer Mehrheit dafür, dass das Ausschlussverfahren wieder aufgenommen werden müsse. "In unserer Mitte ist kein Platz für Rassismus, Ressentiments und Ausgrenzung", heißt es in der verabschiedeten Resolution. Zuvor hatte Schmid in seiner Rede gesagt: "Wir dürfen die SPD nicht den Sarrazins überlassen." Der Bestseller-Sachbuchautor sorgt mit seinen Thesen von vererbbarer Intelligenz und fehlendem Integrationswillen der Muslime für heftigen Streit in der SPD. Auf einen Ausschluss hatte die Partei aber verzichtet.
Zustimmung auch in Mainz
Auch ein außerordentlicher Parteitag der SPD in Rheinland-Pfalz stimmte in Mainz mit überwältigender Mehrheit für den Koalitionsvertrag mit den Grünen. Von den knapp 400 Delegierten gab es lediglich drei, die gegen die Grundlage für die Regierungsarbeit der geplanten rot-grünen Koalition stimmten.
Zuvor hatte Ministerpräsident Kurt Beck eindringlich dafür geworben, dem Vertrag mit dem Titel "Den sozial-ökologischen Wandel gestalten" zuzustimmen. Trotz des Verlustes der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl im März müsse die SPD nicht über einen Neuanfang sprechen, sondern könne auf das in den vergangenen Jahren Geleistete aufbauen. Am Sonntag beraten die Grünen den Koalitionsvertrag. Die konstituierende Sitzung des Landtags soll am 18. Mai stattfinden.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP