Politik

Sprachregelung zu Afghanistan Pathos oder klare Worte

Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), hat Kritik des Bundeswehrverbandes an der zurückhaltenden Wortwahl zum Afghanistaneinsatz zurückgewiesen. "Wir sollten hier keine Rhetorikschlacht beginnen", sagte Schmidt dem Tagesspiegel. "In unserem Sprachgebrauch sprechen wir nicht von Kreuzzügen, wenn es gegen Terrorismus geht und nicht von Krieg, wenn es um Fälle von Anwendung bewaffneter Gewalt geht. Mit den Begriffen darf man nicht leichtsinnig umgehen."

"Wir sollten mit Pathos in unserem Lande sehr zurückhaltend umgehen", sagte Schmidt. "Ich ziehe da den persönlichen Zuspruch und die Versicherung der Anerkennung der Leistungen bis hin zu einem Ehrenmal für die im Einsatz zu Tode gekommenen Soldaten vor. Leider ist in Deutschland das Pathos schon oft missbraucht worden, dass man klug daran tut, es zurückhaltend zu nutzen."

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz, hatte der Regierung in einem Interview vorgeworfen, mit "gestelzten Wendungen" die Wahrheit über den Afghanistaneinsatz zu verschleiern. Auch habe Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bei der Trauerfeier für den vergangene Woche in Nordafghanistan getöteten Bundeswehr-Hauptfeldwebel nicht die passenden Worte benutzt, als er in seiner Rede erklärte, der Soldat sei in Afghanistan "ums Leben gekommen". Es hätte nach Gertz' Ansicht stattdessen heißen müssen, der Soldat sei "für die Bundesrepublik Deutschland gefallen".

Krieg, Kampfeinsatz oder asymmetrischer Konflikt

Unterdessen debattierten Bundestagsabgeordnete weiter darüber, ob sich die Bundeswehr in Afghanistan im Krieg befindet. "Wir befinden uns in Afghanistan im Kriegszustand", sagte der SPD- Bundestagsabgeordnete Jörn Thiessen der "Financial Times Deutschland". Obwohl Deutschland in dem Land keine kriegführende Partei sei, habe man trotzdem Kriegsopfer zu beklagen. Der Unionsabgeordnete Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte: "Man sollte den Einsatz durchaus als das beschreiben, was er ist: Nämlich ein Kampfeinsatz, der auch die Bekämpfung von Aufständischen beinhaltet." Er halte aber nichts von "undifferenzierter Brachialwortwahl". Dies sei unnötig.

Der Grüne Winfried Hermann warf der Bundesregierung vor, die deutsche Öffentlichkeit in Bezug auf die wahre Qualität des Afghanistan-Einsatzes zu täuschen. "Hierzulande wird andauernd zwei Selbsttäuschungen Vorschub geleistet", sagte der Bundestagsabgeordnete aus Baden-Württemberg. "Erstens wird erklärt, man habe die Situation in Afghanistan im Prinzip im Griff. Verschwiegen wird aber, dass dort kriegsähnliche Zustände herrschen und es kaum noch Zonen der Sicherheit gibt." Die zweite Täuschung sei die Behauptung, die Anwesenheit deutscher Soldaten sorge für Sicherheit. Dabei ist die Bundeswehr in Afghanistan nur noch damit beschäftigt, sich selbst zu schützen. " Hermann kündigte an, die Verlängerung und Erweiterung der Bundeswehr-Mandate im Herbst im Bundestag abzulehnen.

"Wir brauchen eine Diskussion über eine verantwortbare Exit-Strategie", forderte Hermann in der "Berliner Zeitung". Ähnlich hatte sich zuvor schon Vize-Fraktionschef Christian Ströbele geäußert. Hermann sagte, es gehe ihm nicht um ein "Nix wie raus": "Aber ein geordneter Rückzug wäre möglich und nötig". Es sei jetzt der Zeitpunkt erreicht, den Afghanen zu sagen: "Wir sind bereit, euch zu helfen, aber wir sind nicht bereit, Krieg in Afghanistan zu führen."

Dagegen sind für den Grünen-Verteidigungsexperten Winfried Nachtwei die Aktionen der Bundeswehr in Afghanistan "kein Kriegseinsatz", sondern ein "asymmetrischer Konflikt". Nachtwei fügte im Bayerischen Rundfunk hinzu: "Ein Kriegseinsatz bedeutet nämlich im Klartext, man will den Kontrahenten militärisch vernichten. Das soll nicht der Auftrag der Bundeswehr sein, das darf nicht der Auftrag der Bundeswehr sein". Der Auftrag der Bundeswehr sei weiterhin, eine Art Puffermacht zu sein zwischen verschiedensten Gewaltakteuren. Außerdem sei es der Auftrag der deutschen Truppen, staatlichen Aufbau abzusichern.

Ausrüstung nicht mangelhaft

Der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Vizeadmiral Wolfram Kühn, wies die Kritik des Bundeswehrverbandes an mangelhafter Ausrüstung der Soldaten in Afghanistan als ungerechtfertigt zurück. "Was getan werden kann, wird auch getan", sagte er der in Erfurt erscheinenden "Thüringer Allgemeine". Man habe für die Ausstattung mit geschützten Fahrzeugen gesorgt und "wir verbessern die Ausrüstung in Zusammenarbeit mit den Herstellern kontinuierlich". Im Übrigen würden die Soldaten anderer westlicher Truppen in Afghanistan die deutschen Kräfte um ihre Ausrüstung "beneiden".

Drei Kanadier getötet

In Afghanistan sind unterdessen weitere ausländische Soldaten bei Kämpfen getötet worden. Drei kanadische Soldaten starben, als Taliban eine Patrouille in der südlichen Provinz Kandahar angriffen. Fünf Soldaten wurden verletzt. Sie gehörten der Internationalen Schutztruppe ISAF an. Damit sind seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes vor sechs Jahren 96 kanadische Soldaten in dem Land am Hindukusch ums Leben gekommen. Kanada beteiligt sich mit insgesamt 2500 Soldaten an der ISAF. Trotz wiederholter Proteste in der Heimat und der Forderung, die Truppen nach Hause zu holen, will Kanada seinen Einsatz bis 2011 fortsetzen.

Die von der NATO kommandierte ISAF zählt derzeit 53.000 Soldaten aus rund 40 Ländern. Hinzu kommt eine von den USA angeführte Anti-Terror-Koalition aus 17.000 Soldaten.

Quelle: ntv.de

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